1951: Sowjetisch-polnischer Gebietsaustausch

aus OWEP 4/2017  •  von Maria Toropova

Maria Toropova: Doktorandin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (Thema: Rolle der Russischen Orthodoxen Kirche in der russischen Außenpolitik).

Zwar wurden die Grenzen zwischen Polen und der Sowjetunion nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Jalta festgelegt, jedoch fand im Jahre 1951 ein größerer Gebietsaustausch statt. Die polnisch-sowjetische Demarkationslinie war einer der Hauptgegenstände der Diskussionen zwischen den Siegermächten auf der Krim 1945 gewesen, als es um die Rivalität der Staaten beim Thema Polen sowie die Verschiebung der polnischen Grenzen im Westen und im Osten ging. In Jalta gelang es Stalin, die Alliierten dazu zu bewegen, sich auf die Gründung einer „Regierung der nationalen Einheit“ in Polen zu einigen. Letztlich gelang es den Kommunisten, ihre Macht zu festigen und eine prosowjetische Regierung in Warschau zu verankern.

In Jalta wurde beschlossen, die den ethnographischen Prinzipien folgende Curzon-Linie als Grenze zwischen Polen und der Sowjetunion festzulegen – mit überwiegend polnischer Bevölkerung im Westen und litauischen, ukrainischen und weißrussischen Bevölkerungsgruppen im Osten. Sechs Jahre später wurde ein friedlicher, offiziell von der polnischen Regierung initiierter Gebietsaustausch vollzogen. Im polnischen Interesse lag es, die Kontrolle über die Erdölfelder im Gebiet Drohobytsch mit der Stadt Ustrzyki Dolne zurückzugewinnen. Im Gegenzug sollte die Sowjetunion aus strategischen Gründen einen Landstrich mit einer Eisenbahnverbindung erhalten. Es gibt aber auch die Meinung, dass der Gebietsaustausch doch von der sowjetischen Regierung angestoßen wurde, um die Kontrolle über das Steinkohlegebiet in der Nähe von Lwiw (Lemberg) und in Wolhynien zu übernehmen.

Der Austausch basierte auf dem Prinzip der Reziprozität, dem so genannten „Kilometer für Kilometer“-Prinzip. Das gesamte Austauschgebiet betrug jeweils 480 Quadratkilometer. Der größte friedliche Gebietsaustausch in der Geschichte Polens wurde durch Zwangsumsiedlung der betroffenen Bevölkerung besiegelt. Fast die Hälfte der von der UdSSR übergebenen Territorien bestand aus Ackerfläche, deshalb wurden sowjetische Bauern von dort in die Südukraine umgesiedelt. Die polnische Bevölkerung wurde teilweise in die ehemals deutschen Gebiete, teilweise in das Kernland Polens umgesetzt. Die beiderseitige Umsiedlung dauerte etwa ein halbes Jahr und wurde mit der Übergabe des Vertrags in Lwiw am 17. November 1951 abgeschlossen.