1986: Nuklearkatastrophe von Tschernobyl

aus OWEP 4/2017  •  von Anna Ott

Anna Ott: Studentin der Katholischen Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

In der Nacht auf den 26. April 1986 wurde im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine ein Versuch durchgeführt, der zeigen sollte, dass sich die Anlage bei einem Stromausfall selbst mit genügend Strom versorgen könne, um die Reaktoren schnell und sicher abzuschalten. Wegen bauartbedingter Eigenschaften des Reaktors und schwerwiegender Verstöße gegen die Sicherheitsauflagen kam es jedoch zu einem nicht mehr kontrollierbaren Leistungsanstieg, der zur Explosion des Reaktors führte. Der hochradioaktive Inhalt wurde in die Umwelt abgegeben und eine radioaktive Wolke breitete sich rasch über ganz Europa aus.

In den umliegenden Städten zeigten die Messegräte enorm hohe radioaktive Strahlungen. Die Behörden spielten den Fall jedoch zunächst herunter. Erst mehrere Tage später wurden die Menschen evakuiert und man begann mit Schutzmaßnahmen. Hubschrauber versuchten, das Dach des Reaktors zu verschließen. Soldaten sollten die Strahlung von Autos und Häusern abwaschen. Menschen wurden in die verseuchten Trümmer geschickt, um aufzuräumen. So wie die meisten der Arbeiter, die während der Explosion im Kraftwerk gewesen waren, und die Menschen, die sich rund um das Kraftwerk aufgehalten hatten, starben auch sie an der hohen Strahlenbelastung.

Während im November der Bau des Sarkophags um den zerstörten Block fertiggestellt wurde, ließen sich die Folgen nicht verbergen. Experten gingen von bis zu 270.000 zusätzlichen Krebserkrankungen und 200.000 Todesfällen aus.

Das Politbüro der UdSSR kam noch am Morgen des Unglücks zusammen und berief eine Regierungskommission ein. Letztlich waren es jedoch schwedische Wissenschaftler, die die erhöhte Radioaktivität erkannten, Alarm schlugen und weitere Informationen verlangten. Die sowjetische Regierung aber schwieg. Betroffene berichteten später, dass Ärzte auf Anweisung Krankenberichte verstrahlter Patienten verheimlichen mussten, Messdaten gefälscht und Lebensmittel trotz Strahlenbelastung ausgegeben wurden. Die Katastrophe legte somit exemplarisch die Unzulänglichkeiten des sowjetischen Systems frei.