Europa – ein Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil

Gewinner und Verlierer als Herausforderung
aus OWEP 2/2006  •  von Michael Schramm

Prof. Dr. Michael Schramm ist seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Katholische Theologie und Wirtschaftsethik an der Universität Hohenheim. Seine Arbeitsschwerpunkte sind u. a. Moraltheorie, Wirtschafts- und Unternehmensethik und Analyse der Religions- und Moralkulturen in der Moderne.

Man offenbart der geneigten Öffentlichkeit kein Geheimnis, wenn man darauf hinweist, dass das menschliche Leben in vielerlei Hinsicht Gewinner und Verlierer kennt. Verlierer gibt es – nach Auskunft der Bibel – im Grunde schon seit der Vertreibung aus dem Paradies: Adam und Eva verloren ihre Unschuld und das sorglose Dasein im Garten Eden, Abel verlor sein Leben usw. Nun trifft diese ganz grundsätzliche Tatsache, dass manche profitieren, während andere möglicherweise das Nachsehen haben, für (fast) alle Bereiche der menschlichen Existenz zu, besonders deutlich aber wird dieses Problem angesichts des Prozesses, den wir seit einigen Jahren Globalisierung nennen. Die Globalisierung, dieses ökonomische „Weltgericht“ über die Wettbewerbsfähigkeit der unterschiedlichen Gesellschaften, kennt faktisch Gewinner und Verlierer. Und das gilt natürlich auch für jenen Teilprozess der Globalisierung, der im Mittelpunkt dieses Heftes steht: den gewaltigen Umbruch, der mit den Transformationen sowohl in Mittel- und Osteuropa als auch – als Konsequenz davon – in Westeuropa verbunden ist.

Hier stellt sich eine ganze Reihe von Fragen: Wer sind die Gewinner und die Verlierer? Sind möglicherweise die beteiligten Länder und Menschen in bestimmter Hinsicht Verlierer, in anderer Hinsicht aber gleichzeitig Gewinner dieser Umbruchsprozesse? Nach welchen Kriterien kann man hier Gewinne und Verluste identifizieren? Wie nicht anders zu erwarten war, sind die Dinge kompliziert. Die Aufgabe jedoch ist eigentlich klar: Europa sollte – nicht nur in seiner institutionalisierten und organisierten Gestalt als Europäische Union – grundsätzlich „ein Unternehmen der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil“ (so eine Formulierung des Gerechtigkeitstheoretikers John Rawls) sein. Wo es heute faktisch (noch) Verlierer gibt, besteht die Herausforderung darin, sie an den Vorteilen zu beteiligen – wobei es vielfach natürlich außerordentlich mühselig ist, diesem Ziel tatsächlich näher zu kommen.

Gewinnen und Verlieren: Einige Kriterien zur Einteilung

Das menschliche Leben ist bunt. Entsprechend vielfältig sind auch die Möglichkeiten, zu gewinnen oder zu verlieren. Ein relativ einfaches Schema, das Gewinnen und das Verlieren einzuteilen, liefert die folgende Matrix:

Abb. 1: Gewinnen und Verlieren – eine Kriterienmatrix

Wie diese schlichte Schematisierung andeutet, können Länder oder Menschen in unterschiedlicher Hinsicht gewinnen oder verlieren:

  • Da wäre zunächst einmal der Bereich des Politischen, der sich – wie die anderen Bereiche auch – auf (mindestens) drei Ebenen abspielt. Auf der Ebene der Institutionen können zum Beispiel die Gewährung von Grundrechten und freien Wahlen als Gewinn angesehen werden, wobei eine Wettbewerbsdemokratie auf der Ebene der Organisationen notwendigerweise mit dem Untergang und Aufstieg von politischen Parteien, also mit Verlierern und Gewinnern verbunden ist; und schließlich bringt die Gewährung von Grundrechten (wie der Meinungs- oder Medienfreiheit) auf der individuellen Ebene als Gewinn für die einzelnen Menschen die Möglichkeit einer (angst)freieren Meinungsäußerung mit sich.

  • Ein zweiter Bereich, der Gewinner und Verlierer produziert, ist der Bereich des Wirtschaftlichen. Hier sind zunächst natürlich die einschlägigen Ergebnisdaten der Institution (Markt)Wirtschaft relevant: Wie fallen Bruttoinlandsprodukt, Investitions- und Inflationsraten oder die Arbeitslosenquote aus? Aber auch: Bietet das Wirtschaftssystem – in Deutschland etwa die Institution der „Sozialen Marktwirtschaft“ – mehr oder weniger soziale Sicherheit? Auf der Ebene der Organisationen zeigen sich Gewinner und Verlierer unter anderem im Aufstieg oder Untergang von Unternehmen (inklusive der davon betroffenen Arbeitnehmer). Und auch individuell können die Umbruchsprozesse ökonomische Gewinner (z. B. neue Millionäre) oder Verlierer (z. B. Arbeitslose) hervorbringen.

  • Schließlich zeigt sich das Phänomen von Gewinnen und Verlusten auch im allgemein gesellschaftlichen oder kulturellen Bereich: Auf der Ebene der (hier nun: informalen) Institutionen können die Transformationsprozesse ein Erstarken oder einen Verfall von Religionen und/oder Moralkulturen mit sich bringen, was auf der Organisationsebene mit Bedeutungsgewinnen oder –verlusten von Kirchen oder Nichtregierungsorganisationen (NGOs) verbunden ist. Auf der individuellen Ebene drückt sich diese gesellschaftlich-kulturelle Dimension dann etwa im Grad von (Un)Zufriedenheit oder Vertrauen/Misstrauen aus, wobei eine Unzahl von Faktoren eine Rolle spielen kann (etwa Probleme der Arbeitsmigration, Zukunftsängste, zerbrochene Familien, soziale Entwurzelung aufgrund der Dynamisierung der Gesellschaft, ethnische oder geschlechterspezifische Probleme).

Die Statistik von Gewinnern und Verlierern in Mittel- und Osteuropa

Versucht man anhand dieser Kriterienmatrix nun, Gewinner und Verlierer in Mittel- und Osteuropa statistisch zu identifizieren, fördern einige exemplarisch herausgegriffene Daten etwa folgende Ergebnisse zutage:

  • Politik: Ein Blick auf den politischen Bereich zeigt ein durchmischtes Bild von Gewinnern und Verlierern:

Abb. 2: Mittel- und osteuropäische Gewinner und Verlierer im politischen Bereich (Stand: 2002)
Quelle: Forschungsstelle Osteuropa Bremen: Gewinner und Verlierer post-sozialistischer Transformationsprozesse. Beiträge für die 10. Brühler Tagung junger Osteuropa-Experten, veranstaltet von der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde, der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und dem Ost-West-Kolleg der Bundeszentrale für politische Bildung. (Arbeitspapiere und Materialien Nr. 36, April 2002). Bremen 2002, S. 22.

Obwohl man sich über die genaue Zuordnung der Bewertungen streiten mag, so ist doch deutlich, dass es im postsozialistischen Europa sowohl politische Gewinner (gemessen am Grad der Demokratisierung) als auch politische Verlierer (aufgrund von Bürgerkriegen, mafiösen Verhältnissen usw.) bzw. Noch-nicht-Gewinner gibt.

  • Wirtschaft: Ein ähnlich durchwachsenes Bild zeigt die ökonomische Gewinn- und Verlustbilanz:

Abb. 3: Mittel- und osteuropäische Gewinner und Verlierer im ökonomischen Bereich
Quelle: EBRD Transition Report (2001, S. 59, 61, 106 ff.)

Bei den hier genannten Zahlen lassen sich statistische Streitpunkte natürlich nicht (ganz) vermeiden, dennoch zeichnet sich ein tendenzielles Bild wirtschaftlicher Gewinner und Verlierer ab: Während Lettland, Estland oder Polen im Hinblick auf die Entwicklung des Sozialprodukts zu den Gewinnern zählen, müssen Rumänien oder Moldova diesbezüglich auf der Verliererseite angesiedelt werden. Nicht unbedingt deckungsgleich sieht jedoch die Gewinner- und Verliererbilanz hinsichtlich der Arbeitslosenentwicklung aus: Bosnien und Herzegowina und Makedonien haben hier das Nachsehen, auch in der Slowakei oder in Estland ist eine deutliche Zunahme der Arbeitslosenquoten zu beklagen, während Moldova oder die Ukraine relativ gut dastehen (wobei die Quoten jedoch teilweise durch staatliche Interventionen künstlich niedrig gehalten werden).

  • Gesellschaft / Kultur: Die wirtschaftlichen oder politischen Daten der Statistik sind das eine, das Empfinden der Menschen das andere. Es ist wohl nicht nur nostalgische Vergangenheitspflege, sondern auch der Stress und die Zukunftsunsicherheit, welche mit der liberalen Gesellschaft notwendig verbunden sind, die im Bereich des Gesellschaftlich-Kulturellen auf der individuellen Ebene vielfach zur Meinung führen, dass die meisten Menschen im Kommunismus glücklicher waren als nach der Wende.

Unter dem Strich ist dem zuzustimmen, was die Enquête-Kommission des Deutschen Bundestags zur Globalisierung der Weltwirtschaft notiert hat: Per saldo gilt: „Die Globalisierung ist natürlich kein ‚Nullsummenspiel‘ “, sondern ein Positivsummenspiel, aber faktisch gilt derzeit auch: „Es gibt Gewinner und Verlierer ..., und zwar sowohl innerhalb nationaler Volkswirtschaften als auch zwischen diesen ... Länder, Unternehmen, Kulturen und Sozialschichten, die beim beschleunigten Strukturwandel nicht mithalten können ..., sind in Gefahr, abgehängt zu werden und dann als definitive Verlierer da zu stehen. Gewinner sind umgekehrt diejenigen, die sich nicht nur rasch anpassen können, sondern womöglich die Richtung des Strukturwandels – zu ihren Gunsten – bestimmen oder mitbestimmen können“.1

Im Knäuelgewirr des Gewinnens und Verlierens

Es wäre ein viel zu schlichtes Bild, wenn man die Gewinner auf der einen Seite und die Verlierer auf der anderen Seite schiedlich-friedlich voneinander trennen könnte. Die Wahrheit ist, dass wir ein kompliziertes Knäuel des Verlierens und des gleichzeitigen Gewinnens vor uns haben. Dies zeigt sich insbesondere im wirtschaftlichen Bereich.

Bekanntlich kostet das ökonomische Zusammenwachsen Europas in Deutschland zunächst einmal Jobs (u. a. im Textilbereich): Deutsche Arbeitsplätze wander(te)n aufgrund des deutlichen Lohnkostengefälles nach Tschechien oder Polen (oder außereuropäisch etwa nach Südostasien). Was für die Großindustrie zunächst Südostasien war, war und ist für den Mittelstand vor allem Mittel- und Osteuropa. Mittlerweile sind aber auch die Tschechen vergleichsweise zu teuer, und die Arbeitsplätze wandern weiter nach Weißrussland oder in die Ukraine. Wenn es jetzt so aussieht, als ob die osteuropäischen Transformationsländer die deutschen Arbeitnehmer/-innen nur zu Verlierern machen würden, so muss man auch sehen, dass Menschen der mittel- und osteuropäischen Transformationsländer gerade aufgrund des Ortswechsels der Arbeitsplätze in Lohn und Brot kommen, was sie wiederum befähigt, nunmehr technisch anspruchsvollere Waren aus Deutschland zu kaufen und damit die Exportmaschinerie Deutschlands in Gang zu halten.

Man kann zudem diese Tatsache eines fortgesetzten Weiterwanderns von Arbeitsplätzen zu Standorten mit jeweils niedrigeren Lohnkostenniveaus nicht zu einer ruinösen Abwärtsspirale weiterschreiben, an deren Ende wir alle auf dem Lohnniveau der Ukraine ankommen würden (race to the bottom durch „Lohndumping“). Die bisherigen Erfahrungen der Globalisierung zeigen, dass dies nur die halbe Wahrheit wäre. So hatte das Sportschuhunternehmen Nike in den achtziger Jahren Produktionsverträge mit (Sub)Kontraktoren in Südkorea und Taiwan geschlossen. Anfang der 1990er Jahre aber waren in Südkorea und Taiwan die Arbeitskosten aufgrund der allgemeinen positiven wirtschaftlichen Entwicklung in diesen Ländern bereits deutlich angestiegen, so dass Nike nun begann, die Produktionsstätten nach China, Vietnam und Indonesien zu verlagern (die Löhne betrugen in letzteren Ländern in 1993 weniger als 30 Cents pro Arbeitsstunde, während in Südkorea und Taiwan bereits fast 3 US-Dollar gezahlt werden mussten). Dieses Beispiel zeigt, dass es nicht nur ein race to the bottom gibt, sondern dass mit dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung auch die Löhne normalerweise ansteigen (für einfachere Tätigkeiten allerdings wohl kaum mehr auf das alte deutsche Niveau). Genau den gleichen Prozess konnte man in der Bundesrepublik der Nachkriegszeit beobachten: Die Löhne waren denkbar niedrig, ein klarer Wettbewerbsvorteil z. B. gegenüber den Amerikanern. Mit dem Florieren der deutschen Wirtschaft zogen dann sukzessiv auch die Löhne an, was ja an und für sich erfreulich ist, aber eben gleichzeitig auch Deutschlands Kostenvorteil reduzierte, weswegen die Bundesrepublik seit den achtziger Jahren die Textilindustrie, die Feinmechanik oder die Lederindustrie schrittweise an die asiatischen und osteuropäischen Länder verloren hat. Und genau diesen Prozess beobachten wir nun strukturell auch in den mittel- und osteuropäischen Ländern: Deutsche Unternehmen verlagern Arbeitsplätze Schritt für Schritt nach Osteuropa (Stichworte: Outsourcing und Offshoring), der wirtschaftliche Aufschwung in diesen Ländern führt zu einem Anstieg von Löhnen und Sozialabgaben, und mit zunehmendem Einkommensniveau wird tendenziell auch der Kostenvorteil der mittel- und osteuropäischen Staaten sinken. Die Frage, in welchen Zeiträumen sich dieser Prozess in den mittel- und osteuropäischen Ländern abspielen wird, ist naturgemäß schwierig zu beantworten: Der Ökonom Hans-Werner Sinn schätzt aber, dass die Löhne der osteuropäischen Länder, die derzeit bei durchschnittlich 14 Prozent des westdeutschen Lohnniveaus liegen, im Jahr 2030 das Niveau von 50 Prozent erreicht haben werden.

Zieht man die Bilanz des Gewinnens und Verlierens, so ist erstens die Tatsache zur Kenntnis zu nehmen, dass es in allen Ländern Menschen gibt, die angesichts solcher Prozesse per saldo eher gewinnen, während andere unter dem Strich eher verlieren. Die Grenzen zwischen Gewinnern und Verlierern verlaufen also nicht nur zwischen den unterschiedlichen Ländern, sondern vielfach auf der subnationalen Ebene: Ein Land mag insgesamt vielleicht recht gut abschneiden, aber im Inneren können deutliche soziale Disparitäten von Gewinnern und Verlierern zu diagnostizieren sein. Und zweitens sind fast alle Menschen zugleich – allerdings eben jeweils mehr oder weniger – sowohl Gewinner als auch Verlierer, denn auch ein Arbeitsloser (in dieser Hinsicht ein Verlierer) profitiert von den kostengünstigeren Produkten, die im Zuge des internationalen Wettbewerbs angeboten werden (können).

Zwei Suchanweisungen

Der Blick auf die faktische Lage ist das eine, die Überlegungen zur Gestaltung der Zukunft sind das andere. Hinsichtlich einer zweckmäßigen Zukunftsgestaltung ist es nützlich, die folgenden zwei Suchanweisungen zu beachten:

  • Im Hinblick auf die Frage, wie die Zukunft gestaltet werden soll, sind Vergleiche zwischen der Vergangenheit bzw. dem Status Quo einerseits und einer erwünschten Zukunft andererseits grundsätzlich verfehlt. Angemessen kann nur ein Zukunftsvergleich zwischen zwei (oder mehreren) realistischen Alternativen sein, also ein Vergleich zwischen den (zu erwartenden) Ergebnissen der Handlungsoption A einerseits und den (zu erwartenden) Ergebnissen der Handlungsoption B andererseits.

  • Das Denkschema, das davon ausgeht, dass winner immer nur auf Kosten von losern gewinnen können, ist konzeptionell fruchtlos. Es mag zwar sein, dass man nicht immer win-win-Situationen (= Situationen, in denen alle Seiten gewinnen) erreichen kann, trotzdem liegt genau darin die entscheidende Herausforderung.

Ziel: Win-Win-Situationen. Ein Illustrationsbeispiel aus Deutschland

Jede Veränderung produziert – zunächst einmal – auch Verlierer. Auch wenn das Argument der „komparativen Kostenvorteile“ per saldo durchaus zutrifft, so waren auch schon im 19. Jahrhundert der englische Landadel und die einfachen Landarbeiter zunächst einmal die Verlierer, die gegenüber der kostengünstigeren Agrarkonkurrenz aus weniger entwickelten Ländern das Nachsehen hatten. Die Bundesrepublik war nach dem Zweiten Weltkrieg eine Globalisierungsgewinnerin der ersten Stunde und ist bis heute unter dem Strich ganz zweifelsohne eine Globalisierungsgewinnerin; dennoch hat die Globalisierung hierzulande mit der Zeit auch Verlierer produziert: u. a. die Landwirte, die Beschäftigten in der Textilverarbeitung oder Geringqualifizierte. Ein Bestandsschutz besteht aber auch bei höherqualifizierten Produkten und Beschäftigten nicht: Gut ausgebildete Computerexperten findet man mittlerweile auch in Estland, Ungarn oder Indien, wo die Löhne nur ein Fünftel oder gar ein Zehntel der deutschen Löhne ausmachen.

Derzeit haben niedrigqualifizierte Arbeitnehmer in Deutschland nur die Wahl zwischen Not und Elend: Verteidigen sie ihre Lohnhöhe, werden sie arbeitslos, hat dagegen der Arbeitsplatzerhalt erste Priorität, müssen die Löhne fallen. Vor diesem Dilemma stehen zunehmend auch Personen mit Hauptschulabschluss und abgeschlossener Berufsausbildung. Die Zahl der (potenziellen) Verlierer ist deshalb sicherlich groß.

Wenn es nun aber grundsätzlich nicht möglich ist, den deutschen (Arbeitsplatz-)Verlierern Löhne auf dem gewohnten deutschen Niveau zu garantieren, bleibt logisch nur eine einzige Möglichkeit, nämlich die auf dem Arbeitsmarkt noch erzielbaren „Hungerlöhne“ der Verlierer dieser Prozesse durch sozialstaatliche Einkommenstransfers zu bezuschussen. Konkrete Wege gibt es viele (ich kann sie hier nicht allesamt eingehend diskutieren; die Stichworte lauten: Bürgergeld, negative Einkommenssteuer, Kombilohn, aktivierende Sozialhilfe usw.), aber das Grundprinzip ist in all diesen Varianten das gleiche.

Fazit

Es wäre fatal, das Zusammenrücken der Welt (Globalisierung) und Europas aufgrund der unvermeidlich damit verbundenen Probleme zu verteufeln. Vielmehr müssen alle Anstrengungen darauf konzentriert werden, die potenziellen Chancen zu nutzen und die Risiken zu minimieren. Europa ist ein Unternehmen der Kooperation zum wechselseitigen Vorteil. Dass es derzeit faktisch nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer gibt, ist als Herausforderung zu nehmen. Eine Welt ganz ohne Verlierer hat es zwar noch niemals gegeben und wird es vermutlich niemals geben, aber alles muss daran gesetzt werden, wenigstens die Zahl der Gewinner zu erhöhen.


Fußnote:


  1. Deutscher Bundestag: Schlussbericht der Enquête-Kommission „Globalisierung der Weltwirtschaft – Herausforderungen und Antworten“ (Drucksache 14/9200 vom 12.06.2002), Berlin 2002, S. 53. ↩︎