Der Karmel „Heiliger Geist“ in Sofia

Schwester Maria Tereza Gramova OCD ist die Priorin des Karmels „Heiliger Geist“ in Sofia.

Das Karmeliterkloster „Heiliger Geist“ in Sofia besteht seit bereits 74 Jahren, die zu den bewegtesten Jahrzehnten der bulgarischen Geschichte zählen. In Stille, Gebet und Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes widmen die Karmelitinnen ihr Leben der Rettung aller Menschen. Unsichtbar für die Welt, unterstützten die Schwestern mit ihren Gebeten die Menschen in der Welt, brachten ihnen Trost und Hoffnung in den schwierigsten Perioden unserer neueren Geschichte: dem Zweiten Weltkrieg, dem kommunistischen Regime und der darauf folgenden turbulenten Zeit der Wiederherstellung der Demokratie.

Die Gründung

Das Kloster wurde von vier französischen Ordensfrauen vom Karmel „Heiliger Geist“ in Istanbul gegründet. Die Tatsache, dass die Schwestern am 23. Mai 1935 in Sofia ankamen, war wohl kein Zufall. Bereits seit 1923 sprachen sich die katholischen Priester in Bulgarien für die Notwendigkeit eines Karmels im byzantinischen Ritus aus, dem eine besondere Rolle für die Konsolidierung der orientalisch-katholischen Gemeinde in Bulgarien zukommen sollte. Die wichtigste Botschaft der ersten Karmelitinnen in Sofia lautete: „Opfern wir uns für die Einheit der Kirchen auf!“ Monsignore Kyril (Kurteff), der Bischof der orientalischen Katholiken von Bulgarien, war von der geistigen Botschaft der Heiligen Therese von Lisieux stark geprägt und unterstützte das Vorhaben.

Erzbischof Angelo Roncalli, der lange Jahre in Bulgarien gewirkt hatte, unterstützte von Istanbul aus das Projekt und erhielt im Februar 1935 die offizielle Entscheidung des Heiligen Stuhls zur Gründung des Klosters. Das Kloster in Sofia war damit der weltweit erste Karmel im byzantinischen (orientalischen) Ritus. Am 24. Mai 1935, dem Fest der Slawenapostel Kyrill und Method, wurde im neuen Kloster in Sofia die erste heilige Messe zelebriert. Kanonisch wurde die Klostergemeinschaft durch einen besonderen Rechtsakt vom 24. Juni 1935 gegründet, denn an diesem Tage betraten die Schwestern die Klausur. Genau 400 Jahre, nachdem die Heilige Teresa von Avila das karmelitanische Gewand angenommen hatte (1535), machten ihre geistigen Töchter in Bulgarien einen neuen Anfang – der erste Karmel im byzantinischen Ritus in der Welt. Einen Monat nach der Gründung beschrieb Kardinal Luigi Sincero in einem Brief an die Superiorin des Karmels in Lisieux die große Bedeutung des neuen Klosters und die Hoffnung, die die Kirche mit dem neugegründeten Karmel verband: „Der Karmel im orientalischen Ritus in Bulgarien ist ein Werk der Vorhersehung.“ Er bemerkte aber auch: „Die Heilige Kongregation unterschätzt nicht die Schwierigkeiten, die die Schwestern in der Anfangsphase ihrer Tätigkeit in Bulgarien wahrscheinlich haben werden.“ Sicherlich konnte er nicht ahnen, was alles in den folgenden Jahrzehnten auf die Schwestern zukommen sollte.

Um bei der Anpassung der Karmeliterregel an den byzantinischen Ritus zu helfen, visitierte Monsignore Mazzoli, der neue Apostolische Delegat in Bulgarien und Nachfolger von Erzbischof Roncalli, das Kloster. Papst Pius XI. persönlich selbst legte die Direktiven fest, die bei der Umsetzung der Ordensregel bewahrt werden mussten. Als Zeichen seiner Unterstützung schickte der Papst eine Reliquie der Heiligen Therese von Lisieux nach Sofia. Nur ein Jahr nach der Gründung betraten dann die ersten drei bulgarischen Novizinnen den Karmel in Sofia – Schwester Tereza vom Kinde Jesu (Mara Dukova), Schwester Maria der Inkarnation (Pavlina Pavlova) und Schwester Blažena vom Kreuz (Zdravka Bojcheva). Die kleine karmelitanische Gemeinschaft entwickelte und konsolidierte sich trotz vieler Schwierigkeiten, zu denen auch mangelndes Verständnis seitens der orthodoxen Kirche in Bulgarien zählte. Als größtes Problem erwies sich das Fehlen eines passenden Gebäudes für das Kloster. Daher fanden die Schwestern Unterkunft in der ehemaligen Residenz von Erzbischof Roncalli neben der St. Franziskus-Kirche; die Kirche sollte dann über Jahrzehnte das einzige Zuhause der Karmelitinnen in Sofia werden.

Die Zeit der Herausforderungen und der Prüfungen

Klosterzelle unter dem Kirchendach (Foto: Renovabis-Archiv).

Der Zweite Weltkrieg brachte schweres Leid über den Karmel. Am 10. Januar 1944 wurde Sofia bombardiert. Ein großer Teil der Bevölkerung wurde evakuiert, auch die Karmelitinnen mussten die Stadt verlassen und auf dem Land Zuflucht suchen. Das leerstehende Klostergebäude blieb unversehrt, und dank der materiellen und moralischen Unterstützung von Prinzessin Eudoxia (1898-1985, Schwester von Zar Boris III.) war auch die Existenz der Schwestern vorläufig gesichert.

Speisesaal (Foto: Renovabis-Archiv).

Mit dem Beginn des kommunistischen Regimes in Bulgarien wurden die Ausländerinnen unter den Karmelitinnen aus dem Lande verbannt. 1952 begannen Prozesse gegen die katholische Kirche in Bulgarien und ihre wichtigsten Repräsentanten. Insgesamt wurden 47 Urteile gegen Geistliche gefällt. Ein Bischof und drei Ordensmänner wurden zum Tode, 37 weitere Personen zu 10-20 Jahre Haft verurteilt. Die Superiorin der Karmelitinnen, Schwester Blažena vom Kreuz, und Schwester Tereza vom Kinde Jesus wurden in das berüchtigte Lager Belene1 geschickt. Heute kann man sich gar nicht mehr vorstellen, dass zwei Ordensschwestern als eine „Gefahr“ für den Staat angesehen wurden. Wir sollten uns aber fragen, was es bedeutet, Ordensfrau in einem kommunistischen Arbeitslager zu sein. Die Schwestern waren körperlich da, in ihren Gedanken aber im Karmel. Geistig nahmen sie jeden Tag an der Heiligen Messe teil, indem sie still den ganzen Text der Liturgie wiederholten. Sie verwandelten ihre elende Existenz im Lager in eine Zeit des Gebetes und der Gnade. Als sie sich an jene Zeit erinnerten, sagten sie: „Alles, was uns widerfahren ist, war eine große Gnade Gottes, eine Gnade für die Reinigung der Seele; alles wurde von seiner väterlichen Hand gelenkt.“

Die anderen Schwestern mussten das Kloster verlassen und wurden über ganz Bulgarien zerstreut. Eine Rückkehr in die Familien war für viele der Schwestern unmöglich. Sie verdienten ihren Unterhalt, indem sie Sprachunterricht gaben, kleine Kinder betreuten und Kranke pflegten. Erst 1958 gelang es ihnen, sich in Sofia zu versammeln. Sie zogen auf die Empore der St. Franziskus-Kirche, wo sie sich einige Zellen erbauten. Trotz dieser unzulänglichen Verhältnisse hielten die Schwestern dort mehr als 40 Jahre lang aus, fest in ihrem Glauben und in ihrer Berufung.

Die Zeit des Umbruchs

Der Sturz des kommunistischen Regimes und der Anfang der demokratischen Prozesse in Bulgarien eröffneten neue, hoffnungsvolle Horizonte für die karmelitanische Gemeinschaft, brachten allerdings auch neue Herausforderungen mit sich. Große Menschenmengen auf der Suche nach ihrer christlichen Identität drängten in die Kirchen: Menschen, die ihre christlichen Wurzeln jahrzehntelang verdrängt hatten, die von brennendem Enthusiasmus erfüllt nach Glaube und Gott verlangten, aber ohne jede Kenntnis des Glaubens aufgewachsen waren. Diese rasche und unerwartete Entwicklung forderte die kleine, von Verfolgungen und Unterdrückung stark angeschlagene katholische Gemeinde in Bulgarien heraus. Die Karmelitinnen setzten sich für alle – Priester und Laien – ein, um durch ihre Gebete, Ratschläge, Kenntnisse, aber vor allem durch ihr persönliches Beispiel Hilfe und Unterstützung zu leisten. Die langen vom Atheismus geprägten Jahre des kommunistischen Regimes und die schwierige Übergangszeit wirkten sich allerdings auch auf die Entwicklung des Karmels in Bulgarien aus: Es fehlte und fehlt an Berufungen. Das Kloster in Sofia wurde wieder international – Schwestern aus anderen slawischen Ländern (aus der Slowakei, aus Kroatien und der Ukraine) kamen nach Sofia und ließen den Karmel aufleben.

Große Hoffnungen weckte der Besuch von Papst Johannes Paul II. in Bulgarien (2002). Im gleichen Jahr wurde der erste Bauabschnitt des so lange ersehnten Klosters abgeschlossen. Auch ließen sich zwei Karmeliten aus Kroatien ließen in Sofia nieder, was zur Gründung eines Männerklosters in der Stadt (direkt neben der St. Franziskus-Kirche!) führte; außerdem entfaltete sich eine Säkulargemeinschaft.2 So ist der theresianische Karmel in Bulgarien dreifach durch Ordensmänner, Ordensfrauen und eine Säkulargemeinschaft vertreten.

Bulgarien befindet sich immer noch in einer schwierigen Lage. In diesen unsicheren Zeiten bildet der Karmel eine Oase der Heiligkeit, die nicht nur Katholiken beider Riten, sondern auch orthodoxe Christen anzieht. Die Schwestern haben die Prüfungen und Herausforderungen der Geschichte überstanden und Zeugnis dafür abgelegt, dass „der Karmel, gemäß seiner Bestimmung, über jeder menschlichen Kultur steht. Die Karmelitinnen sind berufen, über die Zeit hinaus zu leben; sie leben nicht nur für Gott, sondern auch mit Gott, d. h. in der Ewigkeit“. Diese Worte stammen von Mutter Blažena, der ersten Bulgarin, die Superiorin des Klosters war und über ein halbes Jahrhundert lang die Schwestern leitete und ermutigte.

Aus dem Bulgarischen übersetzt von Desislava Nikolova.


Fußnoten:


  1. Auf Belene, einer zu Bulgarien gehörenden Insel in der Donau, wurde 1944 ein Arbeitslager eingerichtet, in dem das kommunistische Regime politische Gegner und andere unliebsame Personen inhaftierte, darunter auch gläubige Christen. Offiziell wurde das Lager 1962 geschlossen, jedoch wurden bis 1989 weiterhin dort Gefangene festgehalten. Vermutlich kamen mehrere Tausend Menschen um oder wurden ermordet. – In unmittelbarer Nähe befindet sich heute die Baustelle des umstrittenen Atomkraftwerks Belene. (Anm. d. Redaktion) ↩︎

  2. Säkulargemeinschaft oder auch „Dritter Orden“ werden christliche Gemeinschaften genannt, die gemeinsam mit Männerorden (Erster Orden) und Frauenorden (Zweiter Orden) eine Ordensfamilie bilden. Es handelt sich um Vereinigungen von Laien, die versuchen, außerhalb des Klosters nach den jeweiligen Ordensidealen zu leben. (Anm. d. Redaktion) ↩︎