1965: Aus dem Schreibtischkalender wird Chruschtschows Geburtstag getilgt
Chruschtschows Verlust an Macht und Einfluss hatte sich in den Jahren davor schon langsam abgezeichnet, doch gestürzt wurde er erst im Oktober 1964, als Leonid Breschnew und seine Kollegen ihn zu einer angeblichen Sitzung über Landwirtschaft nach Moskau beorderten und ihn dabei entmachteten. Chruschtschow selbst leistete keinen Widerstand.
Als ein Regierungs- und Parteichef, der viel versprochen, jedoch wenig gehalten hatte, war er in Ungnade bei seiner Partei und beim Militär gefallen. Man warf ihm „politische Irrtümer“ vor; gemeint waren damit vor allem der Personenkult um ihn, die wiederholte Desorganisation der Wirtschaft und seine Politik während der Kubakrise, in der er vor allem versucht hatte, auf Entspannung und eine friedliche Koexistenz zwischen den beiden Weltmächten zu setzen. Dies hatte ein Zerwürfnis mit China zur Folge, was viele seiner Parteikollegen gegen ihn aufbrachte und eine Spaltung im Weltkommunismus auslöste.
Um Chruschtschows politische Existenz auszulöschen, wurde 1965 allen, die einen Schreibtischkalender bezogen, ein Austauschblatt für den 17. April zugestellt, auf dem der Geburtsvermerk für Chruschtschow fehlte, und in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie wurde sein Name aus der Liste bedeutender Politkommissare im Zweiten Weltkrieg getilgt.
1966 folgte Chruschtschows Ausschluss aus dem Zentralkomitee, und er verlor das letzte Amt, das er noch innehatte. Der Fall Chruschtschow war für die sowjetische Regierung damit erledigt, der ehemalige Parteivorsitzende und Regierungschef endgültig kaltgestellt. Trotz seiner Entmachtung und Tilgung aus verschiedenen Medien deutete Chruschtschow die Tatsache, dass er lediglich in Rente geschickt und nicht etwa verhaftet oder gar liquidiert worden war, als einen Fortschritt gegenüber der Stalin-Ära. Er verbrachte seinen Lebensabend zurückgezogen auf seiner Datscha und verfasste seine Memoiren, die unter dem Titel „Khrushchev Remembers“ 1970 auf Englisch erschienen.