Tschechien – ein historischer Abriss

aus OWEP 4/2012  •  von Tobias Weger

Dr. Tobias Weger ist Historiker und Übersetzer und seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) in Oldenburg.

Zusammenfassung

Mit der Tschechischen Republik verbindet die Bundesrepublik Deutschland die längste gemeinsame Grenze, und dennoch sind Kenntnisse zur Kultur und Geschichte dieses Nachbarlandes hierzulande nur schwach ausgeprägt. Der vorliegende Artikel kann diese Lücke nicht ausfüllen, möchte aber für eine weitere Befassung mit Tschechien Neugierde wecken.

Ein Nachbarland in der Mitte Europas

Die heutige Tschechische Republik gehört zu den beliebten Reisezielen deutscher Touristen, und auch deutsche Investoren haben das östliche Nachbarland in der Europäischen Union, mit dem die Bundesrepublik Deutschland die längste gemeinsame Grenze verbindet, als Feld ihrer Aktivitäten entdeckt. Dennoch gestaltet sich diese Nachbarschaft nicht immer unproblematisch: Nur wenige deutsche Besucher besitzen Grundkenntnisse von Geschichte und Kultur des Landes. Hinzu treten im deutschsprachigen Raum seit langem verbreitete Stereotypen und Vorurteile gegenüber den Tschechen, die in manchen Fällen bis heute die mannigfaltigen kulturellen Gemeinsamkeiten zu überlagern scheinen. Man gesteht den Tschechen zwar ihre Musikalität und eine wohlschmeckende Küche zu, und auch der Fleiß tschechischer Arbeit wird weithin geschätzt. Doch gelten andererseits tschechische Ortsnamen aufgrund ihrer für deutsche Augen ungewöhnlichen Konsonantenreihungen und diakritischen Zeichen vielfach als „böhmische Dörfer“. Häufig wird die Tschechische Republik noch heute – mit allen entsprechenden Konnotationen – dem „Osten“ Europas zugerechnet, worauf in der Regel von tschechischer Seite darauf verwiesen wird, dass Prag/Praha geographisch weiter im Westen liegt als etwa die österreichische Hauptstadt Wien.

In der Alltagssprache verwendet man in Deutschland kaum die seit dem 1. Januar 1993 – seit der Auflösung der Tschechoslowakei (Československo) – offizielle Benennung „Tschechische Republik“ (Česká republika), sondern eher die Kurzform „Tschechien“. Die Tschechische Republik setzt sich aus den historischen Landesteilen Böhmen (Čechy), Mähren (Morava) und Schlesien (Slezsko) zusammen. Trotz der langen Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Staatenverbänden weist das Land eine über Jahrhunderte zurückzuverfolgende Kontinuität auf, die bei seinen Bewohnern ihren Widerhall in einem ausgeprägten historischen Bewusstsein gefunden hat. Der folgende Beitrag kann nur die groben Linien dieser Entwicklung nachzeichnen, wobei aber viele Verflechtungen mit der gesamteuropäischen Geschichte sichtbar werden.

Přemysliden und Luxemburger

Lange vor der Einwanderung germanischer Stämme in das Gebiet des späteren Böhmens lebten dort bereits Angehörige anderer Völker, etwa seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. die keltischen Bojer, von denen das Land seinen deutschen Namen „Böhmen“ (lat. „Bohemia“) bezogen haben dürfte, von denen aber auch zahlreiche Flur- und Gewässerbezeichnungen stammen. Ab dem 1. nachchristlichen Jahrhundert kamen die germanischen Markomannen ins Land, die jedoch nach etwa 400-500 Jahren größtenteils durch von Osten hinzukommende Slawen verdrängt wurden. Es handelte sich zunächst noch nicht um eine einheitliche Gruppe, sondern um unterschiedliche Stammesverbände. Wie Polen, Sorben und Slowaken gehörten sie der Gruppe der Westslawen an, die untereinander sprachlich verwandt sind. Sie gerieten im 9. Jahrhundert in den Einflussbereich des Großmährischen Reiches, das allerdings schon um das Jahr 907 unterging. Parallel dazu begann der Aufstieg der mittelböhmischen Adelssippe der Přemysliden. Sie einten die einzelnen Stämme, die sich nun in ihrer Gesamtheit als „Tschechen“ (Češi) begriffen. Über ihre Frühgeschichte ist, abgesehen von archäologischen Funden, relativ wenig bekannt. Dafür sind zahlreiche Sagen überliefert, die im kollektiven Bewusstsein bis heute fortleben: etwa von der Fürstin Libuše, die den Pflüger Přemysl geheiratet und mit ihm die Dynastie der Přemysliden begründet habe. In einer Vision habe sie den Aufstieg Prags zu einer machtvollen Großstadt vorhergesehen.

Der Přemyslidenherzog Bořivoj und dessen Frau Ludmila empfingen um 885 von Method die christliche Taufe. Nach der Rückkehr aus dem Exil in Mähren begründeten sie auf dem Hradschin/Hradčany eine Burg, den Kristallisationspunkt der späteren Hauptstadt Prag. In der Folgezeit entwickelten die Bistümer Mainz und Regensburg einen prägenden Einfluss auf die Christianisierung und die Kirchenorganisation Böhmens. Diese wurde im Jahre 973 durch die Gründung des Bistums Prag auf eine neue Grundlage gestellt. Prag war zu jener Zeit bereits eine ansehnliche feste Stadt.

Der Machtausbau der Přemysliden in Böhmen erfolgte unterdessen nicht ohne Hindernisse. Im Jahre 929 oder 935 ermordete der spätere Herzog Boleslav I. seinen regierenden Bruder Wenzel/Václav I., der später heiliggesprochen und in den Rang eines Landespatrons erhoben wurde. Die Familie musste sich aber auch konkurrierender Sippen erwehren, von denen am prominentesten die Slavnikiden waren, deren Familienmitglieder um 995 nahezu vollständig umgebracht wurden. Ihnen gehörte auch der heilige Adalbert/Vojtěch an, der allerdings nicht dem Komplott zum Opfer fiel, sondern 997 an der Ostseeküste als Missionar von den heidnischen Pruzzen erschlagen wurde.

Kaiser Heinrich IV. ernannte im Jahre 1085 Herzog Vratislav II. von Böhmen zum König. Diese Erhebung diente ebenso der eigenen Machtsicherung wie die von Friedrich I. Barbarossa im Jahre 1158 gewährte Königserhebung Vladislavs II. Unter seinen Nachfolgern wurde ab 1212 die böhmische Krone erblich, das somit vom Herzogtum zum Königreich aufgestiegene Böhmen galt in Europa als ein vornehmer und aufgrund seiner Machtfülle und ökonomischen Bedeutung ernstzunehmender Faktor. Einen Großteil seiner wirtschaftlichen Stärke bezog es aus seinen reichen Bodenschätzen, etwa Silber aus Kuttenberg/Kutná Hora, und seinen spezialisierten Handwerkszweigen; die Glasbläserei oder die Erzeugung von Gegenständen aus Zinn entfalteten gerade in Böhmen eine besondere Blüte. Ein dichtes Netz an Städten überzog das Land.

König Přemysl Otakar II. bestimmte in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts für 25 Jahre wesentlich die Geschicke Mitteleuropas, ehe er 1278 in der Schlacht auf dem Marchfeld gegen Rudolf I. von Habsburg den Tod fand. Přemysl Otakars Sohn Wenzel/Václav II. konnte Böhmen noch einmal eine glanzvolle Zeit sichern und seine Herrschaft sogar auf Polen ausdehnen. Im Zuge des Landesausbaus kamen seit dem hohen Mittelalter Siedler aus dem Westen, aus den deutschen Landen, aber auch aus Flandern und Frankreich in bisher kaum erschlossene Gebiete an den gebirgigen Rändern Böhmens, Mährens und Schlesiens, aber auch in zahlreiche Städte. Sie wurden zunächst als „Gäste“ (hospites) unter den Schutz der Herrscher gestellt; ihre Nachfahren wurden allerdings zu gleichberechtigten Untertanen, die sich nur durch den Gebrauch der deutschen Sprache von ihren tschechischen Nachbarn unterschieden.

„Landkarte der Böhmischen Länder vor den Schlesischen Kriegen und dem Verlust des größten Teils Schlesiens. Tobias Conrad Lotter, Augsburg, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts“ (Sammlung Tobias Weger)

Die letzte Přemyslidin, Eliška (eine Schwester Wenzels II.), heiratete Johann von Luxemburg, der eine bis ins frühe 15. Jahrhundert fortdauernde Dynastie auf dem böhmischen Thron begründete. Ihr gemeinsamer Sohn Karl, als Karl IV. Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, gilt bis heute als der bedeutendste Herrscher Böhmens. Er vergrößerte das Territorium der von nun an so bezeichneten „Länder der Böhmischen Krone“ (Corona Bohemiæ) um Schlesien und die Ober- und Niederlausitz. Prag, das Karl IV. erheblich ausbauen ließ, wurde vorübergehend zu einem Mittelpunkt des Heiligen Römischen Reiches; die unweit davon errichtete Burg Karlstein/Karlštejn diente zeitweise der Aufbewahrung der Reichskleinodien. An dieser Burg wie auch an weiteren profanen und sakralen Bauten war der Baumeister Peter Parler aus Schwäbisch Gmünd beteiligt. Im Jahre 1344 konnte Karl IV. die Erhebung Prags zum Erzbistum erreichen, dem die Bistümer Leitmeritz/Litoměřice und Olmütz/Olomouc unterstanden. Als Stätte der Bildung stiftete er außerdem im Jahre 1348 die nach ihm benannte Karlsuniversität in Prag, die älteste mitteleuropäische Hochschule nördlich der Alpen.

Hussiten und Böhmische Brüder

Unter Karls Nachfolgern machten sich soziale und kulturelle Spannungen bemerkbar. Sie wurden durch das Unbehagen vieler Theologen und Laien mit den bestehenden kirchlichen Verhältnissen noch verstärkt. Gestützt auf Thesen des englischen Reformators John Wyclif formulierte der Prager Universitätsmagister Jan Hus Vorschläge für einen kirchlichen Neuanfang. Hus wurde deshalb – unter ursprünglicher Zusicherung des freien Geleits – vor das Konzil von Konstanz zitiert, festgenommen, in einem Prozess wegen Ketzerei zum Tode verurteilt und 1415 auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sein Martyrium löste eine revolutionäre Bewegung, den Hussitismus, aus, der wiederum durch einen Kreuzzug seitens des Heiligen Römischen Reiches bekämpft wurde. Gemeinsames Symbol der unterschiedlichen Strömungen der Hussiten war der Kelch, da während der Eucharistiefeier in Jan Hus‘ Sinne nicht nur den Geistlichen, sondern auch den Laien der Abendmahlskelch gereicht werden sollte. Aus den kriegerischen Auseinandersetzungen gingen die gemäßigten Hussiten als Sieger hervor. Eine weitere kirchliche Reformbewegung waren die Böhmischen Brüder, die später im Zuge der Gegenreformation vertrieben wurden. Ihnen gehörte etwa im 17. Jahrhundert der Theologe und Pädagoge Jan Amos Komenský/Comenius an, aber auch die Herrnhuter Brüdergemeinde führt ihre Wurzeln auf die Böhmischen Brüder zurück.

Böhmen unter der Herrschaft der Habsburger

Nach den Luxemburgern übernahmen Georg von Podiebrad und der ungarische König Matthias Corvinus die Macht in den böhmischen Ländern. Auf sie folgten die Jagiellonen mit ihrer prachtvollen Herrschaft in Böhmen, Polen und Ungarn. Als der letzte Jagiellone 1525 in der Schlacht bei Mohács gegen die Türken ums Leben kam, erbten die Habsburger seine Besitztümer und blieben für die folgenden vier Jahrhunderte Landesherren. Im Jahre 1526 traten sie die Herrschaft über die böhmischen Länder an. Bei allem gegenreformatorischen Impetus mussten sie sich in vielen Fällen dem Wohlwollen der böhmischen, mährischen und schlesischen Stände fügen. Als Phase einer reichen geistigen und künstlerischen Kultur gilt die Herrschaft Kaiser Rudolfs II. (reg. 1576-1612), der ähnlich wie Karl IV. in Prag seine Residenz aufschlug und Maler, Bildhauer, aber auch Wissenschaftler aus ganz Europa um sich scharte. Zum Konflikt kam es unter seinen Nachfolgern, als 1618 Mitglieder der protestantischen Stände drei Vertreter der kaiserlichen Macht aus einem Fenster der Prager Burg warfen. Die drei überlebten zwar den „Fenstersturz“, doch löste dieser den Dreißigjährigen Krieg aus, der auch die bömischen Länder stark in Mitleidenschaft zog. Die protestantische Seite, die den Calvinisten Friedrich von der Pfalz zum antihabsburgischen Gegenkönig gewählt hatte, erlitt gleich zu Beginn in der Schlacht auf dem Weißen Berg (1620) eine Niederlage. Zu den führenden Protagonisten des Krieges gehörte der böhmische katholische Adlige Albrecht von Wallenstein/Valdštejn, der 1634 in Eger/Cheb einem Mord zum Opfer fiel. Die Protestanten wurden aus Böhmen vertrieben oder mussten konvertieren; ein großer Teil des tschechischen Adels wurde von den Habsburgern durch Neuankömmlinge aus deutschen Landen oder Italien ersetzt. Die Gegenreformation löste einen Exodus aus, sie beflügelte aber auch die noch heute spürbare Barockkultur, etwa die Verehrung des heiligen Johannes von Nepomuk.

Unter der Herrschaft Maria Theresias (reg. 1740-1780) verloren die böhmischen Länder den größten Teil Schlesiens an Preußen. Die von ihr und ihrem Sohn Joseph II. betriebene Politik des „aufgeklärten Absolutismus“, die das Deutsche als alleinige Verwaltungssprache durchsetzen wollte, bewirkte bei einem Kreis tschechischer Intellektueller eine Gegenbewegung: Auf einmal wurde es wieder modern, tschechisch zu schreiben und zu publizieren. Die „nationale Wiedergeburt“ brachte eine Vielzahl neuer Zeitungen und Zeitschriften, Theaterhäuser und anderer Institutionen hervor. Die tschechische Schriftsprache wurde reformiert, und langsam erlebte das Bewusstsein dafür, dass die Tschechen eine gleichberechtigte Nation neben den Deutschen innerhalb der Habsburger Monarchie seien, eine Renaissance. Der bedeutende Landeshistoriograph František Palacký (1798-1876) strebte beispielsweise noch nicht nach einem eigenen tschechischen Nationalstaat, sondern nach einer Emanzipation der slawischen Völker innerhalb der Monarchie („Austroslawismus“). In der Revolution von 1848 widersetzten sich die Tschechen dem Ansinnen des Frankfurter Paulskirchen-Parlaments nach einer Einverleibung in einen großdeutschen Nationalstaat. Je mehr im 19. Jahrhundert auch die Tschechen von der Industrialisierung Böhmens profitierten, gleichzeitig aber die fortdauernde Missachtung ihrer nationalen Identität erfuhren (vor allem nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867), desto stärker setzte sich bei der jüngeren Generation das Bewusstsein durch, nur in einem national selbstverwalteten Staat ihre Rechte verwirklicht sehen zu können. Im späten 19. Jahrhundert existierten in den böhmischen Ländern daher zwei weitgehend parallele nationale Gesellschaften, eine tschechische und eine deutsche. Ab 1880 war das Tschechische neben dem Deutschen eine der beiden offiziellen Amtssprachen. Sinnbildlich für den Sprachenstreit stand die Trennung der Prager Universität in eine tschechische und eine deutsche Hochschule im Jahre 1882.

Die Tschechoslowakei – ein eigener Staat

Die Niederlage der Habsburgermonarchie im Ersten Weltkrieg beschleunigte die Eigenstaatlichkeit, die im Herbst 1918 gemeinsam mit den Slowaken realisiert wurde. Exilpolitiker in den USA und in Frankreich hatten dafür den Grundstein gelegt. Am 28. Oktober 1918 wurde in Prag die Tschechoslowakische Republik (Československá republika) proklamiert. Ihr erster Präsident wurde der Philosoph Tomáš G. Masaryk, der dem neuen Staat seinen prägenden Stempel aufdrückte. Er und sein enger Mitarbeiter und Nachfolger Edvard Beneš schufen eine solide wirtschaftliche Grundlage für die meisten Bürger des Staates. Ab der Mitte der 1920er Jahre waren auch deutsche Minister an den Regierungen beteiligt. Dennoch förderten unterschiedliche Faktoren, darunter die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929, bei vielen deutschen Bürgern das Gefühl, benachteiligt zu sein. Während viele von ihnen der Tschechoslowakei gegenüber loyal blieben, schlossen sich andere nationalistischen und nationalsozialistischen Gruppen an. Einen durchschlagenden Erfolg erzielte in den 1930er Jahren die Sudetendeutsche Partei des Turnlehrers Konrad Henlein. Die von ihm mit initiierte „Sudetenkrise“ endete 1938 mit dem Münchner Abkommen, aufgrund dessen die Tschechoslowakei die mehrheitlich von deutschsprachigen Bürgern bewohnten Randgebiete an das Deutsche Reich abtreten musste. Wenige Monate später wurde der Rest des Landes von Deutschland annektiert, während sich die Slowakei als faschistischer Marionettenstaat für autonom erklärte. Zwischen 1938 und 1945 leisteten sehr viele Tschechen Zwangsarbeit für die NS-Kriegswirtschaft. Viele böhmische und mährische Juden deportierten die Besatzer ins Ghetto Theresienstadt, von dort aus weiter in die Vernichtungslager, wo die meisten von ihnen ums Leben kamen. Das erfolgreiche Attentat des tschechoslowakischen Widerstands auf den stellvertretenden „Reichsprotektor“ Reinhard Heydrich im Mai 1942 hatte eine brutale Vergeltungsaktion zur Folge, als deren weltweit bekannter Symbolort Lidice gilt, dessen männliche Bewohner erschossen und dessen Frauen und Kinder verschleppt wurden.

Befreiung, kommunistische Diktatur und neue Freiheit

Nach der Befreiung des Landes von der NS-Herrschaft wurde die Tschechoslowakei wiederbegründet. Bereits während des Zweiten Weltkriegs war beschlossen worden, die Deutschen auszuweisen, um künftig Minderheitenproblemen vorzubauen. Mit Billigung der Alliierten wurde dieser Plan in den Jahren 1945-1948 umgesetzt: Mehr als 3 Millionen Deutsche wurden vertrieben bzw. ausgesiedelt, während etwa 200.000 von ihnen – anerkannte Antifaschisten oder Ehepartner national gemischter Ehen – im Lande bleiben konnten.

Im Februar 1948 übernahmen die Kommunisten, die bereits 1946 in freien Wahlen zur stärksten Partei geworden waren, in einem Putsch die alleinige Macht. Sie errichteten eine stalinistische Diktatur nach sowjetischem Vorbild, verstaatlichten die meisten Wirtschaftsbetriebe und beschränkten die Rechte der Bürger in starkem Maße. Gegen die verkrusteten Strukturen begehrte in den 1960er Jahren eine Gruppe jüngerer Kommunisten auf und initiierte damit einen Diskussionsprozess, dessen Kontrolle dem Regime aus den Händen zu gleiten drohte. Der „Prager Frühling“ fand ein Ende, als im August 1968 Truppen des Warschauer Pakts einmarschierten und die Fortdauer der kommunistischen Herrschaft sicherten. Gegen die „Normalisierung“ mit ihrer eklatanten Verletzung von Menschenrechten wehrten sich Dissidenten, deren bekannteste Gruppe die so genannte „Charta 77“ war. In jenen Jahren erfolgten die nachhaltigsten Eingriffe in das Lebensumfeld der Menschen: der Bau riesiger Plattenbausiedlungen in den Städten und auf dem Lande, eine rücksichtlose Industrialisierung auf Kosten der Umwelt und eine Beschneidung bürgerlicher Freiheiten. Erst die allgemeine Veränderung innerhalb des Warschauer Pakts in den späten 1980er Jahren machte den Umbruch möglich. Im Herbst 1989 brach unter dem Druck von massenhaften Demonstrationen die kommunistische Herrschaft in der „samtenen Revolution“ zusammen und der ehemalige Dissident Václav Havel wurde zum neuen Staatspräsidenten gewählt.

In einer für viele Bürger schwierigen Transformationsphase mussten die verkrustete, auf die Bedürfnisse des Staates und des „Ostblocks“ abgestimmte Wirtschaft modernisiert und die sichtbaren Schäden des kommunistischen Regimes beseitigt werden. Hinzu kamen nie geklärte Spannungen zwischen Tschechen und Slowaken, die 1993 zur Auflösung der Tschechoslowakei und damit zur Gründung der Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik führte. Beide Länder sind jedoch inzwischen Mitglieder der NATO, der Europäischen Union und weiterer supranationaler Institutionen geworden und pflegen eine gute Nachbarschaft.