Oj Triglav moj dom, kako si krasan! (O Triglav, meine Heimat, wie schön du bist!)

aus OWEP 1/2017  •  von Marija Wakounig

Prof. Dr. Marija Wakounig forscht und lehrt das Fach Osteuropäische Geschichte in seiner zeitlichen Tiefe und geografischen Breite am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien. Zu ihren Publikationen gehören Monografien, Herausgaben von Reihen- und Sammelbänden sowie Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, zur Diplomatie, Adels-, Kronen- und Dynastieforschung.

Zusammenfassung

Der Triglav, höchster Berg Sloweniens und einer der markantesten Alpengipfel, spielt eine große Rolle sowohl für die Geschichte des Alpinismus als auch für die Nationswerdung der Slowenen. Der Beitrag zeichnet die Phasen dieser Entwicklung nach, die dazu geführt hat, dass der Berg Münzen und Wappen Sloweniens ziert, aber auch in profanen Bereichen zur Identifikation mit dem Land dient.

Vom trigler zum Triglav

Es gibt wenige Staaten, deren höchster Berg die Symbole der Herrschaft ebenso ziert wie die Cent-Umlaufmünze, der während der Aufklärung erstmalig erklommen, dessen Gipfel danach zum Nationalisierungssymbol wurde und der das nationale Volksliedgut bereichert hätte. Es handelt sich um den höchsten Berg des ehemaligen Kronlandes Krain, des ehemaligen Jugoslawien sowie der gegenwärtigen Republik Slowenien und zugleich den höchsten Gipfel der Julischen Alpen, den 2.864 Meter hohen Triglav.

Der Triglav oder Dreikopf oder Monte Tricorno wurde erstmalig im 14. Jahrhundert als „trigler” (1320) bzw. „lapis Triglaw” (1322) urkundlich erwähnt. Im 17. Jahrhundert tauchte er in den schriftlichen Quellen als „Terglau” (1612), „Terglou” (1664) sowie „Terklou” (1778/79) auf. Über die Herkunft des Toponyms gibt es verschiedene Erklärungsversuche, die von einem „römischen Grabstein mit drei abgebildeten Köpfen“ bis Familien- und Flurnamen sowie zum Sitz einer slawischen Gottheit (Trigelawus), die mit ihren Köpfen den Himmel, die Erde und das Unterirdische beherrschen soll, reichen. Die Lokalisierung des Trigelawus ist es auch, die bis heute für Verwirrung sorgt, wenn es darum geht, den Hexensabbat aus „Einer Nacht auf dem kahlen Berge“ richtig zu verorten. Ob der russische Komponist Modest P. Mussorgski (1839 -1881), der die sinfonische Dichtung in die Oper „Der Jahrmarkt von Soročincy“ inseriert hat, den Triglav in den Julischen Alpen oder eher die Lysa Hora in der Ukraine oder einen anderen Berg im Sinn hatte, wird bis zur Klärung des tatsächlichen Sachverhaltes wohl unbeantwortet bleiben.

Der Triglav und der Alpinismus

Die spätere herrschaftssymbolische Bedeutung des Triglav ist möglicherweise auf seine nie geklärte Namensherkunft, die mythisch-mystische Deutungen zuließ, sowie auf seine wesentliche Rolle in der Entwicklung des slowenischen Alpinismus und der slowenischen Nationswerdung ab Ende des 18. Jahrhunderts zurückzuführen. Bereits ab 1750 wurde die Gegend um den Triglav von Naturforschern erkundet. Der krainische Unternehmer und Gelehrte Sigismund Zois von Edelstein (Žiga Zois, 1747-1819), der in seinem Haus in Ljubljana eine Tischrunde von Gelehrten unterhielt, gehörte zu den wichtigsten Mäzenen und Förderern nicht nur der slowenischen Kultur und Sprache, sondern auch der Naturwissenschaften und des Alpinismus. Zu seinen illustren, jedoch nicht regelmäßigen Gästen gehörte auch der Anatom Belsazar de la Motte (Balthasar) Hacquet (um 1740-1815), der von der Zois'schen Großzügigkeit profitierte, zumal ihm dieser 1777 für den nicht erfolgreichen Erstbesteigungsversuch des Triglav den erfahrenen Wundarzt Lovrenc Willonitzer (um 1747-1801) empfahl. Dieser organisierte dann jene Bergsteigergruppe, der es am 26. August 1778 vom Nordosten (via Velo polje und Zeleni sneg) schließlich gelang, den Gipfel des Triglav als erste zu besteigen. Von der Wocheiner Seite (Bohinj) hat als erster Valentin Stanič (1774-1847) den Triglav erklommen; vom Trentatal aus gelang die Besteigung dem Triester Kaufmann Julius Kugy (1824–1871), das erste Panoramabild (6,5 Meter lang) des dreiköpfigen Bergmassivs malte der zweisprachige Kärntner Maler Markus (Marko) Pernhart (1824 -1871) um 1861.

Nach Hacquet, der beim zweiten Versuch 1778 erfolgreich den höchsten Gipfel des Triglav bezwang, sind auch Pflanzen wie die Schafdolde (Hacquetia epipactis) oder das Karst-Läusekraut (Pedicularis hacquetii) benannt.

Ansichten des Triglav und der Julischen Alpen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts von Markus (Marko) Pernhart (1824-1871)1

Im Zuge der sich verschärfenden Nationalisierung, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch im zunehmenden Alpinismus niederschlug, kam es zum Wettstreit um die nationale Vereinnahmung von Berggipfeln, insbesondere von solchen, die in oder an der Grenze mehrsprachiger Kronländer standen. Dies geschah auch in Krain, dessen Bevölkerung bis auf die Sprachinsel Gottschee (Kočevska) und die Städte mehrheitlich slowenischsprachig und agrarisch war. Ab 1875 begann der Deutsche und Österreichische Alpenverein (DÖAV), in den Julischen und Steiner Alpen sowie in den Karawanken Alpenhütten und Wegweiser aufzustellen, die entgegen der mehrheitlich gesprochenen slowenischen Landessprache deutsche Namen (Deschmannhaus, heute Staničev Dom, oder Maria-Theresia-Hütte, heute Dom Planika) und topographische Aufschriften erhielten. Aufgrund der nationalen Auseinandersetzungen lösten sich im Jahr 1893 die slowenischsprachigen Krainer aus dem DÖAV und gründeten den Slowenischen Alpenverein (Slovensko planinsko društvo, SPD).

Damit war der sprichwörtliche Kampf um die nationalen Gipfel eröffnet, den zumindest für den höchsten Gipfel des Landes der begeisterte Alpinist und Pfarrer Jakob Aljaž (1845-1927) für sich entschied, indem er von der Gemeinde Dovje um einen Gulden am Kredericaplateau einen 16 Quadratmeter großen Grund und auch die Spitze des Triglav kaufte. Auf dem Eigengrund ließ er am 7. August 1895 den von ihm skizzierten Aljažev stolp (Biwak/Turm) errichten, der als Beobachtungsstation und als Stützpunkt dienen sollte. Das Innere stattete er mit drei Sesseln, zwei Samowaren samt Spiritus, sechs Gläsern, einem Barometer und einem Thermometer aus; an der Innenwand ließ er außerdem eine Kopie des Panoramabildes von Markus (Marko) Pernhart mit den Namen der Berge und Orte als Orientierung für die Bergsteiger und Wanderer anbringen.

Mit dem Lied „Oj Triglav moj dom, kako si krasan!“ wurde am 22. August 1895 nach dem Absingen des Ave maris stella und dem Knallen von Champagnerkorken der Aljažev stolp eröffnet. Die Komposition des nach wie vor populären Liedes stammte von Aljaž selbst, der Text von Matija Zemljič (1873-1934), der ebenfalls Priester war. Nach der feierlichen Champagnereröffnung folgte sozusagen die Ernüchterung, als die Behörden gegen Aljaž gerichtlich vorgingen und behaupteten, dass er durch die Errichtung des Biwaks den unterirdischen Triangulationspunkt beschädigt hätte. Mit Hilfe eines Heeresangehörigen konnte schließlich nachgewiesen werden, dass am Triglav nie ein solcher, sondern nur eine hölzerne Pyramide existiert hatte. Der national heißumkämpfte Gipfel wurde anschließend unter kaiserlichen Schutz gestellt und vom Eigentümer Aljaž dem slowenischen Alpenverein geschenkt.

Vom heißumkämpften Gipfel zum grenzenlosen Staatssymbol

Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr der Triglav erstmalig heraldische Verwendung, als er mit seinem Umriss dem Stempel der Pfarre Bohinjska Srendja vas amtliche Bedeutung verlieh. In der Zwischenkriegszeit erkor ihn dann der berühmte slowenische Architekt Jože Plečnik (1872–1957) als Symbol Sloweniens innerhalb des Königreiches Jugoslawien. Vielleicht deswegen, weil über dem Gipfel des Triglav die Staatsgrenze zwischen dem damaligen Königreich Jugoslawien und Italien verlief?

Plečnik, der mit der Planung eines Privathauses und der königlichen Villa auf Bled (1933/1934) beschäftigt war, schuf im Zuge der Auftragsarbeiten ein jugoslawisches Wappen (zweiköpfiger Adler), in welchem neben dem serbischen Kreuz und dem kroatischen Schachbrett auch der Triglav mit einem goldenen Stern über dem höchsten Gipfel enthalten war. Da das Vorhaben durch das tödliche Attentat auf König Aleksandar Karađorđević (1888-¬1934) offensichtlich obsolet wurde, fand das Wappenlayout Verwendung auf der Rückseite des Mantels der Marienstatue vor der Pfarrkirche von Bled. Dieselbe Wappenvorlage hat Plečnik außerdem noch für den Haupteingang der National- und Universitätsbibliothek in Ljubljana verwendet und um zwei Wellenlinien als Versinnbildlichung des Meeres bereichert.

Plečniks Triglav-Vorlage diente während der NS-Okkupation Jugoslawiens der slowenischen Widerstands- und Befreiungsbewegung (Osvobodilna fronta/OF) als emblematischer Code: Unter dem höchsten Gipfel des Triglav wurde der fünfzackige Stern platziert, links und rechts von ihm bzw. unter den beiden kleineren Gipfeln jeweils die Buchstaben O und F positioniert. Nach der Kapitulation Italiens 1943 bekam das Emblem noch zwei Wellenlinien mit Blick auf den Anspruch Sloweniens auf einen Zugang zur Adria hinzugefügt. Der Triglav samt Wellenlinien diente in der Folge als Vorlage für Entwürfe von Postmarken sowie Schuld- und Zahlscheinen. Im Oktober 1944 haben Partisanen im Gipfelbuch festgehalten: „Na tem vrhu nikoli več meja!” (Auf diesem Gipfel soll es nie mehr Grenzen geben!).

Von der Ambivalenz eines Herrschaftssymbols

Nach dem Zweiten Weltkrieg (1946) fand der Triglav, von Weizenähren umgeben, Berücksichtigung im Wappen der Teilrepublik Slowenien und überdauerte in dieser Stilisierung die Wappenbeschreibungen in den Verfassungen Jugoslawiens von 1963 und 1974. Nachdem sich Slowenien im Juni und Juli 1991 durch seine (einseitige) Unabhängigkeitserklärung und durch den Sezessionskrieg aus dem jugoslawischen Staatsverband herausgelöst hatte, machte die Staatsgründung – die erste slowenische überhaupt – auch neue, sozusagen genuin slowenische Symbole der Herrschaft und der Macht erforderlich. Bereits Anfang April 1991 wurde in den Medien ein Wettbewerb über die zukünftigen Staatssymbole ausgeschrieben. Weil sich der Tag der Unabhängigkeitserklärung näherte und die Vorschläge in der „Unterkommission über die Bestimmung von Symbolen der Republik Slowenien” zu Auseinandersetzungen geführt hatten, entschloss man sich kurzfristig für das nichtfigurale Kosmogramm des Bildhauers und Dichters Marko Pogačnik: In der Mitte des blauen Wappens platzierte er die abstrakte Darstellung des Triglav, darunter bedeutungsvoll zwei Wellen, die den Flussreichtum und den 22 Kilometer langen Meerstreifen andeuten sollten; über dem Triglav ließ der Künstler in der Form eines Dreiecks drei goldene sechszackige Sterne schweben. Das slowenische Emblem ist an zwei Rändern rot eingefasst, enthält insgesamt die drei Farben der Flagge weiß-blau-rot und entspricht nach Meinung von Heraldikern nicht der Machart von Wappen.2

Das moderne Aussehen des Emblems ist nur vordergründig ahistorisch und neutral: Der Künstler meldete sich 2003, als wieder mehr oder weniger ernsthafte Revisionsvorschläge vorlagen, zu Wort und gab auch die Beschreibung seines „Wappens“ preis: Pogačnik führte aus, dass ihn die Visionen des größten slowenischen Dichters France Prešeren (1800-1849) im Epos Krst pri Savici (Christianisierung der Slowenen am Fuße des Triglav) und die vom Architekten Plečnik 1934 geschaffene Marienstatue auf Bled mit dem eingemeißelten Triglav samt sechszackigem Stern an der Rückseite inspiriert hätten auf der Suche nach „den edelsten Wurzeln dessen, wie das Slowenentum als (kollektive) Identität im 19. Jahrhundert entstanden“ sei, wobei ihm durchaus bewusst gewesen wäre, dass die Slowenen auch davor eine Geschichte gehabt hätten: Diese käme auf dem Sternendreieck des Wappens zum Ausdruck, das symbolisch sowohl für den Rückgriff auf die längst vergangene Geschichte, nämlich auf die Grafen von Cilli (1456 erloschen), als auch für die Untersteiermark als Teil Sloweniens stünde; ferner der Triglav, der das Neue und die Kernregion Sloweniens Krain symbolisiere, sowie die Wellen, die das Küstenland darstellen.3

Der Triglav polarisiert als Herrschaftsemblem bis heute, obwohl er zum Symbol der Republik Slowenien geworden ist und als solches wohl auch in Zukunft bleiben wird. Er ist so sehr Allgemeingut geworden, dass er beliebig namengebend verwendet wird für den Nationalpark, für Versicherungsgesellschaften (Zavarovalnica Triglav, Triglav, Zdravstvena zavarovalnica), für Vermögensverwalter (Skupina Triglav, Triglav skladi), für die Radiostation Triglav, das Autohaus Triglav in Ljubljana oder den Alpenverein Triglav. Einerseits müsste man dafür eintreten, dass der geheiligte slowenische Nationalberg nicht für die Benennung von profanen, neumodischen Unternehmen entweiht wird, andrerseits kann man sich vom Identifikationsfaktor eines Herrschaftssymbols nichts Besseres wünschen als seine verallgemeinernde Profanisierung. Und bei wem sollte der Berg schließlich sein Patent anmelden?


Weiterführende Literatur bzw. Links:


Der Triglav (Dreikopf, Monte tricorno; die genaue Herkunft des Namens ist ungeklärt) liegt in den Julischen Alpen auf dem Gebiet Sloweniens, unweit der Grenze zu Österreich und Italien. Mit 2.864 m Höhe ist er der höchste Berg Sloweniens und spielt als Nationalsymbol eine wichtige Rolle.


Fußnoten:


  1. Zu Markus (Marko) Pernhart vgl. Robert Miles: Pernhart, Markus (1824-1871), Maler. In: ÖBL 7, Wien 1978, S. 427; Viktor Steska, Francè Stelè: Pernhart, Marko (1824–1871). In: SBL 6, Ljubljana 1935 (http://www.slovenska-biografija.si/oseba/sbi415394/). – Quellen für die Vorlagen der abgedruckten Gemälde: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Markus_Pernhart_-Triglav_III.jpg; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Markus_Pernhart-Julische_Alpen.jpg; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Le_Triglav(mus%C3%A9e_national_de_Slov%C3%A9nIe,Ljubljana)(9425890552).jpg_(9425890552).jpg). ↩︎

  2. Abbildung von Flagge und Wappen Sloweniens finden sich z. B. unter https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f0/Flag_of_Slovenia.svg↩︎

  3. Vgl. das erklärende Interview mit Marko Pogačnik am 28.07.2003: www.pozitivke.net/article.php/20030721182718910 (letzter Zugriff: 27.10.2020). ↩︎