Am Anfang eines „grünen Weges“. Kirchliche Umweltarbeit in der Ukraine

Prof. Dr. Volodymyr Sheremeta ist Dozent für Moraltheologie an der Theologischen Akademie in Ivano-Frankivsk (Ukraine) und Leiter des Büros für Umweltfragen der UGKK.

In der Enzyklika „Caritas in veritate“, Nr. 51, steht folgende Aussage: „Die Kirche hat eine Verantwortung für die Schöpfung und muss diese Verantwortung auch öffentlich geltend machen.“ Schöpfungsverantwortung ist ein wesentlicher Teil des christlichen Glaubens. Angesichts der fortschreitenden Umweltzerstörung und der ethischen Tragweite ihres Schöpfungsglaubens obliegt der Kirche die Pflicht, einen authentischen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung zu leisten.

Gemäß der Botschaft von Papst Benedikt XVI. zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 2010 soll die praktische Schöpfungsverantwortung der Kirche dem Ziel dienen, „die Erde, das Wasser und die Luft als Gaben Gottes, des Schöpfers, für alle zu bewahren und vor allem um den Menschen vor der Gefahr der Selbstzerstörung zu schützen“.1 In den folgenden Ausführungen möchte ich beschreiben, wie die Ukrainische griechisch-katholische Kirche (UGKK)2 ihre Schöpfungsverantwortung begreift und wie sie sich bemüht, dieser gerecht zu werden.

Eine Umwelttradition

Die UGKK hat bereits eine lange Tradition des verantwortlichen Umgangs mit der Schöpfung. Noch vor den sichtbaren Zeichen der globalen Umweltkrise, insbesondere unter der Leitung von Metropolit Andrej Scheptyzkyj (1865-1944, Metropolit seit 1901) waren die Sorge für die natürliche Umwelt und ihre Bewahrung ein wichtiges Thema. Aus entsprechenden archivalischen Quellen geht hervor, dass die UGKK bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts durchaus umweltbewusst handelte:

  • Die Kirche verfügte über einen großen Besitz an Ackerboden und Wald, der entsprechend dem damaligen Stand der Forschung bereits nachhaltig bewirtschaftet wurde.
  • In der Zwischenkriegszeit wies die UGKK in Galizien mehrere Naturschutzgebiete aus.
  • Im zum Kirchenbesitz gehörenden Ort Perehinske entwickelte sie breitgefächerte touristische Aktivitäten, die eng mit dem Naturschutz verbunden waren.
  • Auch förderte die Kirche die Umweltschutztätigkeit von naturwissenschaftlichen Institutionen, Nichtregierungsorganisationen und Verbänden.
  • Nicht zuletzt warben Kirchenleitung, Klerus und Laien der UGKK in der Öffentlichkeit für den Naturschutzgedanken.

Diese Tradition wurde leider durch den Zweiten Weltkrieg gewaltsam unterbrochen, an dessen Ende der größte Teil Galiziens endgültig der Sowjetunion eingegliedert wurde.3

Schlechtes Umwelterbe

Infolge der umweltausbeuterischen Kolonialpolitik der Sowjetunion, der großen Zahl übernommener Chemie-, Metallurgie-, Bergbau- und Militärbetriebe mit veralteten Technologien wie auch der Bodenvergiftung und -erschöpfung durch extensive Landwirtschaft gehört die Ukraine heute zu den größten Umweltverschmutzern der Welt.4

Hinzu kommt die sozial-ökologische Tragödie in unserem Land durch den Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl (1986): Tausende Quadratkilometer von radioaktiv verseuchtem Land, hunderttausende Zwangsumsiedlungen aus den stark verseuchten Gebieten, ein enormer Kostenaufwand zur Beseitigung der unmittelbaren Folgen, durch die Radioaktivität verursachte Krankheiten und Behinderungen, zahllose frühzeitige Todesfälle – all das sind nur einige Stichworte im breiten Spektrum der Auswirkungen der Tschernobylkatastrophe.5 Und sie wird auch künftige Generationen noch belasten. Abgesehen vom radioaktiven Erbe von Tschernobyl stammt heute der Großteil der Umweltverschmutzung aus der Energie- und Wärmeproduktion, der metallverarbeitenden Industrie, den privaten Haushalten und den Emissionen des Kraftverkehrs.

Der gegenwärtige Beitrag der UGKK zur Bewahrung der Umwelt

In der ersten Zeit nach ihrer Legalisierung in der unabhängigen Ukraine war die UGKK mit dem Aufbau von lebensnotwendigen Strukturen für ihre eigentlichen Aufgaben und mit dem Bau von Kirchen beschäftigt. Das Thema „Umwelt“ war dabei kaum präsent. Bald erkannte man jedoch, dass es, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formulierte, zu Sendung und Auftrag der Kirche gehört, „allzeit nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“.6 Ein vorrangiges Zeichen unserer Zeit ist die ökologische Krise, die auf eine ungeheuerliche Weise das Leben des Menschen, die ökonomischen Grundlagen des Staates, die soziale Sicherheit und überhaupt die Zukunft der Ukraine bedroht. Dementsprechend ist die Verantwortung für die Umwelt zum Bestandteil der Soziallehre der UGKK geworden. Erste Umweltschutzstrukturen konnten errichtet werden, und es gibt bereits eine Anzahl durchaus ermutigender Beispiele für die Bewahrung der Umwelt.

Die ökosoziale Lehre

In der Botschaft der Bischöfe der UGKK an die Gläubigen und alle Menschen guten Willens über „Die Aufgabe des Christentums in der modernen Gesellschaft“ wird die Sorge der Kirche um die Umwelt als „einer der edelsten Bereiche ihres Dienstes“ definiert. Das Dokument der Bischofssynode „Sozialer Wegweiser für den Gläubigen“, das den Grundstein für die moderne Soziallehre der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Form von „Zehn Sozialgeboten“ legt, verpflichtet ebenfalls dazu, „die natürlichen Ressourcen der Erde als Gottes Gabe zu achten und sinnvoll zu verwenden“.

Die Kommission für Katechese in der UGKK hat im Jahre 2004 den Moralkatechismus „Das Leben in Christus“ herausgegeben, in dem die Lehre der Kirche zu aktuellen ethischen Fragen dargelegt wird. In einem besonderen Teil unter dem Titel „Schöpfungsverantwortung“ werden die biblischen, theologischen und ethischen Grundlagen der ökologischen Verantwortung dargestellt und auf die Priorität ihrer Verwirklichung im Leben jedes Menschen, der Gesellschaft, des Staates und der Kirche hingewiesen. Die Verantwortung für die Umwelt wird im Moralkatechismus der UGKK als unverzichtbarer Teil des christlichen Schöpfungsglaubens dargestellt, mehr noch: Die Erziehung zu dieser Verantwortung wird als „eine der Hauptaufgaben der Kirche zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.

Inzwischen gibt es in der UGKK bereits eine Reihe von Botschaften ihrer Oberhauptes, Lubomyr Kardinal Husar, sowie bischöfliche Briefe und Erklärungen der kirchlichen Kommissionen, die ökologisch orientiert sind.7 Diese Dokumente beziehen sich in erster Linie auf aktuelle konkrete Umweltprobleme, die von großer Bedeutung für das Leben der Menschen und die Sicherheit der Gesellschaft sind. Besondere Aufmerksamkeit verdient die Botschaft vom Lubomyr Kardinal Husar an die Gläubigen der Ukrainischen griechisch-katholischen Kirche anlässlich der Einführung des christlichen Umwelttages „Der Tag Gottes des Schöpfers“. Um der Gefahr der Umweltzerstörung und sukzessiven Selbstvernichtung zu entgehen, müssen wir alle – so der Kardinal – unsere Lebensweise verändern, und zwar in zweifacher Hinsicht: Zuerst muss ein Bewusstseinswandel eintreten, dann konkret ein verantwortlicheres Handeln gegenüber der natürlichen Umwelt und der ganzen Schöpfung folgen.8

Errichtung von Strukturen zum Umweltschutz

2002 hat die Bischofssynode der UGKK beschlossen, die ökologischen Fragen in den Kompetenzbereich der Synodalkommission „Soziale Gerechtigkeit und Wohltätigkeit“ einzugliedern. 2004 wurde das Ökozentrum der Diözese Ivano-Frankivsk der UGKK von Bischof Sofron Mudryj ins Leben gerufen. Ende 2007 beschloss die Bischofssynode der UGKK, auf der Basis des Ökozentrums der Diözese Ivano-Frankivsk das Büro für Umweltfragen der UGKK zu gründen. Mit der Gründung übernahm das Institut die Aufgabe, das kirchliche Engagement im Bereich des Umweltschutzes in der Ukraine zu fördern und zu unterstützen. Die Tätigkeit des Umweltbüros der UGKK umfasst hauptsächlich folgende Punkte:

  • Lenkung der Aufmerksamkeit auf die akuten sozial-ökologischen Probleme in der Ukraine und in der Welt;
  • Verbreitung der sozial-ökologischen Lehre der Kirche in der ukrainischen Gesellschaft;
  • Förderung der Erziehung zu einem verantwortungsvollen und umweltbewussten Verhalten;
  • Förderung der umwelttheologischen Ausbildung der Priesteramtskandidaten, Theologiestudenten, der Seelsorger und Lehrer für christliche Ethik;
  • Organisation von Konferenzen, Seminaren und „Runden Tischen“ zu aktuellen Umweltthemen;
  • Übersetzung, Erstellung und Herausgabe wissenschaftlicher und anderer Publikationen zur Umweltthematik;
  • Zusammenarbeit mit Bildungsanstalten im Bereich der Umweltbildung;
  • Zusammenarbeit mit kirchlichen, staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen und Behörden, die im Bereich des Umweltschutzes tätig sind.

Außerdem hat die Bischofssynode der UGKK beschlossen, in allen Diözesen und Exarchaten eine Ökostelle zu errichten bzw. Verantwortliche für Umweltfragen zu ernennen.

Das praktische Zeugnis

Durch den praktischen Schutz und die Bewahrung der Umwelt bezeugt die Kirche ihren Schöpfungsglauben und leistet einen wichtigen Beitrag zum Aufbau einer menschengerechten und zukunftsfähigen Gesellschaft. Obwohl die UGKK erst am Anfang eines „grünen Weges“ steht, gibt es bereits eine Anzahl ermutigender Beispiele von praktiziertem Umweltschutz, von denen einige genannt sein sollen:

  • Eine Reihe kirchlicher Einrichtungen, besonders Klöster und Bildungshäuser, haben auf erneuerbare Energie umgestellt bzw. Energie- und Wärmesparmaßnahmen vorgenommen. Als Beispiel kann das Wasserkraftwerk des Basilianerklosters in der Stadt Butschatsch (Bezirk Ternopil) erwähnt werden, das nicht nur zur eigenen Energiedeckung bestimmt ist, sondern auch Überschüsse erwirtschaftet, von denen die Kosten zur Verwirklichung pastoraler und sozialer Projekte gedeckt werden können.9

  • Derzeit beteiligt sich die UGKK an einem Umweltschutzprojekt, das vom „Kiever Ökokulturellen Zentrum“ und von der „Staatlichen Behörde für Schutzgebiete der Ukraine“ gestartet wurde, um uralte Bäume zu inventarisieren, die für die Natur, Kultur und Geschichte von großer Bedeutung sind. Gerade in der Nähe von Kirchen blieb eine erhebliche Zahl dieser Baumriesen erhalten. Dementsprechend hat sich das Umweltbüro der UGKK durch die Verwaltungsorgane aller Diözesen und Exarchate an die Pfarrer gewandt mit der Bitte um eine Mitteilung, ob neben ihrer Kirche oder auf kirchlichem Gebiet alte Bäume (Eichen, Linden, Eschen oder andere Arten) wachsen. Durch diese Maßnahme sollen die alten Bäume gefunden und registriert werden, damit ihnen ein angemessener Schutz, notwendige Betreuung und professionelle Pflege zuteil wird.10

  • Zahlreiche Umweltaktionen wie etwa Geländesäuberungen, Anpflanzen von Bäumen usw. werden durchgeführt. Als Beispiel sei unter anderem die Umweltaktion der Bischofssynode der UGKK zum Tag der Schöpfung 2009 erwähnt, bei der das Oberhaupt der Kirche zusammen mit den Mitgliedern der Bischofssynode und mit dem Bürgermeister der Stadt Lviv Bäume gepflanzt hat. Nach den Worten von Kardinal Husar sollte dieser symbolische Akt die Aufmerksamkeit der Gesellschaft für die Notwendigkeit einer respektvollen Haltung gegenüber der Umwelt und für die Sorge um die Menschen und die Bewahrung der Schöpfung wachrufen.

  • Die Vorlesungsreihe „Ökologische Ethik“ für die Studenten des Priesterseminars und der Theologischen Akademie in Ivano-Frankivsk wie auch bei Priesterfortbildungskursen trägt dazu bei, die Seelsorger, kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Arbeitsfeldern für schöpfungsfreundliches Handeln zu qualifizieren.

  • 2009 hat das Büro für Umweltfragen das Handbuch „Der ökologische Wegweiser: Kleine Ratschläge für große Veränderungen“ herausgegeben. Das Buch gibt Tipps, wie jeder Einzelne negative Wirkungen seines Tagesablaufs auf die Umwelt verringern kann, z. B. durch Abfallvermeidung und gezielte Energie- und Wärmeeinsparung.
  • Die Kirche realisiert Hilfsprogramme für Opfer von Naturkatastrophen, die immer öfter infolge des globalen Klimawandels, aber auch wegen mangelnder Umweltschutzmaßnahmen (z. B. Abholzung in den Karpaten) eintreten. So wurden 1998, 1999, 2000 und 2008 Überschwemmungsopfer tatkräftig unterstützt. Im Sommer 2008 hat „Caritas Ukraine“ gemeinsam mit diözesanen Caritasorganisationen eine Hilfe im Betrag von 388.500 € für über 1.000 Familien geleistet, die ihren Besitz infolge von Überschwemmungen verloren hatten.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ukrainische griechisch-katholische Kirche sich ihrer Verantwortung für die Schöpfung, den Menschen und die Zukunft der Welt bewusst ist und sich bemüht, diese Verantwortung auch öffentlich geltend zu machen. In erster Linie versucht die Kirche, durch Lehre und Seelsorge den Menschen dabei helfen, eine ökologische Wende in Denken und Verhalten zu verwirklichen, damit sie ihre Lebensweise grundlegend ändern und ein neues, nachhaltigeres Leben beginnen. Außerdem besteht ihre strategische Aufgabe wesentlich darin, die Beispiele umweltverantwortlichen Handelns zum Vorbild und Ansporn für eine sukzessive und langfristige Verankerung des Umweltschutzes in die kirchlichen Strukturen einzubringen und zugleich in der Politik auf entsprechende Veränderungen zu drängen.


Fußnoten:


  1. Papst Benedikt XVI.: Botschaft zur Feier des Weltfriedenstages zum Thema „Willst du den Frieden fördern, so bewahre die Schöpfung“. Quelle: http://www.vatican.va/holy_father/benedict_xvi/messages/peace/documents/hf_ben-xvi_mes_20091208_xliii-world-day-peace_ge.html (letzter Zugriff: 05.03.2015). ↩︎

  2. Die UGKK gehört zu den Kirchen des byzantinischen Ritus, die seit der Union von Brest (1596) in vollkommener Kommuniongemeinschaft mit dem Papst stehen und dessen geistliche und jurisdiktionelle Vollmacht anerkennen. Derzeit ist die UGKK die größte katholische Ostkirche in der Welt. Sie zählt über 5,5 Millionen Gläubige. ↩︎

  3. Dort wurde 1946 die UGKK vom sowjetischen Regime aufgelöst, die Kirchenleitung verhaftet und der ganze Besitz enteignet. Die Kirche blieb im Untergrund bestehen, ihre Tätigkeit war jedoch im Wesentlichen auf Sakramentenpastoral beschränkt. Im Dezember 1989 begann sie, auf ihre offizielle Legalisierung und Rehabilitierung hinzuarbeiten. ↩︎

  4. Der Anteil der Ukraine am Territorium der ehemaligen Sowjetunion umfasste nur 2,7 Prozent. Gleichzeitig betrug der Anteil der Ukraine an der Gesamtproduktion der Sowjetunion: Eisenverarbeitung 30 Prozent, Eisenerzgewinnung 50 Prozent, Kohleförderung 25 Prozent. Insgesamt produzierte die Ukraine 20 Prozent der Landwirtschaftsprodukte und 25 Prozent der Industrieprodukte der gesamten UdSSR. ↩︎

  5. Vgl. Volodymyr Sheremeta: Ethik nach Tschernobyl. Versuch einer ethischen Orientierung aus schöpfungstheologischer Sicht (Forum Interdisziplinäre Ethik, Bd. 28). Frankfurt (Main) 2001, S. 67-121; siehe außerdem den Beitrag von Astrid Sahm in vorliegendem Heft (S. 181-189 der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  6. Gaudium et Spes, Nr. 4. ↩︎

  7. Belege unter http://www.kyrios.org.ua/ecology/church-documents.html (letzter Zugriff: 05.03.2015). ↩︎

  8. Vgl. http://ugcc.org.ua/853.0.html (letzter Zugriff: 05.03.2015). ↩︎

  9. Vgl. http://www.buchacheparchy.org.ua/home/1-novyny/189-posvjacheno-gidroelektrostanciju-v-m-buchachi.html (letzter Zugriff: 05.03.2015). ↩︎

  10. Ähnliche Maßnahmen wurden bereits in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts begonnen, jedoch durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs abrupt unterbrochen. ↩︎