OWEP 2/2023

OWEP 2/2023

Schwerpunkt:
Der Preis der Freizügigkeit

Editorial

Die Gründe, warum Menschen ihr Heimatland verlassen, um in einem anderen Land zu arbeiten, könnten unterschiedlicher nicht sein. Die einen wollen ins Ausland, weil sie Karrierechancen sehen. Andere müssen fort, weil die Bedingungen in der Heimat sie zum Verlassen zwingen. Wieder andere wollen zwar ihr Land nicht verlassen, können sich aber das Bleiben nicht leisten.

Gerade das immer noch vorhandene Wohlstandsgefälle in Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer verstärkten Arbeitsmigration geführt, vor allem in Richtung Westen. Der Krieg in der Ukraine hat diese Bewegung weiter verstärkt, weil die Angst um das Überleben Millionen von Ukrainern ins Ausland getrieben hat, wo sie sich ein neues Leben aufbauen müssen.

In dieser Ausgabe wollen wir die verschiedenen Facetten der Arbeitsmigration in Mittel-, Ost- und Südosteuropa, ihre Ursachen und Folgen beispielhaft aufzeigen. Während der einführende Beitrag von Jochen Oltmer einen Blick in die Geschichte osteuropäischer Arbeitsmigranten in Deutschland wirft, widmen sich andere Autorinnen und Autoren den Migrationsbewegungen der Gegenwart: Renata Mieńkowska-Norkiene schreibt über Ukrainer, die schon lange in Polen arbeiten und durch den Krieg Konkurrenz aus dem eigenen Land erhalten. Snježana Gregurović verdeutlicht, was es für die Herkunftsländer bedeutet, wenn so viele Menschen die Heimat verlassen. Andere Beiträge widmen sich der Ausbeutung auf Berliner Baustellen oder der Lage von Wanderarbeitern aus Zentralasien.

Nicht selten kostet der berufliche Erfolg den Preis der Aufgabe eines geordneten Familienlebens. Andererseits gelingt es nicht wenigen Fachkräften aus dem Osten, dank ihrer Qualifikation im Westen eine Zukunft für ihre ganze Familie aufzubauen. Allerdings fehlen sie im eigenen Land, dem die besten Arbeitskräfte verloren gehen. Wer übernimmt die Verantwortung dafür, wenn das Glück des einen zum Unglück des anderen wird?

Diese Ausgabe begleitet die Pfingstaktion von Renovabis, in deren Mittelpunkt in diesem Jahr die Arbeitsmigration aus Osteuropa steht. Das Hilfswerk hat die Verantwortlichen in Politik, Gesellschaft und Kirche dazu aufgerufen, Arbeitsmigration fairer zu gestalten. Wir dokumentieren den „Münchner Appell“, der sieben Forderungen stellt, wie das geschehen sollte.

Mehr zu Heft 2/2023 auch in diesem Teaser-Video

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis

82
Arbeitsmigration aus Osteuropa seit dem späten 19. Jahrhundert
Jochen Oltmer
90
Die Freizügigkeit in der EU: Chancen und Probleme nach den Osterweiterungen
Barbara Dietz
99
Probleme der Arbeitsmigration und Verantwortung für die Herkunftsländer. Ein Gespräch mit Projektkoordinator Pagonis Pagonakis
Gemma Pörzgen
106
Kein fairer Lohn in der Baubranche
Dirk Auer
112
Migration hochqualifizierter Arbeitskräfte aus Südosteuropa
Snježana Gregurović
123
Weggehen und Zurückbleiben – Erfahrungen aus Bosnien und Herzegowina
Adelheid Wölfl
131
Russland braucht Arbeitsmigration aus Zentralasien. Ein Gespräch mit der Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina
Paul Katzenberger
136
Ukrainische Migration nach Polen
Renata Mieńkowska-Norkiene
143
Pflege und Betreuung in der Grauzone
Agnieszka Satola
150
Ausländische Priester in Deutschland. Ein Gespräch mit dem Missionswissenschaftler Klaus Vellguth
Gemma Pörzgen
156
„Münchner Appell“
Renovabis
160
Weiterführende Lektüre
OWEP-Redaktion

Summary in English

The reasons why people leave their home country to work in another country could not be more different. Some want to go abroad because they see career opportunities. Others have to leave because conditions at home force them to leave. Still others do not want to leave their country, but cannot afford to stay.

It is precisely the still existing prosperity gap in Europe that has led to increased labour migration in recent decades, especially towards the West. The war in Ukraine has further intensified this movement, because fear of survival has driven millions of Ukrainians abroad, where they have to build a new life.

In this issue we want to exemplify the different facets of labour migration in Central, Eastern and South Eastern Europe, its causes and consequences. While the introductory article by Jochen Oltmer takes a look at the history of Eastern European labour migrants in Germany, other authors focus on migration movements in the present: Renata Mieńkowska-Norkiene writes about Ukrainians who have been working in Poland for a long time and are facing competition from their own country due to the war. Snježana Gregurović clarifies what it means for the countries of origin when so many people leave their homeland. Other contributions are dedicated to exploitation on Berlin construction sites or the situation of migrant workers from Central Asia.

Not infrequently, professional success comes at the price of giving up an orderly family life. On the other hand, quite a few skilled workers from the East succeed in building a future for their whole family in the West thanks to their qualifications. However, they are missing in their own country, which is losing the best workers. Who takes responsibility when one person's good fortune becomes another's misfortune?

This issue accompanies the Renovabis Pentecost Campaign, which this year focuses on labour migration from Eastern Europe. The solidarity initiative has called on those responsible in politics, society and the church to make labour migration fairer. We document the so-callled „Munich Appeal“, which raises seven demands on how this should be done.