Ein Mann des Dialogs

Kyrill wird Patriarch von Moskau (Porträt)
aus OWEP 1/2009  •  von Johannes Oeldemann

Dr. Johannes Oeldemann ist Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn und Mitglied der Arbeitsgruppe „Kirchen des Ostens“ der Deutschen Bischofskonferenz.

Quelle: http://www.mospat.ru/archive/fotogalleris/270109/mol/08.jpg.

Am 27. Januar 2009 hat das Landeskonzil der Russischen Orthodoxen Kirche (ROK) Metropolit Kyrill von Smolensk und Kaliningrad zum 16. Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus’ gewählt. Mit 508 Stimmen erzielte er bereits im ersten Wahlgang eine 2/3-Mehrheit. Das zeugt von dem großen Vertrauen, das viele in den neuen Patriarchen setzen. Der 62-jährige galt schon lange als „zweiter Mann“ hinter Patriarch Alexij. Kyrill stand seit 1989 an der Spitze des Kirchlichen Außenamtes und gehört damit seit fast 20 Jahren zur Führungsspitze des Moskauer Patriarchats.

Die kirchliche Laufbahn Kyrills, der am 20. November 1946 in Leningrad geboren und auf den Namen Wladimir getauft wurde, begann früh. Noch während des Theologiestudiums in seiner Heimatstadt (1965-70) legte er 1969 die Mönchsgelübde ab und nahm den Namen Kyrill an. Metropolit Nikodim von Leningrad weihte ihn zum Diakon und wenig später zum Priester. Zwei Jahre war der junge Mönch Privatsekretär von Metropolit Nikodim, mit dessen Wirken die ökumenische Öffnung der ROK unlösbar verbunden ist. Bis heute merkt man Kyrill die Prägung durch seinen geistlichen Lehrer an. Von 1971-74 war er Vertreter des Moskauer Patriarchats beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf, bevor er von 1974-84 die Leitung der Leningrader Geistlichen Lehranstalten übernahm. Am 14. März 1976 wurde Kyrill im Alter von 29 Jahren zum Bischof geweiht. Im Dezember 1984 wurde er Erzbischof von Smolensk, übernahm 1986 auch die Leitung der Gemeinden im Kaliningrader Gebiet und wurde 1991 in den Rang eines Metropoliten erhoben.

Obwohl Metropolit Kyrill als Leiter des Kirchlichen Außenamtes vor allem für die Außenkontakte seiner Kirche zuständig war, hat er auch den Kurs seiner Kirche im Innern wesentlich mitbestimmt. Er sorgte für Reformen in der Ausbildung des Klerus und setzte als erster die Studienreform im Smolensker Seminar um. In seinen wöchentlichen Fernsehansprachen vermittelte er der Öffentlichkeit die Grundlagen des orthodoxen Glaubens. Im Blick auf das Verhältnis zum Staat plädierte er für eine deutliche Trennung bei gleichzeitiger Kooperation. Dies zeigt sich in den unter seiner Leitung erarbeiteten „Grundlagen der Soziallehre der ROK“ (2000), in denen – erstmals im orthodoxen Bereich – von der Möglichkeit „zivilen Ungehorsams“ gegenüber dem Staat die Rede ist. Die oft kritisierten Aussagen des Textes im Blick auf die Menschenrechte ließ Kyrill präzisieren und in einem neuen Dokument (2008) erläutern.

Im Bereich der Ökumene konnte Metropolit Kyrill trotz mancher Krisen immer wieder Ansatzpunkte zur Fortführung des Gesprächs finden. Im Jahr 2000 verabschiedeten die Bischöfe ein von ihm konzipiertes Grundsatzpapier zur Ökumene, in dem zwar deutlich der Wahrheitsanspruch der orthodoxen Kirche zum Ausdruck gebracht, aber zugleich die Notwendigkeit des ökumenischen Dialogs bekräftigt wird. So hat sich Kyrill Rückendeckung gegenüber seinen Kritikern verschafft, die lautstark den Ausstieg der ROK aus allen ökumenischen Kontakten forderten. Die im Mai 2007 erfolgte Wiederaufnahme der vollen Gemeinschaft mit der Auslandskirche zählt zu seinen größten Erfolgen im Blick auf die russische Diaspora.

Die Aufgaben, vor denen er nun als Patriarch steht, sind immens: Kyrill muss sich um die innere Konsolidierung seiner Kirche kümmern, die in den letzten 20 Jahren rasant gewachsen ist, nun aber einer Vertiefung und Festigung ihres geistlichen Lebens bedarf. Er muss sich den Problemen in den Beziehungen zwischen den orthodoxen Kirchen stellen, wobei die Überwindung der Spaltung unter den Orthodoxen in der Ukraine und in Estland im Mittelpunkt stehen wird. Schließlich muss er die Position seiner Kirche im Geflecht der weltweiten Christenheit für die Zukunft justieren. Dass er dabei große Gemeinsamkeiten mit der katholischen Kirche sieht, ist offensichtlich und stimmt optimistisch im Blick auf die Zukunft des orthodox-katholischen Dialogs.