Folgen der polnischen Integration in die EU für die Landwirtschaft

aus OWEP 2/2006  •  von Walenty Poczta

Der Autor ist Dozent an der Landwirtschaftsakademie in Posen.

Einführung

Die Einbettung der Landwirtschaft in die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Ansetzung fast der Hälfte des EU-Haushalts für diesen Bereich führt dazu, dass die Wirkung dieser Finanzmittel bei der Einschätzung der Integration in den neuen EU-Mitgliedstaaten eine sehr große Bedeutung hat. Besonders gilt dies auch für Polen, und zwar aus Gründen der relativ großen wirtschaftlichen und sozialen Rolle des Agrarsektors und wegen der Entwicklungsverspätung des ländlichen Raums. Die Teilnahme am europäischen Binnenmarkt bewirkt einen Prozess der Preisangleichung und neuer Einnahmemöglichkeiten für die Bauern als Folge höherer Nachfrage, gestiegener Preise und ökonomischer Unterstützung durch die GAP. Viele Analysen vor und nach dem EU-Beitritt belegen, dass mit den wirtschaftlichen Veränderungen eine wesentliche Verbesserung der Einkommenssituation der polnischen Landwirtschaft verbunden ist. Das bestätigt eine Aussage der Generaldirektion Landwirtschaft der Europäischen Kommission, wonach „die Situation in den neuen Mitgliedsländern vier Monate nach der Erweiterung als positiv eingeschätzt werden kann.“1

Man darf allerdings nicht vergessen, dass eine Verbesserung der Einkommenssituation in der Landwirtschaft nicht in allen landwirtschaftlichen Betrieben stattgefunden hat. Generell muss das Einkommensniveau in der polnischen Landwirtschaft im Vergleich zu anderen Berufsgruppen als niedrig eingestuft werden. Verschärft wird die Situation durch verschiedene Faktoren, die einer Einkommensverbesserung hemmend entgegen stehen.

Die kurze Zeit, die seit dem polnischen EU-Beitritt vergangen ist, erlaubt noch kein eindeutiges Urteil über den Einfluss der Integration auf die polnische Landwirtschaft. Zu beachten sind folgende Aspekte:

  • Die Informationen über direkte Integrationsfolgen für den Agrarsektor liegen noch nicht vollständig vor.

  • Die indirekten Integrationsfolgen – sowohl gewünschte als auch unerwünschte – sind noch weniger bekannt.

  • Einige Prozesse wie etwa der Strukturwandel zeigen sich nur in einer mittel- oder langfristigen Perspektive.

  • In der Landwirtschaft bestehen relativ lange Produktionszyklen, weswegen die Integrationsfolgen auch erst in langfristiger Perspektive richtig beurteilt werden können.

  • Viele GAP- und Strukturhilfemaßnahmen befinden sich erst in der Startphase, ihre Folgen können deshalb natürlich noch nicht eingeschätzt werden.

Die erste Einschätzung der Integrationsfolgen muss sich also durch große Vorsicht auszeichnen, die daraus gezogenen Schlussfolgerungen müssen in dem Maße, in dem neue Informationen auftauchen, regelmäßig überprüft werden.

Der vorliegende Beitrag versucht, die Situation der polnischen Landwirtschaft am Ende des Jahres 2004 zu beurteilen, und berücksichtigt besonders den Integrationseinfluss in bestimmten Sektoren und in ausgewählten Modelltypen der landwirtschaftlichen Betriebe. Die Analysen beruhen auf den Daten aus polnischen und europäischen Statistiken, die Informationen aus den Institutionen und die Primärdaten stammen aus ausgewählten landwirtschaftlichen Betrieben. In einigen Fällen mussten Schätzungen zugrunde gelegt werden.

Die Integrationsfolgen für die Landwirtschaft – Sektoranalyse

Die folgende Sektoranalyse (Analyse im Hinblick auf die Produktion bestimmter Produkte) bezieht sich auf die Schätzung der Einnahmen aus der landwirtschaftlichen Produktion und auf die Produktionsaufwendungen im Vergleich zur Periode unmittelbar vor der Integration, d. h. zu den Bedingungen des Jahres 2003. Die Berechnungen für die Landwirtschaftseinnahmen aus dem Direktverkauf und aus dem Marktverkauf wurden nach dem vereinfachten Warenkorb durchgeführt, die Einnahmen aus der Verkaufsproduktion um die direkten Erzeugerbeihilfen und die Beihilfen für benachteiligte Gebiete vergrößert. Außerdem wurden verschiedene Varianten von GAP-Zahlungen angenommen.

Selbstverständlich können die Ergebnisse dieser ersten Analyse nur als Eingangsschätzung betrachtet werden, die aber immerhin einen gewissen Trend anzeigen. Folgende Schlussfolgerungen können formuliert werden:

  • Im Niveau der Ankaufpreise sind erhebliche Veränderungen eingetreten. So sind die Preise für Zuckerrüben um mehr als 60 Prozent gestiegen, die Preise für Schweinefleisch und Rindfleisch um ca. 30 Prozent, der Preis für Milch um ca. 20 Prozent. Hingegen sind die Ankaufpreise für Raps und Getreide erheblich gesunken.

  • Veränderungen gab es auch in der Struktur des Marktverkaufs, als Folge der Veränderungen des Verkaufsvolumens und der Preise. So ist besonders die Bedeutung des Getreideankaufs gesunken; das Getreide steht jetzt in der polnischen Landwirtschaft hinsichtlich des Ankaufs nur noch an fünfter Stelle (hinter Milch, Fleisch, Geflügel und Zuckerrüben).

  • Die Einnahmen in der Landwirtschaft wurden im Jahr 2004 im Vergleich zu 2003 wesentlich durch direkte Erzeugerbeihilfen ergänzt und sind dementsprechend unterschiedlich stark angestiegen. Dort, wo (a) von einem Drittelanteil direkter Erzeugerbeihilfe auszugehen ist, wuchsen die Einnahmen um 16,6 Prozent; (b) bei der hundertprozentigen Berücksichtigung der direkten Erzeugerbeihilfe wuchsen die Einnahmen um 28,3 Prozent; (c) schließlich betrug die Steigerung dort, wo neben der hundertprozentigen Erzeugerbeihilfe weitere Beihilfe für benachteiligte Gebiete gewährt wurde, sogar 33,1 Prozent.

  • Festzustellen ist auch ein deutlicher Anstieg der Produktionsmittelpreise um 18,3 Prozent.

  • Insgesamt ist in dem untersuchten Zeitraum auch das Nominaleinkommen angestiegen. Bei den drei angeführten Formen der Unterstützung betrug die Steigerung bei (a) 10-14 Prozent, bei (b) 40-43 Prozent und bei (c) 50-55 Prozent.

Generell kann man sagen, dass sich die Situation der polnischen Landwirtschaft unter Zugrundelegung der Sektoranalyse wesentlich verbessert hat.

Integrationsfolgen für ausgewählte Typen landwirtschaftlicher Betriebe

Nun sollen die Folgen der Integration für einzelne Betriebe untersucht werden. Dabei ist zu beachten, dass die untersuchten Höfe Modellcharakter tragen, viele Daten entsprechen Durchschnittswerten. Jeder landwirtschaftliche Betrieb zeichnet sich in der Praxis durch spezifische Produktionsbedingungen, unterschiedliche Volumina, Struktur und Qualität der Produktionsressourcen, Produktionstechnologien, Einbindung in Marktstrukturen usw. aus. Bei Schaffung der Modelltypen landwirtschaftlicher Betriebe hat man sich vor allem von der Größe des Betriebs und von der Produktionsstruktur leiten lassen. Außer diesen zwei Faktoren wurden weitere Aspekte berücksichtigt, die eine möglichst breite Differenzierung zuließen. Es wurde aber vorausgesetzt, dass sich mit Ausnahme des kleinsten Betriebs (Nr. I) die Produktionstechnologie in den anderen Betrieben auf einem hohen Niveau befindet, d. h. höher als der Durchschnitt in der polnischen Landwirtschaft. Diese Voraussetzung basiert auf der Annahme, dass in den Betrieben mit überdurchschnittlicher Größe auch die Technologien moderner und die Kenntnisse des Hofbetreibers besser seien.

Die Analyse ging von folgenden Voraussetzungen aus:

  • Die Preise der tierischen Produktion im Jahr 2004 wurden als durchschnittliche angenommen, die Preise der pflanzlichen Produktion wurden als Preise nach der Ernte angenommen.

  • Eingerechnet wurden direkte Erzeugerbeihilfen für das Jahr 2004 ohne Rücksicht darauf, ob diese schon wirklich eingelöst wurden.

  • Für die direkten Kosten der landwirtschaftlichen Produktion wurden die Kosten der Beratungsstelle Minikowo angesetzt.

  • Indirekte Kosten und Amortisation im Jahr 2004 wurden nach der Publikation „Produktion, Kosten und Einkommen ausgewählter landwirtschaftlicher Produkte in den Jahren 2001-2003“2 angenommen und modifiziert, d. h. sie wurden um das durchschnittliche Wachstum der direkten Kosten (18,3 Prozent) erhöht.

  • Außerdem wurde angenommen, dass pro Haushalt nur zwei Personen mit einer Vollstelle im landwirtschaftlichen Betrieb beschäftigt sind.

  • Die Arbeitskosten der festen Lohnarbeiter wurden auf der Basis des Durchschnittslohns von Arbeitskräften in der Landwirtschaft geschätzt und zu den direkten Kosten hinzugezählt.

Um den Integrationseinfluss auf die landwirtschaftlichen Betriebe zu bestimmen, wurden zusätzlich analog zur Sektoranalyse bestimmte finanzielle Einflüsse (Erzeugerbeihilfen, Abschreibungsmöglichkeiten usw.) berücksichtigt, die hier nicht im einzelnen aufgeschlüsselt werden sollen. Statt dessen folgt eine Kurzbeschreibung der Betriebstypen.

Untersuchte Betriebe

Betrieb I
Die Betriebsgröße liegt bei 8,5 Hektar. Verglichen mit der Lage der polnischen Gesamtwirtschaft ist der Hof als durchschnittlich einzustufen: Der beackerte Boden hat eher geringe Qualität, die Produktion ist wenig intensiv. Dieser Betriebstyp fährt wegen der geringen Produktion und der niedrigen Produktivität ein negatives landwirtschaftliches Nettoeinkommen ein. Die Unterstützung durch direkte Erzeugerbeihilfen verbessert zwar die ökonomische Situation, führt aber zu keiner deutlichen Änderung in der Situation der bäuerlichen Familie.

Betrieb II
Dieser Typ mit einer Größe von 15 Hektar findet sich häufig in Polen. Die Böden sind in diesem Fall ziemlich gut, der Erzeuger betreibt eine intensive landwirtschaftliche Produktion mit den Schwerpunkten Milch und Zuckerrüben. Die EU-Integration sorgt dafür, dass in einem solchen Betrieb mit hoher Verkaufsquote und günstiger Produktionsstruktur das Familieneinkommen gesichert ist. Für Modernisierungs- oder Anpassungsmöglichkeiten aus eigener Kraft reicht das Einkommen jedoch nicht.

Betrieb III
Auch diese Art von Betrieb (ebenfalls mit 15 Hektar Fläche) findet sich oft in Polen. Der Unterschied liegt allerdings in den schlechteren Böden und in der weniger intensiven landwirtschaftlichen Produktion. In diesem Fall handelt es sich um Schweineproduktion (200 pro Jahr). Die äußerst günstige Preisentwicklung auf diesem Sektor seit dem zweiten Quartal 2004 hat die wirtschaftliche Situation dieser Höfe erheblich verbessert und einen Modernisierungsschub angestoßen.

Betrieb IV
Mit einer Größe von 30 Hektar zählt dieser Betrieb zu den für polnische Verhältnisse relativ großen Anlagen. Die Böden haben in diesem Fall mittlere Qualität, sodass hauptsächlich Weidewirtschaft betrieben wird. Hauptproduktionszweig ist die Milchproduktion mit 25 Kühen (Leistung: 6000 l pro Jahr). Durch die EU-Integration ist die Leistung um 22 Prozent angestiegen ist. Das Einkommen aus einem solchen Betrieb mit mittlerer Produktionsintensität, hoher Verkaufsproduktion und günstiger Produktionsstruktur ernährt seine Betreiber und lässt auch kleinere Investitionen zu.

Betrieb V
Hier ist von 50 Hektar auszugehen, einer für Polen ziemlich großen Fläche. Die Böden haben in diesem Fall jedoch schlechtere Qualität, der Anbau von Futtergetreide ist weniger intensiv. Hauptproduktionsrichtung ist in diesem Fall die Schweinezucht (1.000 Tiere pro Jahr). Das Einkommen ist um mehr als 90 Prozent angestiegen. Damit ist die Existenz der Betreiber gesichert, ebenso sind Investitionen möglich. Die langfristigen Entwicklungschancen sehen nicht schlecht aus. Allerdings darf man nicht vergessen, dass der Schweinemarkt unter starken Absatz- und Preisschwankungen leidet.

Betrieb VI
Auch hier wird die große Fläche von 50 Hektar angenommen. 80 Prozent der ganzen Nutzfläche bestehen aus Weideland, der Betrieb ist auf Viehproduktion (50 Stück im Jahr) spezialisiert. Die hohen Viehpreise und Erzeugerbeihilfen haben die ökonomische Situation verbessert, dennoch bleibt das Einkommen negativ. Der Produktionsumfang ist nicht genügend groß, um kostendeckend zu arbeiten. Der Betrieb kann aber mit anderen Unterstützungshilfen aus der GAP (Beihilfen für benachteiligte Gebiete, Agrar-Umwelt-Programme) rechnen.

Betrieb VII
Es handelt sich um eine sehr große Anlage mit 300 Hektar Nutzfläche in guter Qualität, die Getreide, Raps und Zuckerrüben produziert, aber kein Vieh hält. Die Analyse zeigt, dass Betriebe, die sich durch großen Produktionsumfang und hohe Arbeitsleistung auszeichnen, am meisten von den positiven Wirkungen der GAP profitieren. Trotz des Preisrückgangs bei Getreide haben solche Betriebe gute Entwicklungsperspektiven.

Betrieb VIII
Der Betrieb verfügt über 1.000 ha Nutzfläche von guter Qualität; es ist ein typischer Betrieb, auf dem Getreide produziert wird, jedoch keine Tierzucht stattfindet. Nur in diesem Betrieb hat sich das Einkommen verkleinert. Das bedeutet aber keine Gefahr für die Entwicklung des Hofes, denn der Betrieb erhielt vor der Integration finanzielle Unterstützung durch die Agentur für Agrarmarkt und konnte deswegen sehr hohe Gewinne erreichen. Wenn der Betreiber auf Tierzucht oder z. B. auf Zuckerrübenanbau wechselt, werden sich die ökonomischen Bedingungen des Betriebs in der EU-Situation verbessern.

Ausblick

Mit Ausnahme des zuletzt vorgestellten Betriebstyps kann man sagen, dass sich mit der EU-Integration in den polnischen landwirtschaftlichen Betrieben wesentliche Verbesserungen abzeichnen. Der Lebensstandard der auf dem Land und von der Landwirtschaft lebenden Familien wird allmählich steigen. Gleiches gilt auch für die in Gang gekommene Modernisierung der Höfe.

Gleichzeitig – und das sollte man betonen – werden durch die Mittel der GAP kleine Höfe in ihrer Existenz bestärkt und Arbeitsplätze auf dem Land erhalten.3 Allerdings müssen diese kleineren Betriebe weitere Anstrengungen unternehmen, um im europäischen Wettbewerb bestehen zu können. Auch wenn eher zu Optimismus als zu Pessimismus Anlass besteht, muss an den Beginn der vorliegenden Untersuchung erinnert werden: Die Datenbasis beruht auf sehr frühen und z. T. vagen Schätzungen über die Entwicklung der Landwirtschaft in Polen. Mittelfristig können sowohl Konjunkturschwankungen als auch globale Prozesse gravierende Veränderungen hervorrufen.


Fußnoten:


  1. Vgl. zum Ganzen: European Commission Directorate-General for Agriculture. Prospects for agricultural markets and income 2004-2011 for EU 25. Brüssel 2004. ↩︎

  2. A. Skarżyńska / I. Augustyńska-Grzymek / I. Ziętek: Produkcja, koszty i dochody wybranych produktów rolniczych w latach 2001-2003. IERiGŻ (Institut für Landwirtschaft und Ernährungswirtschaft). Warschau 2004. ↩︎

  3. Diese recht optimistische Einschätzung der Zukunft der polnischen Landwirtschaft darf nicht über die Existenznöte vieler polnischer Kleinbauern hinwegtäuschen. Hier ist immer wieder auch die Rede von „Polen A“ und „Polen B“. Vgl. dazu etwa Christian Tenbrock („Polen A und Polen B. Beim größten EU-Neumitglied brummt die Wirtschaft – zum Wohle der urbanen Elite“, in: Die Zeit, Nr. 36, 26.08.2004) über die Zukunft Polens nach dem EU-Beitritt: „Polen A, das ist das Polen der Exporteure, der dünnen Schicht der Reichen und der wachsenden urbanen Mittelklasse ... Polen B allerdings profitiert vom Aufschwung nicht. Polen B ist das Polen großer Teile der ländlichen Bevölkerung, der überwiegend schlecht ausgebildeten Arbeitslosen und all jener Menschen, die beim Wandel zur Marktwirtschaft zurückgeblieben sind ... Polen B überlebt mit der eigenen Kuh und dem eigenen Gemüsegarten oder Schwarzarbeit zu Hause und jenseits der westlichen Landesgrenzen.“ Neben den Strukturproblemen der Landwirtschaft muss in diesem Kontext auch an die Probleme der Schwerindustrie (z. B. in Oberschlesien) erinnert werden, wo der Strukturwandel schmerzhafte Einschnitte erfordert hat (Anm. d. Redaktion). ↩︎