„Radikal, militant, nationalistisch und christlich-orthodox“

Rechtsextremismus in Rumänien
aus OWEP 3/2012  •  von William Totok

William Totok, rumäniendeutscher Schriftsteller und Publizist, lebt in Berlin. Er ist Mitverfasser des Abschlussberichts der Internationalen Kommission zur Erforschung des rumänischen Holocaust (2004).

Zusammenfassung

Nach dem Ende der Ceauşescu-Ära haben sich in Rumänien zahlreiche rechtsgerichtete Gruppierungen gebildet, die teilweise an faschistische Organisationen der Zwischenkriegszeit anknüpfen und in den vergangenen Jahren wiederholt für Unruhe unter den Nationalitäten des Landes gesorgt haben. Es bleibt abzuwarten, ob sie künftig eine starke politische Rolle spielen werden.

Nach dem Sturz des Diktators Nicolae Ceauşescu im Dezember 1989 war von dessen national-kommunistischem System nichts weiter übrig geblieben als der Nationalismus. Aus den Trümmern der Diktatur wucherten in kürzester Zeit die alten chauvinistischen Klischees, derer sich auch viele der neu entstandenen politischen Parteien bedienten. In den ersten Jahren nach der politischen Wende schien sich der Nationalismus zu einer parteiübergreifenden Ideologie zu entwickeln. Diese erreichte eine radikale und militante Ausdrucksform vor allem in einigen rechtsextremistischen Organisationen.

Bereits im Frühjahr 1990, während der legendären Besetzung des Bukarester Universitätsplatzes durch antikommunistische Studenten, ertönten nationalistische Parolen und Lieder wie: „Es lebe, es lebe, es lebe unsere Moldau, hoch lebe Siebenbürgen und unsere Walachei!“ Diesen Slogan hatte während der national-kommunistischen Ceauşescu-Diktatur ein Hofdichter in Umlauf gebracht. Er ertönte regelmäßig bei Konzerten und politisch-kulturellen Veranstaltungen. Die von Staatspräsident Ion Iliescu herbeigerufenen Bergarbeiter beendeten im Frühjahr 1990 die Massenkundgebung auf dem Bukarester Universitätsplatz mit einer bestialischen Prügelorgie. Zahlreiche Verletzte und mehrere Tote waren der Preis dieser zum posttotalitären Mythos verklärten antikommunistischen Protestkundgebung, die später dann sogar zum Stichwortlieferanten für rechtsextremistische deutsche Organisationen avancierte. Der Begriff „national befreite Zone“, der 1993 von jungen, der NPD nahestehenden Funktionären in Umlauf gebracht wurde, geht nämlich auf den Schlachtgesang der Bukarester Kundgebungsteilnehmer zurück, die den Universitätsplatz in der rumänischen Hauptstadt zu einer vom „Neokommunismus befreiten Zone“ erklärt hatten.

Völkisch angehauchte Agitation

Die fatale Ähnlichkeit solcher Parolen mit der völkisch angehauchten Agitation aus der Ceauşescu-Zeit fiel den meisten Teilnehmern gar nicht auf. Die Huldigungslieder mythisch verklärter Volkshelden wurden von den Demonstranten ebenso angestimmt wie die abgewandelten Kampflieder der faschistischen Legionäre aus den dreißiger Jahren. (Der offizielle Name der 1927 von Corneliu Zelea Codreanu gegründeten faschistischen Legionärsbewegung lautete: „Legion des Erzengels Michael“, 1934 umbenannt in Partei „Alles für das Land“/„Totul pentru Ţară“, auch als „Eiserne Garde“ bekannt). Die Wende ermöglichte auch die Wiederaufbereitung der vermeintlich längst untergegangenen klerikal-faschistischen Legionärsideologie. Alle nach 1990 gegründeten ultranationalistischen Parteien berufen sich auf ihre Säulenheiligen von Anno dazumal und geben vor, die wahren Ideale der rumänischen Nation zu verkörpern. Eine Sonderstellung nimmt dabei Codreanu (1899-1938) ein, der die antisemitische und militant fremdenfeindliche „Legion des Erzengels Michael“ ins Leben rief. Auch der ehemalige Studentenführer Marian Munteanu, Chef einer der ersten neofaschistischen Nachwendeparteien, der „Bewegung für Rumänien“ (Mişcarea pentru România), berief sich auf das ideologische Vorbild Codreanus.

Holocaustleugnung und Hetze gegen Minderheiten

Als Konsens unter den rumänischen Rechtsgruppierungen gilt bis heute die Leugnung des Holocaust und der von den Legionären angezettelten antisemitischen Pogrome. Während der militär-faschistischen Antonescu-Diktatur von 1940 bis 1944 wurden fast 400.000 rumänische Juden in KZ-ähnlichen Einrichtungen getötet. Munteanu hatte in mehreren Interviews diese Gräueltaten öffentlich bestritten. 1941 hatten die Legionäre während eines beispiellosen Massakers zahlreiche Juden ermordet und sie anschließend im Bukarester Schlachthaus an Fleischerhaken aufgehängt. „Im Schlachthaus hat überhaupt nichts stattgefunden“, erklärte Munteanu 1993, „Das ist eine unverschämte und ordinäre Lüge.“ Die Reaktion des verstorbenen Oberrabbiners Moses Rosen – „Was hier schon wieder gegen die Juden gesagt wird, ist der reinste Faschismus“ ¬– war unmissverständlich, wurde aber von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Die nach der Wende entstandenen rechtsextremen Parteien sind untereinander allerdings heillos zerstritten. Bezeichnend für die Zersplitterung des rechtsextremistischen Spektrums sind die Aussagen von Radu Sorescu, dem Gründer und Chef der sogenannten „Partei der Nationalen Rechten“ (Partidul Dreapta Naţională). Sorescu, dessen Partei inzwischen untergegangen ist, lehnte alle anderen ultranationalistischen Organisationen ab und bezeichnete sie als „organisierte Vaterlandsverräter“. Einzig und allein in der vom Hitler-Bewunderer Corneliu Zelea Codreanu gegründeten Legionärsbewegung fand er nachahmenswerte ideologische Anknüpfungspunkte: „Wir sind ideologisch mit der Legion Codreanus verwandt.“ In dem von Sorescu erträumten Staatsmodell sollte es keinen Platz mehr für nationale Minderheiten geben. Deshalb hatten er und seine Parteigenossen es sich zum Ziel gesetzt, die so genannte „Zigeunergefahr“ zu bekämpfen, die Roma in „Reservaten“ zu internieren und einen „ethnokratischen Staat“ zu errichten, an dessen Spitze nur Blutsrumänen stehen werden.

Die „Führer“ solcher rechtsextremer Gruppierungen erheben eifersüchtig den Anspruch darauf, allein die Ideale der rumänischen Nation zu vertreten. Deshalb sind sie unversöhnlich untereinander verzankt und haben kein gemeinsames Aktionsprogramm, auch nicht mit der 1991 entstandenen „Partei Groß-Rumänien“ (Partidul România Mare), die bis im Jahr 2008 im rumänischen Parlament vertreten war und deren Chef, Corneliu Vadim Tudor, heute Abgeordneter des Europäischen Parlaments ist. Die national-populistischen Reden oder Artikel von Tudor, die in der Wochenschrift „România Mare“ (Groß-Rumänien) erscheinen, tragen den Stempel rechtsextremer Demagogie. Tudor schürt absurde Überfremdungsängste, die in einem Land wie Rumänien oft auf fruchtbaren Boden fallen, und heizt die nationalistischen Instinkte an. Seine bevorzugten Hassobjekte sind die Roma und die große ungarische Minderheit, die er des Revisionismus und Terrorismus bezichtigt.

Die Neue Rechte, das Flaggschiff der Extremisten

Auch die 2001 gegründete Organisation „Noua Dreaptă“ (Neue Rechte) lehnt die Zusammenarbeit mit anderen ultrarechten Konkurrenten ab. Diese von Rechtsanwalt Tudor Ionescu geführte Gruppierung definiert sich als „radikal, militant, nationalistisch und christlich-orthodox“.

Um sich nicht dem Vorwurf der Volksverhetzung auszusetzen, praktiziert die Noua Dreaptă – ähnlich wie andere Organisationen – so etwas wie einen getarnten Antisemitismus. Ohne konkret zu werden, aber anspielungsreich genug, werden in den öffentlichen Stellungnahmen dieser Organisation die von „okkulten Kräften“ ausgehenden Gefahren für den Fortbestand der rumänischen Nation beschworen. Die immer mit antijüdischen Vorurteilen aufgeladenen Hinweise auf Freimaurer, Geheimbünde und der von diesen angestrebten „neuen Weltordnung“ sind für die Öffentlichkeit leicht entschlüsselbar. Die Neue Rechte gebärdet sich als Multiplikator des Evangeliums und der christlichen, rumänisch-orthodoxen Religion, folgt aber in Wirklichkeit einer unheilvollen Ideologie, die auf Versatzstücken der faschistischen Legion des Erzengels Michael fußt. Die Organisation plädiert für einen starken rumänischen Nationalstaat, für die drastische Bestrafung dessen, was sie als „Zigeunerkriminalität“ bezeichnet, und für ein totales Abtreibungsverbot. Gleichzeitig definiert sich diese völkisch orientierte Gruppierung als eine euroskeptische Gegnerin des Multikulturalismus und der NATO.

Die „Nationalistische Partei“

2010 regte die Noua Dreaptă die Gründung einer eigenen politischen Partei an. Ein Jahr später unterzeichneten die Vorsitzenden der Neuen Rechten und der rechtsnationalen, antiungarischen Vereinigung Vatra Românească (Rumänische Heimstatt) im Hinblick auf eine gemeinsame Parteigründung ein Abkommen.

Die Vatra Românească (eigentlich „Uniunea Naţională Vatra Românească“/„Nationaler Verband Rumänische Heimstätte“) ist eine ultranationalistische Organisation, die offiziell am 1. Februar 1990 in der siebenbürgischen Stadt Tîrgu Mureş ins Leben gerufen wurde. Der Gründung dieser Organisation war eine wüste anti-ungarische Kampagne vorausgegangen, durch die man die durch die Revolution verunsicherte rumänische Bevölkerung in Siebenbürgen auf eine imaginäre „ungarische Gefahr“ aufmerksam machen wollte. So wurde behauptet, die Ungarn würden die Abtrennung Siebenbürgens von Rumänien vorbereiten, die rumänischen Kinder aus den Schulen vertreiben, die Beamten systematisch aus ihren Ämtern entfernen und durch ethnische Ungarn ersetzen. Als effiziente Propagandapostille diente die aus dem ehemaligen lokalen kommunistischen Parteiblatt hervorgegangene Tageszeitung „Cuvântul liber“ (Freies Wort). Schützenhilfe leistete zudem auch der lokale rumänischsprachige Fernsehsender. Zu den Gründungsmitgliedern zählten rumänische Journalisten, Autoren, Künstler, Vertreter des so genannten patriotischen Flügels der ehemaligen kommunistischen Geheimpolizei Securitate, Offiziere und Veteranen der rumänischen Armee. Die neu geschaffene Organisation sollte als eine Art kulturpolitischer Gegenbewegung zu dem bereits am 25. Dezember 1989 entstandenen Demokratischen Verband der Rumänienungarn (Uniunea Democrată Maghiară din România, UDMR, ungarisch: Romániai Magyar Demokrata Szövetség, RMDSZ) fungieren. Logistische Hilfe und finanzielle Unterstützung erhielt die Vatra von dem rumänischstämmigen italienischen Multimillionär Iosif Constantin Drăgan, der zum Ehrenvorsitzenden der Organisation gewählt wurde; er setzt sich u. a. für die Rehabilitierung des faschistischen Militärdiktators und Hitlerverbündeten Ion Antonescu ein und unterstützt gezielt die chauvinistischen, minderheitenfeindlichen, insbesondere anti-ungarischen Kampagnen. Die ersten Vorsitzenden der Vatra Românească waren Dr. Zeno Opriş (heute Ehrenvorsitzender der Vatra) und danach der Maler Radu Ceontea, der allen Ernstes in einem Interview erklärt hatte, jeder Ungare trüge ein Seil in seiner Hosentasche, um damit einen Rumänen zu erdrosseln.

Die rudimentäre Ideologie der Vatra Românească basiert auf einem militanten Anti-Magyarismus. Ein erklärtes Ziel der Organisation ist es, die Rechte der ungarischen Minderheit einzuschränken, deren Präsenz im öffentlichen Raum zu begrenzen, die Schulen dieser Nationalität und den Unterricht in ihrer Muttersprache abzuschaffen. Außerdem plädiert die Vatra Românească für einen ökonomischen Protektionismus und gegen den „Ausverkauf des Landes“ an Ausländer – damit sind in erster Linie Ungarn und Juden gemeint.

Nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen Rumänen und Ungarn in Tîrgu Mureş im Frühjahr 1990 fasste der Führungskern der Organisation den Beschluss, eine politische Partei zu gründen, um an den ersten freien Wahlen nach dem Untergang des Kommunismus teilnehmen zu können. Die Gründung der „Partidul de Uniune Naţională a Românilor din Transilvania“ (Partei der Nationalen Einheit der Rumänen aus Siebenbürgen, PUNTR) erfolgte am 15. März 1990. Schon im Sommer änderte die Gruppierung ihren Namen in „Partidul Unităţii Naţionale Române“ (Nationale Rumänische Einheitspartei, PUNR).

Die Vatra Românească verfügt in zahlreichen Bezirken über lokale Ableger. Die von dem Hochschullehrer Ion Coja geleitete Bukarester Filiale rückte nach 1999 ins Blickfeld der öffentlichen Aufmerksamkeit. Coja gilt nicht nur als einer der Ideologen der Vatra, sondern auch als ein ideologischer Vordenker der rumänischen Holocaustleugner. Um seine weltanschaulichen Vorstellungen effektiver zu verbreiten, gründete er 2001 die „Liga zur Bekämpfung des Antirumänismus“ (Liga pentru combaterea antiromânismului, LICAR). Zusammen mit der Vatra Românească, dem „Verband der Kriegsveteranen und deren Nachkommen“ (Uniunea Veteranilor de război şi a Urmaşilor Veteranilor), und anderen verwandten Verbänden organisierte die LICAR 2001 eine erste Tagung, zu der als Referenten mehrere rumänische Holocaustleugner eingeladen wurden.

Die von der Noua Dreaptă und der Vatra Românească 2011 vereinbarte Schaffung einer neuen Partei unter dem Namen „Partidul Naţionalist“ (Nationalistische Partei) ist allerdings bislang nicht zustande gekommen. In der Folgezeit wurden 30.000 Unterschriften von Sympathisanten gesammelt und bei einem Bukarester Gericht hinterlegt, das über die offizielle Zulassung zu entscheiden hat.

Die „Nationalistische Allianz“

Die noch nicht zugelassene Partei versteht sich als „Retterin“ des rumänischen Staates, der angeblich durch eine zu niedrige Geburtenrate, eine dramatische Zunahme der Abtreibungen und durch die ethnische „Überfremdung“ in seiner Existenz bedroht ist. Ein weiteres, in ihrem 25-Punkte-Programm enthaltenes Ziel der Nationalistischen Partei ist die Vereinigung der Republik Moldau mit Rumänien.

Bei den diesjährigen Kommunal- und Parlamentswahlen wollte die neue politische Organisation bereits mit eigenen Kandidaten antreten und den Sprung ins Parlament schaffen. Da die angestrebte Parteigründung bislang wegen bürokratischen Hürden noch nicht zustande gekommen ist, hat sich die Noua Dreaptă nun auf die Suche nach einer ideologisch verwandten Organisation mit einem verbindlichen Rechtsstatus gemacht. Als Partner für eine beabsichtigte Allianz gilt die Partei „Alles für das Land“ (Partidul Totul pentru Ţară). Diese politische Gruppierung wurde 1993 von ehemaligen Alt-Legionären und Überlebenden der nach 1944 entstandenen antikommunistischen Guerillagruppen in Bukarest zunächst unter dem Namen „Partei für das Vaterland“ (Partidul pentru Patrie) aufgebaut. In einigen Großstädten hat die Partei bereits ihre Kandidaten für die anstehenden Wahlen vorgestellt, wobei sie sich der Unterstützung lokaler Ableger der Noua Dreaptă erfreut. In Temeswar beispielsweise haben sich die „Autonomen Nationalisten“ (einer lokalen Variante der Noua Dreaptă) und die Partei „Alles für das Land“ auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt, der sich um das Amt des Bürgermeisters bewirbt. Die derzeitige lose Zusammenarbeit der beiden Organisationen läuft unter der Bezeichnung „Nationalistische Allianz“.

Partei „Alles für das Land“: Eröffnung des Wahlkampfs 2012 (Foto: William Totok)

Die Gefahr einer Machtübernahme durch ultrarechte Gruppierungen besteht im heutigen EU-Land Rumänien zwar nicht, häufiger Einsatz von national-populistischer Rhetorik gehört jedoch inzwischen zu den bewährten wahltaktischen Mitteln demokratischer Parteien. Gerade diese nationalistischen Entgleisungen werfen oftmals ein schiefes Licht auf einzelne Politiker und nähren den berechtigten Zweifel an deren demokratischer Kompetenz.