1937: Stalinistische Säuberungen

aus OWEP 4/2017  •  von Fedor Pilipenko

Fedor Pilipenko: Student der Politikwissenschaft, Ludwig- Maximilians-Universität München.

Als stalinistische Säuberungen werden Massenhinrichtungen, Repressionen und Deportationen von Minderheiten bezeichnet, die von Josef Stalin und dem Politbüro der KPdSU gebilligt wurden, um die sowjetische Gesellschaft von „Feinden“ der stalinistischen Herrschaft und „unzuverlässigen Gruppen“ zu säubern. Diese umfangreiche Verfolgungskampagne von potenziellen Andersdenkenden (1936-1938) war auch unter den Begriffen „Großer Terror“ oder „Jeschowschtschina“ bekannt.

Als Beginn der Massensäuberungswelle kann man den 30. Juli 1937 ansetzen, als Nikolai Jeschow, Leiter des Volkskommissariats für Innere Angelegenheiten (NKWD), den Befehl Nr. 00447 unterzeichnete. Dieser war kurz davor beim Februar-März-Plenum des Zentralkomitees der KPdSU beschlossen worden, um die dem Bau des Sozialismus „schädlichen Elemente“ zu entfernen. Unter diesem Vorwand sind neben den so genannten Moskauer Schauprozessen, bei denen prominente Stalin-Kritiker aus den Kadern und Eliten verhaftet und verurteilt wurden, auch geheime Massenoperationen wie Deportationen von ethnischen Minderheiten (u. a. Sowjetbürger mit polnischen, lettischen und koreanischen Wurzeln) oder Verfolgungskampagnen gegen Geistliche und Säuberungen in der Roten Armee durchgeführt worden. Dabei wurden die Verhafteten in der Regel von den so genannten „Troikas“ (sowjetisches „Sondergericht“, bestehend aus drei Personen) ohne das Recht, sich vor dem Gericht zu verteidigen, als „Volksfeinde“ für schuldig gesprochen; auch Folter war während den Prozessen gängig. Die „Schuldigen“ wurden bis auf wenige Ausnahmen entweder erschossen oder in GULag-Arbeitslager geschickt bzw. in Gefängnissen inhaftiert. Über die endgültigen Opferzahlen der stalinistischen Säuberungen herrscht bei den Historikern keine Einigkeit; man geht aber von ungefähr 1,5 Millionen betroffenen sowjetischen Bürgern aus, von denen etwa 700.000 erschossen wurden.

Die stalinistischen Säuberungen führten zu einer Kaderrevolution: Die „Alte Garde“ der Bolschewiki, die seit der Oktoberrevolution hohe Posten bekleidet hatte und der Stalin jedoch nicht mehr traute, wurde durch junge unterwürfige Funktionäre ersetzt.