Interview mit Botschafter Dr. Miro Kovač über Kroatien nach dem Beitritt zur Europäischen Union

aus OWEP 3/2013  •  von Thomas Bremer

Die Fragen stellte Thomas Bremer.

Herr Botschafter, Ihr Land ist in diesem Jahr der Europäischen Union beigetreten. Welche Vorteile versprechen Sie sich für Kroatien durch diesen Beitritt?

Dr. Miro Kovač (Foto: Renovabis-Archiv)

Zunächst einmal gilt es hervorzuheben, dass der Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union unzertrennlich verbunden ist mit der Erlangung der Anerkennung der Eigenständigkeit. Wegen der politischen Erschütterungen in den neunziger Jahren kam es zu einer Verzögerung der Integration Kroatiens in das Gemeinsame Haus Europa. Durch den jetzt endlich erfolgten Beitritt ist Kroatien nicht nur Teil des Binnenmarktes, sondern auch eines Raumes des Rechts, der Freiheit und der Demokratie geworden. Ich bin überzeugt, dass unsere Teilhabe an diesem gemeinsamen Raum förderlich sein wird für die Entwicklung Kroatiens, mittelfristig auch für die Steigerung des Wohlstands im Lande.

Welche Vorteile des Beitritts Kroatiens sehen Sie denn für die anderen Mitgliedsstaaten der Union?

Kroatien bringt sich als Land mit seinen Menschen in die Europäische Union ein, wozu auch der prinzipielle Zuspruch zur europäischen Idee und der bisher geleistete Beitrag zur Verwirklichung des Friedens und der Demokratie gehören.

Die Europäische Union befindet sich zweifellos in einer Krise; das betrifft nicht nur die Wirtschaft, sondern auch grundsätzliche Fragen, die sich etwa in der britischen Haltung äußern. Wie muss sich die Union Ihrer Meinung nach entwickeln?

Mittel- und langfristig bin ich Optimist bezüglich der europäischen Idee. Man darf die Menschen aber nicht mit „zu viel Europa“ überfordern. Man spürt ihr Bedürfnis nach Nähe. Brüssel und Straßburg scheinen ihnen fern zu liegen. Deshalb gilt es, dass insbesondere an den nationalen politischen Schnittstellen europäisch gedacht und gewirkt wird.

Im Vorfeld des Referendums über den Beitritt hat es auch in Kroatien kritische Stimmen gegeben – wie schätzen Sie diese heute ein? Wie groß ist ihr politischer Einfluss?

Die Bevölkerung in Kroatien befürwortet im Grunde genommen den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union. Dass es auch Skeptiker gibt, wenngleich nicht viele, zeugt von Pluralismus und Reife, verwundert aber nicht, gibt es doch gerade in den alten Mitgliedsstaaten einen ziemlich ausgeprägten Argwohn die Europäische Union betreffend.

Ihr Land muss in den nächsten Jahren, wenn die Bedingungen dafür geschaffen sind, auch den Euro einführen – was ist dafür noch nötig, und wann wird es nach Ihrer Einschätzung soweit sein?

Kroatien wird sich zunächst mit der Durchführung von Strukturreformen und somit mit der Steigerung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit befassen. Der Beitritt zur Währungsunion wird später auf der Tagesordnung sein.

Kroatien hat gemeinsame Grenzen mit zwei Beitrittskandidaten –Montenegro und Serbien – sowie mit einem Staat, der noch weit von einem Beitritt zur Europäischen Union entfernt ist, Bosnien und Herzegowina. Welche Auswirkungen hat der kroatische Beitritt für diese Staaten, und sehen Sie hier eine besondere Rolle für Kroatien?

Wir sind überzeugt davon, dass der Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union einen positiven Effekt auf die Beitrittsperspektive unserer südosteuropäischen Nachbarn haben wird. Wir werden diese Perspektive fördern und konstruktiv agieren.

Zwischen Kroatien und Deutschland gibt es zahlreiche Verbindungen; die vielen hier lebenden Kroaten und die vielen deutschen Touristen sind ein Aspekt, aber es gibt auch starke wirtschaftliche Beziehungen. Wie sehen Sie die Beziehungen zwischen beiden Ländern, und wie können sie sich noch entwickeln?

Die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und ihren Menschen sind sehr intensiv. Trotzdem gibt es gerade im Bereich der Wirtschaft genügend Luft, um die Beziehungen noch zu vertiefen. Ein Blick auf den Umfang der Handelsbeziehungen Deutschlands mit anderen Ländern Mittel- und Osteuropas reicht aus, um zu erahnen, wie ausbaufähig die kroatisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen sind.

Wie stellt sich für Sie die wirtschaftliche Situation Ihres Landes dar? Was sind die Stärken, wo liegen Defizite?

Kroatien hat ein modernes Autobahnnetz aufgebaut, es ist schnell zu erreichen aus dem deutschsprachigen Raum, viele Menschen sind des Deutschen mächtig. Die Durchführung von Strukturreformen wird Kroatien noch attraktiver für Investitionen und somit auch wettbewerbsfähiger machen.

Wie sehen Sie heute die Situation von Justiz und Grundrechten in Kroatien, nachdem gerade diese Bereiche (Stichwort „Korruption“) im Vorfeld zu Verzögerungen des Beitritts geführt haben?

Es geht im Grunde um die Notwendigkeit der weiteren Steigerung von Effizienz. Korruption gibt es in Kroatien so wie auch anderswo. Mit effizienten Strukturen, mit effizienten Verwaltungsprozessen wird Korruption leichter verhindert.

Zum Schluss bitten wir Sie noch um einige Geheimtipps für unsere Leser: Welches kroatische Buch, welche Musik, welche Region, welche Spezialität und welches Getränk würden Sie empfehlen?

Stellen Sie sich Folgendes vor: An einem heißen Sommertag sitzen Sie im Schatten, im Garten eines Hauses, das sich auf einer der dalmatinischen Inseln befindet, Sie genießen einen guten Rotwein von der Rebsorte Plavac mali, verkosten dazu dalmatinischen Schinken mit Oliven und lesen „Was ist schon ein Mann ohne Schnurbart? (Što je muškarac bez brkova?)“ von Ante Tomić. Das wäre doch schön, oder?