Eduard Schewardnadse – ein Wegbereiter des Umbruchs in Europa

(Porträt)

Im Herbst 1989 haben die Bürger der DDR und viele Gleichgesinnte in den Ländern des sowjetischen Machtbereiches ihr Schicksal in die eigene Hand genommen: friedlich, besonnen und mit großer Verantwortung. Der Wille zu Freiheit und Demokratie floss zu einem großen Strom zusammen. Zu den Persönlichkeiten, die der Einheit Deutschlands und Europas den Weg bereiteten, gehört der damalige sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse. Als einer der Vordenker und Mitgestalter der grundlegenden Veränderungen in der Sowjetunion der 80er Jahre gab er der sowjetischen Außenpolitik im Zeichen von Perestrojka und Glasnost eine völlige Neuorientierung.

Es war nicht eine taktische Veränderung oder nur ein einseitiges Suchen von Vorteilen mit neuen Methoden, wie es damals manche Gorbatschow und seinen Mitstreitern unterstellten, sondern es war eine auf neue Wertvorstellungen gegründete Politik in der Sowjetunion nach innen und nach außen. Bei jeder unserer zahlreichen Begegnungen empfand ich, dass dieser Mann mit einer Politik bricht, die über Jahrzehnte das Handeln der Sowjetunion bestimmt hatte. Er öffnete damit das Tor für eine neue Zukunft in ganz Europa: Heute ist eine neue Kultur des Zusammenlebens möglich, die auf die Ebenbürtigkeit der Völker und auf deren Gleichberechtigung gegründet ist.

In den 2+4-Verhandlungen erwies sich er als ein verantwortungsvoller und ernsthafter Verhandlungspartner, als ein Mann, der seine Sache mit Festigkeit vertrat, der aber auch Verständnis zeigte für unser Ziel: Einheit und Zugehörigkeit zu den westlichen Gemeinschaften. Mit seinem Rücktritt am 20. Dezember 1990 wollte er ein Zeichen setzen gegen die Gefahren, die dem neuen Kurs in der damaligen Sowjetunion drohten.

Schewardnadse folgte dann dem Ruf nach Georgien, um in der fast aussichtslosen Lage seines Landes die mit dem Amt des Staatspräsidenten verbundenen Aufgaben zu übernehmen. Er nahm sich selbst in die Pflicht für seine Heimat, für das Recht, für die Freiheit, für die Menschenwürde, für die Werte, ohne die sein Eintreten für die Politik von Perestrojka und Glasnost für die Sowjetunion und für die Außenpolitik der Überwindung der Teilung Europas, Deutschlands und Berlins nicht verständlich wären.

Zusammen mit Gorbatschow hat er eine wahrhaft revolutionäre Entwicklung in Europa eingeleitet, die unumkehrbar geworden ist und die auch uns verpflichtet. Wir müssen in der neuen Verantwortung als Deutschland im Herzen Europas für die Überwindung der noch immer vorhandenen Gegensätze im ganzen Europa arbeiten. In den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion müssen stabile Rahmenbedingungen geschaffen werden. Europa muss den Völkern in diesen Nachfolgestaaten zeigen, dass es entschlossen ist, sich auf sich selbst zu besinnen und die Einheit des ganzen Europa anzunehmen und sie zu verwirklichen. Das bedeutet auch zu erkennen, dass es im Westen auf Dauer nicht gut gehen kann, wenn es im Osten Europas auf Dauer schlecht gehen würde.

Eduard Schewardnadse können wir unseren Dank abstatten, indem wir Georgien auf dem schweren Weg des Übergangs zu Demokratie und Marktwirtschaft helfen und den Weg zu dem Europa, dem es sich immer zugehörig gefühlt hat, ebnen. Einer der hervorragenden Garanten des neuen Europa ist der große Staatsmann Eduard Schewardnadse. Ihm auch persönlich Freund geworden zu sein, gehört für mich zu den glücklichen Erfahrungen meines politischen Lebens.