Medjugorje, „Erscheinungsort“ der Friedenskönigin

(Fallstudie)
aus OWEP 1/2003  •  von Sandra Prlenda

Sandra Prlenda ist Historikerin; ihr Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung von Nationalismus und Religion im 19. und 20. Jahrhundert. Sie lebt in Zagreb.

Vor Beginn der angeblichen Erscheinungen der seligen Jungfrau Maria 1981 waren Medjugorje und das benachbarte Bijakovići (wo die Seher lebten und die ersten Erscheinungen stattfanden) arme Dörfer in der westlichen Herzegowina (Gemeinde Čitluk), einer der wirtschaftlich am wenigsten entwickelten Regionen der Republik Bosnien und Herzegowina im sozialistischen Jugoslawien. Die Bevölkerungszahl der beiden Dörfer hatte sich aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Möglichkeiten und der gesellschaftlichen Umstände jahrzehntelang immer mehr vermindert (1981: etwa 1.700 Bewohner). Die Bewohner betrieben vor allem Landwirtschaft, Tabak- und Weintraubenanbau sowie extensive Schafzucht. Ein Teil der Männer arbeitete in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern als „Gastarbeiter“, eine bedeutende Zahl befand sich in der politischen Emigration. Die überwältigende Mehrheit (98,5 %) der Bewohner von Medjugorje (und der westlichen Herzegowina) sind ethnische Kroaten, ihrem Glauben nach katholisch.

Bereits seit dem 14. Jahrhundert waren in der westlichen Herzegowina traditionell Franziskaner pastoral tätig, für die 1892 von der bosnischen eine selbstständige herzegowinische Ordensprovinz abgetrennt wurde. Eine reguläre Diözesanverwaltung wurde erst 1881 durch Österreich-Ungarn eingeführt, das 1878 das bislang zum Osmanischen Reich gehörende Bosnien und Herzegowina annektiert hatte. Die pastorale Sorge um die Gläubigen sollte mit der Zeit von den Franziskanern auf die neu gegründete Diözese Mostar-Duvno übergehen, doch vor Beginn des Zweiten Weltkrieges versorgten die Franziskaner auch weiterhin 63 der insgesamt 79 Pfarrgemeinden des Bistums. Durch Bestimmungen von 1967 und 1975 ordnete der Vatikan an, dass die Diözese weitere fünf Gemeinden von den Franziskanern übernehmen sollte, was diese jedoch ablehnten, so dass es zu einem Konflikt mit dem Bischof kam, der als „herzegowinischer Fall“ bekannt wurde. Dieser Streit ist bislang nicht gelöst, sondern kulminierte vielmehr 2001, als die Franziskaner in den Ort Čapljina einen falschen Bischof zur Firmung einluden. Auch die katholische Gemeinde Medjugorje wird von Franziskanern versorgt.

Die Erscheinungen

Von der ersten Erscheinung Mariens berichtete am 24. Juni 1981, am Tag des heiligen Johannes, Ivanka Ivanković (geb. 1966) aus dem Dörfchen Biakovići. Als sie mit Freundinnen unweit des Dorfes spazieren ging, beim Hügel Podbrdo (heute gewöhnlich „Berg der Erscheinungen“ genannt), rief Ivanka plötzlich aus, dass sie eine weibliche Gestalt sehe, die sie sofort als „Gospa“ (die Jungfrau Maria) identifizierte. Noch drei Mädchen und zwei Jungen behaupteten, eine Helligkeit beziehungsweise eine weibliche Figur zu sehen, von einem Schleier umgeben und mit einem Kind in den Händen. Die erschrockenen Kinder informierten die Eltern und Nachbarn, so dass sich im Laufe des Abends und des nächsten Tages die Geschichte im Dorf verbreitete. Einige Dorfbewohner waren misstrauisch, andere erwähnten bereits Lourdes, und am nächsten Abend zur gleichen Zeit (gegen 18.30 Uhr) begleitete eine große Gruppe von Menschen die Kinder, die sich erneut auf den Weg nach Podbrdo machten. Bei dieser Gelegenheit sahen Ivanka Ivanković, Mirjana Dragičević (geb. 1965), Vicka Ivanković (geb. 1964) sowie Ivan Dragičević (geb. 1965) und die neu dazugekommenen Marija Pavlović (geb. 1965) und Jakov Čolo (geb. 1971) die Gospa. Diese sechs sollten sich im Laufe des nächsten Monats und der folgenden Monate täglich zur gleichen Zeit versammeln und behaupten, dass sie die selige Jungfrau Maria, wie sie sich ihnen selbst bereits am dritten Tage vorgestellt hatte, sähen und sich mit ihr unterhielten. Die beiden Jungen, die am ersten Tag das Licht gesehen hatten, hatten niemals mehr weitere Erscheinungen.

Die Nachricht von den Erscheinungen verbreitete sich blitzartig, so dass bereits am dritten Tag etwa tausend Menschen aus dem Ort und der Umgebung sich bei Podbrdo versammelten, die mit den „Sehern“ gemeinsam beteten und sangen. Es sollten jeden Tag mehr werden, was die lokale Polizei beunruhigte. Die Polizei, ein Arzt, ein Psychiater und der Pfarrer von Medjugorje, Fra Jozo Zovko, der erst am vierten Tag von einer Dienstreise in die Gemeinde zurückgekommen war, befragten die jungen Seher. Die Kinder beschrieben die Figur der Gospa sehr genau. Es sei eine junge Frau von außergewöhnlicher Schönheit, mit schwarzem Haar und blauen Augen, in ein blaues Kleid mit weißem Schleier gewandet, mit einer Sternenkrone gekrönt, die auf einer Wolke schwebt und von Licht umgeben ist. In den ersten Gesprächen fragten die Kinder nach den Verstorbenen aus ihren Familien, dann ging das Gespräch über zu Botschaften an die Gläubigen und die Franziskaner. Die Gospa verlangte von ihnen festen Glauben und Versöhnung. Marija Pavlović sah in einer Einzelerscheinung die sehr traurige Gospa mit einem großen Kreuz, die ihr sagte: „Friede, Friede, Friede und nur Friede! Friede muss herrschen zwischen Gott und Menschen, aber auch zwischen den Menschen.“ Die Kinder verlangten von der Gospa laut und hartnäckig, dass sie ihnen ein Zeichen geben möge, damit die versammelte Menge ihnen glaube.

Um sich vor dem immer größeren Druck der Menge der Gläubigen und der Kranken, die um Gesundung beteten, zu verbergen und um auszu-probieren, ob die Gospa sich auch an einem anderen Ort zeigen würde, fuhren die Kinder am siebten Tag (30. Juni) mit dem Auto zu einem Ausflug außerhalb des Ortes. Die Gospa zeigte sich ihnen angeblich auch auf dem Weg in das Dorf Cerno und kündigte an, dass sie sich noch drei Tage zeigen werde. Gleichzeitig beschloss Fra Jozo Zovko, der zunächst den Erscheinungen gegenüber misstrauisch und durch die Masse der Gläubigen auf dem Berg beunruhigt war, die Authentizität der Erscheinungen anzuerkennen. Später sollte er behaupten, dass auch er in der Kirche die Gestalt der Gospa gesehen habe. In Medjugorje versammelten sich außerdem Franziskaner aus der Umgebung, die den Gläubigen die Beichte abnahmen und täglich um 18.30 Uhr in der großen Pfarrkirche die Messe hielten, um zu erreichen, dass die Gläubigen vom Ort der Erscheinungen in die Kirche kämen. Obgleich die Gospa für den zehnten Tag (3. Juli) den Kindern ihre letzte Begegnung angekündigt hatte, setzten sich die täglichen Erscheinungen fort, jetzt jedoch nicht nur auf dem Berg, sondern auch in den Räumen des Presbyteriums.

In den kommenden sechs Monaten sollten die Erscheinungen und die sie begleitende Frömmigkeit eine feste Form bekommen. Eine große Menge von Gläubigen aus allen Gegenden Jugoslawiens, auch solche orthodoxen und muslimischen Glaubens, kamen nach Medjugorje, bestiegen den „Berg der Erscheinungen“, der von scharfen Kieselsteinen und Dornengestrüpp bedeckt ist, beteten, sangen und berichteten von wunderbaren Heilungen. Im Juli sollten Dutzende von Menschen behaupten, sie hätten das Wort „MIR“, den kroatischen Begriff für „Frieden“, mit glänzenden Buchstaben an den Himmel geschrieben gesehen. Anfang August sahen viele ein wundersames Spiel der Sonne und andere Lichtzeichen, und im Oktober erblickten die Gläubigen und die Franziskaner anstelle des vierzehn Meter hohen Kreuzes auf dem Berg Križevac oberhalb von Megjugorje eine leuchtende Säule oder eine weibliche Silhouette. Die Erscheinungen dauerten zwischen fünf und 15 Minuten. In dieser Zeit beteten die Kinder gemeinsam mit der Gospa, stellten ihr Fragen, die ihnen von den Priestern oder Gläubigen übermittelt wurden, hörten auf sie und reichten Gegenstände zur Segnung hin. Seit Januar 1982 ereigneten sich die Erscheinungen regelmäßig in einer Kapelle in der Nähe der Sakristei der Kirche von Medjugorje. Die anwesenden Priester und Gläubigen hörten nicht mehr, was die Kinder sagten, sondern sahen nur ihre Lippenbewegungen. Die Seher behaupteten, dass sie während der Erscheinungen nichts von der äußeren Welt sehen oder hören, was die versammelten Theologen als Status von Ekstase betrachteten. Die Kinder wurden einer Reihe von Untersuchungen unterzogen, die ihre Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen und eine auffällige Synchronizität ihrer körperlichen Reaktionen während der Erscheinungen feststellten. Die Erscheinungen zeigten sich ihnen, wo auch immer sie sich befanden, auf Reisen oder bei Schulaufenthalten.

Reaktionen

Die Reaktionen der lokalen kommunistischen Behörden und der staatlichen Medien erfolgten schnell und waren gegenüber den Erscheinungen von Medjugorje sehr negativ. Ein Jahr nach dem Tod von Präsident Josip Broz Tito war Jugoslawien erschüttert durch nationalistische Unruhen unter der albanischen Bevölkerung im Kosovo. Der Sommer 1981 stand im Zeichen der Feier des vierzigsten Jahrestags des antifaschistischen Aufstands. Die westliche Herzegowina und ihre kroatische Bevölkerung waren über viele Jahre wegen ihrer Mitwirkung in der Ustaschabewegung, dem extrem rechten Verbündeten des nazistischen Deutschland, stigmatisiert. In Medjugorje selbst waren die Einwohner vom schweren Erbe der serbisch-kroatischen Konflikte belastet. Im Sommer 1941 hatte ein Teil von ihnen an einem Verbrechen der Ustascha gegenüber der serbischen Zivilbevölkerung aus einem Nachbarort teilgenommen, wobei etwa 600 getötete Menschen in eine Karsthöhle unweit des Ortes der Erscheinungen geworfen worden waren. Die Kommunisten aus dem Gemeindezentrum und die Medien verurteilten das „Wunder in Čitluk“ sofort als „Erwachen des Kleronationalismus“. Die Polizei war durch die Massenversammlungen der Gläubigen besorgt und verbot am 12. August Versammlungen in Podbrdo. Am 17. August durchsuchten sie Kirche und Pfarrhaus und nahmen den Gemeindepfarrer Fra Jozo Zovko fest. Er wurde nach dem Gesetz über „Feindliche Propaganda“ wegen einiger Ausdrücke in einer abendlichen Predigt angeklagt und im Oktober zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Noch zwei andere Franziskaner aus der Herzegowina wurden in jenem Herbst nach dem gleichen Gesetz zu langjährigen Strafen verurteilt.

Der Bischof von Mostar, Pavao Žanić, reagierte zunächst gegenüber den Erscheinungen skeptisch, protestierte aber wegen der Verfolgung von Fra Zovko bei den Behörden. Zweifel an der Authentizität der Erscheinungen erregte bei ihm die Inkonsistenz in den Berichten der Seher, besonders ein Fall von zwei Franziskanern, die sich bereits seit einigen Jahren weigerten, eine Pfarrgemeinde in der Stadt Mostar zu verlassen, die nach der Vereinbarung von 1975 von Diözesanpriestern übernommen werden sollte. Die Seher behaupteten, dass die Gospa auf ihre Fragen hin mehrfach gesagt habe, der Bischof habe einen Fehler gemacht, die unschuldigen Franziskaner sollten dort bleiben, wo sie sind. Da er als Bischof für die Feststellung der Authentizität der Erscheinungen zuständig war, bildete Žanić 1982 eine erste Kommission für die Untersuchung der Authentizität, die 1985 durch eine zweite Kommission ersetzt wurde, welche die Bischofskonferenz in Jugoslawien gegründet hatte.

Die Botschaften der Gospa

Sehr schnell stellte sich die Gospa den Kindern als Königin des Friedens vor. Die Seher behaupteten, dass sie ihnen versprochen habe, ein unauslöschliches übernatürliches Zeichen zu hinterlassen, nach welchem sich viele Menschen endgültig bekehren und glauben würden. Sie hat ihnen auch versprochen, zehn Geheimnisse beziehungsweise Prophezeiungen zu offenbaren, die entweder die Kinder persönlich oder die Zukunft der Welt beträfen. Die Geheimnisse sollten die Seher drei Tage vor dem vorhergesagten Ereignis ausgewählten Priestern mitteilen, diese dann der Öffentlichkeit. Ihre Hauptbotschaft, der Aufruf zu Glauben, Bekehrung, Gebet, Fasten und Frieden wurde durch das Ordensnetz in der Welt verbreitet, so dass sich mit der Zeit weltweit Gebetsgruppen und Organisationen zur Förderung der Verehrung der Gospa von Medjugorje bildeten. Eine typische Monatsbotschaft für die Welt lautet: „Liebe Kinder! Heute rufe ich euch alle auf, mit dem Herzen zu beten. Jeder von euch soll Zeit für das Gebet finden, so dass ihr durch das Gebet Gott entdeckt. Ich möchte nicht, dass ihr über das Gebet sprecht, sondern dass ihr betet. Jeder eurer Tage soll vom Gebet der Dankbarkeit an Gott für das Leben und für alles, was ihr habt, erfüllt sein. Ich wünsche nicht, dass euer Leben in Worten vergeht, sondern dass ihr Gott in Taten feiert. Ich bin mit euch und bin Gott dankbar für jeden Augenblick, den ich mit euch verbringe. Danke, dass ihr auf meinen Aufruf reagiert habt“ (25. April 1991).

Um die Verbreitung der Frömmigkeit von Medjugorje haben sich jedenfalls die Franziskaner am meisten verdient gemacht. Von Anfang an waren Jozo Zovko und Tomislav Vlašić mit den Sehern, die beide charismatischen Kreisen in der katholischen Kirche nahe standen. Durch theologische Interpretation und Popularisierung der Botschaften der Gospa haben Ljudevit Rupčić, Slavko Barbarić, Petar Ljubičić, Ivan Dugandžić sowie der französische Mariologe René Laurentin zum Erfolg von Medjugorje beigetragen. Einer der wenigen kroatischen Bischöfe, der die Authentizität der Erscheinungen unterstützte, war der Erzbischof von Split Frane Franić.

Der Welterfolg des Ortes und die Zweifel

Medjugorje hat in wenigen Jahren einen wahren touristischen Boom erlebt. Pilger kamen buchstäblich aus allen Teilen der Welt, zunächst vor allem aus Italien, später aus den Vereinigten Staaten. Die Statistik zeigt, dass die Zahl der Kommunizierenden von etwa einer halben Million im Jahr 1985 auf 1,3 Millionen im Jahr 1990 gestiegen ist. Die Ortsbewohner nahmen die Pilger zunächst ohne Entschädigung in ihren Häusern auf, doch mit der Zeit entstand eine wahre touristische Industrie. Ende der achtziger Jahre entfernte die Kommerzialisierung des Ortes die Gemeindemitglieder von ihren Glaubenspflichten, und es ließ sich ein Rückgang von Gebet und Fasten registrieren.

Im Laufe der Jahre wurden die Beziehungen zwischen dem Bischof von Mostar und den Franziskanern immer angespannter. Nach und nach wurden fast alle Pfarrer von Medjugorje wegen Ungehorsams vom priesterlichen Dienst suspendiert, doch sie bleiben auch weiterhin im Ort. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Jugoslawiens, der Erzbischof von Zagreb, Kardinal Franjo Kuharić, und Bischof Žanić verboten organisierte Pilgerreisen und richteten einen Brief an die italienische Bischofskonferenz mit der Aufforderung, das auch zu tun. Die zweite Kommission zur Untersuchung der Authentizität der Erscheinungen fällte eine Entscheidung, die die Bischofskonferenz Jugoslawiens am 10. April 1991 veröffentlichte (die sogenannte „Erklärung von Zadar“): „Es ist nicht möglich festzustellen, dass es sich um übernatürliche Ereignisse handelt“ (non constat de super-naturalitate). Die Bischöfe verpflichteten sich, Richtlinien für die pastorale Sorge der Gläubigen zu erlassen, die auch weiterhin nach Medjugorje kamen. Mit der Selbstständigwerdung der ehemaligen jugoslawischen Republiken wurde für Medjugorje die Bischofskonferenz von Bosnien und Herzegowina zuständig. Nachfolger von Bischof Pavao Žanić wurde 1993 Ratko Perić, der bis heute eine entschieden negative Haltung gegenüber der Authentizität der Erscheinungen beibehält. Natürlich besuchte Papst Johannes Paul II. Medjugorje während seines Pastoralbesuchs in Sarajevo nicht; er unterstützte Bischof Perić bei seinen Bemühungen, das Marienheiligtum in Hrasno als das „wahrhafte Heiligtum der Königin des Friedens“ bekannt zu machen.

Der Krieg in Kroatien und in Bosnien und Herzegowina hat zeitweilig den Zustrom der Pilger vermindert und die Franziskaner und Gebetsgruppen in der ganzen Welt zum Sammeln von humanitärer Hilfe und zur Organisierung von Massengebeten für den Frieden veranlasst. Da sich Medjugorje in einem ethnisch homogenen kroatischen Gebiet befindet, war der Ort selbst von Kriegsereignissen nicht direkt betroffen. Medjugorje hat nicht den Status eines Wallfahrtsortes, und die Kirche betrachtet die zahlreichen Besucher nicht als Pilger. Auf dem Gebiet von Kroatien und Bosnien und Herzegowina ist es Pfarrern verboten, Besuche von Gläubigen zu organisieren. Bis heute haben etwa 15 bis 18 Millionen Menschen Medjugorje besucht. Wegen der Schwäche der staatlichen Strukturen und des Steuersystems ist nicht festzustellen, wie groß die Gesamteinkünfte der Bewohner von Medjugorje gewesen sind.

Die Seher heute

Trotz eines anfänglichen Interesses hat sich keiner der sechs Seher dem Ordens- oder Priesterleben gewidmet. Sie haben auch keine zivilen Berufe, sondern leben von religiösen Vorträgen, der Bewirtung von Pilgern und deren milden Gaben. Alle Seher sind verheiratet und haben Kinder.

Weihnachten 1982 verkündete Mirjana Dragičević, dass sie keine täglichen Erscheinungen mehr habe. Die Gospa habe ihr angeblich alle zehn Geheimnisse anvertraut und ein mysteriöses Pergament übergeben, auf dem sich der Text eines jeden Geheimnisses unmittelbar vor der Verwirklichung zeigen sollte. Sie habe ihr versprochen, dass sie ihr einmal jährlich zu ihrem Geburtstag erscheinen werde sowie zu besonderen Gelegenheiten. Doch seit August 1987 behauptet Mirjana Dragičević erneut, dass sie jeden zweiten Donnerstag im Monat die Stimme der Gospa höre und mit ihr für die Ungläubigen bete. Seit 1997 hat sie jeden Donnerstag von 10 Uhr bis 11 Uhr eine Erscheinung. Die täglichen Erscheinungen an Ivanka Ivanković hörten am 7. Mai 1985 auf. Die Gospa erscheint ihr einmal jährlich zum Jahrestag der ersten Erscheinungen, am 25. Juni. Jokov Čolo sieht die Gospa nicht mehr täglich seit dem 12. September 1998. Er hat einmal jährlich, zu Weihnachten, eine Erscheinung. Ivanka lebt ein zurückgezogenes Familienleben, während Mirjana und Jakov auch weiter Pilger empfangen und sich mit ihnen unterhalten.

Vicka Jaković (Ivanković), Ivan Dragičević und Marija Pavlović-Lunetti behaupten, dass sie auch weiterhin täglich die Gospa sehen. Über Marija, die in Mailand lebt, verkündet die Gospa jeden 25. im Monat ihre Botschaften an die Welt, die die Franziskaner durch ein entwickeltes Netz von Gebets- und anderen Gruppen in der ganzen Welt verbreiten. Ivan verbringt einen Teil des Jahres in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er bei religiösen Versammlungen spricht, den Sommer über ist er in Medjugorje. Das einst armselige Dorf ist voller neugebauter Familienpensionen und Geschäften, und die Mehrheit seiner Bewohner lebt durchaus komfortabel vom Glaubenstourismus.

Aus dem Kroatischen übersetzt von Thomas Bremer.