1926: Franz-Josef-Land wird sowjetisch

aus OWEP 4/2017  •  von Andreas Alexandrou

Student des Masterstudiengangs Geschichte Osteuropas und Romanistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Neben eine Reportage über die erste Luftschiff-Überquerung des Nordpols durch Umberto Nobile und Roald Amundsen platzierte die Prawda am 16. April 1926 eine kurze Regierungserklärung. Moskau hatte am Vortag seine Souveränität über alle Territorien verkündet, die in einem tortenstückförmig definierten Sektor zwischen der sowjetischen Polarmeerküste und dem Nordpol lagen. In diesem nach dem Vorbild Kanadas geschaffenen Sektor befand sich auch das 1873 von einer österreichischen Expedition entdeckte Franz-Josef-Land. Bislang hatten die unbewohnten Gletscherinseln an der Packeisgrenze als Niemandsland gegolten – von Interesse allenfalls für Polarforscher. Sowjetische Wissenschaftler richteten dort im August 1929 eine Forschungsstation ein. Ihr Ziel war aber nicht nur, wie offiziell verlautete, eine Verbesserung der Wetterprognosen für Europa und speziell für die arktische Luftfahrt. Die sieben Männer gründeten die nördlichste Siedlung der UdSSR und nahmen so den Archipel physisch in Besitz. Dieser Schritt richtete sich nicht zuletzt gegen Norwegen, das bis in die 1930er Jahre die Rechtmäßigkeit des sowjetischen Vorgehens bestritt, ohne indes die Sowjetisierung von Franz-Josef-Land verhindern zu können.

Die neuen Sowjetinseln dienten als Ausgangspunkt für die berühmten Polarexpeditionen der Stalinzeit, fanden aber selbst nur wenig Aufmerksamkeit. Trotzdem markierte die Inbesitznahme von Franz-Josef-Land einen Wendepunkt. Sie unterstrich Moskaus bis heute bestehende Forderung nach einem Arktis-Sektor und sollte Gebietsansprüche anderer verhindern; die Regierungserklärung von 1926 schloss ausdrücklich alle noch unbekannten Inseln ein. Im Fall von Nobile war die Sorge vor Neuentdeckungen unbegründet, endete doch seine zweite Nordpolfahrt 1928 in einer Katastrophe. Dass nur der Eisbrecher Krasin zur Unglückstelle vordringen und Überlebende bergen konnte, galt als Zeichen sowjetischer Überlegenheit in der Arktis. Noch im gleichen Jahr dampfte die Krasin nach Franz-Josef-Land, wo eine stählerne Sowjetflagge aufgestellt wurde.