Renovabis und die Projektförderung in Ungarn

(Bericht)
aus OWEP 2/2007  •  von Markus Leimbach

Markus Leimbach ist Leiter der Abteilung Projektarbeit und Länder bei Renovabis.

Am Anfang des Artikels stehen eine Analyse der bisherigen Förderung und die Frage, warum Renovabis weiterhin Projekte in einem Land unterstützt, das inzwischen zur EU gehört. Der Artikel soll dazu beitragen, die Situation der Kirche und ihre Strukturen ein wenig transparenter zu machen. In den nächsten Jahren wird Renovabis weniger Geld zur Verfügung stehen, was zur Folge hat, dass die Förderung in einigen Ländern zurückgefahren werden muss. So steht auch für Ungarn die Unterstützung auf dem Prüfstand.

Was hat Renovabis bisher getan?

Seit 1993 hat Renovabis 731 Projekte in Ungarn gefördert. Mehr als 380 Projekte mussten abgelehnt werden, teils aus Geldmangel, größtenteils jedoch, weil diese Projekte nicht den Förderkriterien von Renovabis entsprachen. In den meisten Fällen waren es Bauprojekte wie Kirchen, Pfarrhäuser oder Renovierungen entsprechender Gebäude. Weiterhin fielen darunter so genannte Prestigeobjekte. Eine Unterstützung von Baumaßnahmen kann Renovabis nicht gewähren, da hierzu die Mittel zu knapp sind und es den Prioritäten für die Transformationsländer nicht entspricht. Ausnahmen gibt es für soziale Projekten wie Altenheime, Behinderteneinrichtungen und Kinderheime, bei denen Renovabis Modernisierungen und Neubauten gefördert hat. Gleiches gilt für den Aufbau von Bildungsstrukturen.

Unter 731 geförderten Projekten waren 169 Studienstipendien, die einen Anteil von 23 Prozent ausmachen. Der größte Teil – finanziell wie anteilsmäßig – liegt im Bereich der sozialen Projekte. Hier wurden 441 Projekte (60 Prozent) mit einem Gesamtvolumen von 19,8 Millionen Euro (73 Prozent) gefördert. Im pastoralen Bereich waren es 290 Projekte (40 Prozent) mit einer Gesamtsumme von 7,3 Millionen Euro (27 Prozent). Eine Vielzahl der Projekte in Ungarn ist im überdiözesanen Bereich angesiedelt: 23 Prozent mit einer Summe von 11,8 Millionen Euro (43 Prozent).

Im strukturschwachen Ostungarn (Debrecen-Nyiregyhaza, Eger, Szeged-Csanád, Vác) liegt der Anteil der Projekte bei 19 Prozent (142 Projekte), die Summe bei 3,5 Millionen Euro (13 Prozent). Verglichen mit der Förderung der überdiözesanen Projekte bzw. der Förderung in Restungarn (Esztergom-Budapest, Győr, Kalocsa-Kecskemet, Kaposvar, Pannonhalma, Pécs, Szekesfehérvár, Szombathely und Veszprém) ist dies relativ wenig. Dort wurden für 227 Projekte (31 Prozent) 8,7 Millionen Euro (32 Prozent) eingesetzt.

Im Vergleich zu den anderen 27 durch Renovabis geförderten Ländern nimmt Ungarn eine gehobene Stellung ein. Besonders unterstützt Renovabis die Aus- und Weiterbildung von Menschen im Bereich der Schulen und Universitäten und der theologischen Hochschulen und Priesterseminare. Auch die Förderung von Bildungshäusern, etwa in Debrecen, Eger, Szombathely und Budapest, fällt in diesen Bereich. Hier hat sich Renovabis auf die Ausstattung und Ausrüstung sowie die Förderung einzelner Studienprogramme konzentriert.

Ein wichtiges Aufgabenfeld ist auch die Ausbildung von jungen Menschen mit Hilfe von Stipendien zum Auslandsstudium (23 Prozent). Diese beziehen sich jedoch hauptsächlich auf theologische Studien, da sonstige Studienfächer durch andere Organisationen bereits abgedeckt sind.

Initiiert durch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken, nimmt bei Renovabis die Förderung der Laienarbeit natürlich eine herausragende Stellung ein. Die Laien sollen für ihre Berufung und Sendung in Kirche und Welt befähigt werden. Das ist in den post-kommunistischen Gesellschaften Mittel- und Osteuropas von besonderer Bedeutung. Abgesehen vom Einsatz zur Erhaltung des Glaubens in der Verfolgung war dort vielfach in den vergangenen Jahrzehnten ein gesellschaftliches Engagement nicht möglich, die verantwortliche Teilhabe der Laien am Leben der Kirche weitgehend unbekannt. Teilweise wirken die negativen Erfahrungen aus der Zeit noch nach, in der die kommunistische Staatsgewalt die Mitwirkung von Laien zur Kontrolle der Kirche instrumentalisierte oder aber die Menschen, die sich für die Kirche einsetzten, Repressalien ausgesetzt waren. Heute ist ein kirchliches Engagement von Laien wieder möglich. Hier wird Renovabis finanziell unterstützend, aber auch beratend und begleitend tätig.

Renovabis sieht die Förderung des Laienapostolats nicht allein als Einbindung von Laien in die Katechese und in karitative Aufgaben, sondern im Sinne des Apostolischen Schreibens „Christifideles laici“ auch als Mitverantwortung für den Dienst an der Kirche. Ausgehend davon, dass die Entwicklung freier Gesellschaften in den letzten Jahrzehnten in den Ländern Mittel- und Osteuropas nicht möglich war und eine säkularisierte Gesellschaft entstanden ist, versucht Renovabis, die Mitverantwortung der Laien für das Gemeinwohl und deren Einsatz für soziale Gerechtigkeit zu fördern. Dieser Ansatz bildet eine Einheit mit der Förderung der christlichen Erneuerung und vertieften Spiritualität. Gerade die geistige Wende ist für das zukünftige Gesicht der Gesellschaft Mittel- und Osteuropas von tragender Bedeutung.

Renovabis konnte in zwei Bereichen, in denen Laien aktiv am kirchlichen und gesellschaftlichen Leben teilnehmen, eine finanzielle und beratende Unterstützung bieten: im Aufbau von Nationalen Büros für Familienarbeit und Jugendarbeit sowie in der Förderung und Weiterentwicklung der KIFE (Katholischer Verband der Jugend- und Erwachsenenbildungsarbeit). Gleichzeitig wurde aber auch den Diözesen geholfen, entsprechende Einrichtungen aufzubauen, in denen die notwendigen Weiterbildungs- und Schulungsmaßnahmen stattfinden können. Hier darf die Ausbildung von Katecheten an den theologischen Hochschulen in Ungarn nicht vergessen werden.

Wichtig sind außerdem die Aus- und Weiterbildung von Lehrern. Hier engagiert sich die Kirche in Ungarn stark; viele Laien sind dort aktiv. Gerade die schulische Ausbildung ist eine Grundlage für die weitere christliche Formung junger Menschen. In Zusammenarbeit mit der kirchlichen Jugendarbeit kann so in Zukunft ein katholisch geprägter Gesellschaftskreis entstehen.

Renovabis förderte bisher über 80 Projekte zur Stärkung des Laienengagements in Ungarn, wobei die meisten landesübergreifend sind und damit eine Vielzahl an Multiplikatoren erreicht wird.

Konkrete Beispiele auf der Ebene der Projektarbeit

An drei konkreten Beispielen möchte ich die Situation der katholischen Kirche in Ungarn darstellen, aber auch auf Probleme hinweisen: erstens das katholische Schulsystem, zweitens die katholische Jugendarbeit und drittens als Randerscheinung die Sozial- und Pastoralarbeit bei den Zigeunern.

Die Pfarrseelsorge ist für die Entwicklung der Kirche in Ungarn natürlich äußerst wichtig, findet aber leider nicht immer die Prioritäten und vor allem nicht die finanzielle Unterstützung beim Episkopat.

Aufbauprogramm für katholische Schulen

Grundgedanke und Ausgangspunkt des Schulprogramms sind die Trägerstrukturförderung bzw. Förderung der Eigenverantwortung der Partner, da die Auswahl der Projekte über die Höhe des Mitteleinsatzes und die Ablehnung eines Projektes im Rahmen von vorher gemeinsam festgelegten Rahmenbindungen erfolgen.

Renovabis hat zum Aufbau katholischer Schulen in Ungarn bisher rund 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, die verschiedenen schulischen Einrichtungen wie Kindergärten, Internaten und unterschiedlichen Schultypen zugute kommen. Im ersten Teil des Programms haben die Schulen bzw. Schulträger bei jedem Projekt einen Eigenanteil von 10 Prozent, im zweiten Teil des Projekts auf eigenen Vorschlag hin 20 Prozent beigetragen. Die Mittel wurden über das so genannte „Renovabis-Kuratorium“, das aus Mitgliedern der Bischöflichen Schulkommission und Vertretern der Ordensgemeinschaften besteht, vergeben. Die Geschäftsführung liegt beim Institut für Pädagogik und Weiterbildung der Ungarischen Bischofskonferenz, das für die inhaltliche und finanzielle Betreuung der katholischen schulischen Einrichtungen, die Entwicklung von Curricula und die Durchführung von Lehrerfortbildungen zuständig ist und zugleich den zentralen Ansprechpartner für die staatlichen Behörden bildet. Insgesamt war die bisherige Förderung, wie sich beim Besuch in verschiedenen Diözesen gezeigt hat, erfolgreich und nachhaltig.

Vom Grundsatz her soll das Programm der Schulförderung zur Eigenverantwortung – Hilfe zur Selbsthilfe – befähigen. Zur Zeit sieht es allerdings so aus, dass Renovabis so lange fördern soll, bis kein Bedarf mehr festgestellt wird. Nun könnte zur Weiterentwicklung des Projekts eine Art Solidaritätsfonds aufgebaut werden. Dies ist jedoch aus mehreren Gründen nicht möglich. Zum einen sind finanzielle Aspekte zu nennen, denn die Belastung der Schulträger ist schon heute so hoch ist, dass man keine zusätzlichen Möglichkeiten sieht, Mittel zur Verfügung zu stellen. Zum anderen sprechen steuerliche Gründe gegen den Solidaritätsbeitrag. Ein Solidaritätsbeitrag reicher und besser situierter Schulen für ärmere ist nicht möglich, da Schulgeld grundsätzlich nicht erhoben wird – eine Erhebung würde den Wegfall der staatlichen Regelförderung zur Folge haben.

Die Zusammenarbeit mit den kommunalen Stellen erscheint auch deshalb schwierig, weil die katholischen Entscheidungsträger ein großes Misstrauen gegenüber allen nichtkatholischen Einrichtungen und vor allem gegenüber allen staatlichen Behörden hegen. Dies ist aus den Erfahrungen in der kommunistischen Zeit verständlich, aber in der Vehemenz und Verallgemeinerung nur schwer nachzuvollziehen. Andererseits dürfen die kommunalen Träger die katholischen Schulen auch nicht fördern, da dies dem Teilkonkordat mit dem Heiligen Stuhl widerspricht, demzufolge der Staat (d. h. die nationale Ebene, nicht die kommunale) für die Gleichstellung der katholischen Schulen mit den staatlichen zu sorgen hat. Einige Kommunen, z. B. einige Bezirke in Budapest, fördern dennoch die katholischen Schulen, um sich selbst zu entlasten.

In der Entwicklung kommunaler Schulpläne sehen die katholischen Schulträger die Gefahr der Schließung katholischer Schulen. Sie gehen von der Prämisse aus, dass katholische Schulen ein Vorrecht auf Bestehen haben, und weigern sich, Schulen zu schließen, auch wenn wirtschaftliche Gründe dies nahelegen. So erscheint die Fortführung des Schulprogramms in der bisherigen Art nicht mehr sinnvoll, da keine Zukunftsoption gegeben ist.

Katholische Jugendarbeit am Beispiel der Diözese Szeged-Csanád

Mit Hilfe von Renovabis konnte die Jugendstiftung der Diözese Szeged-Csanád Ideen und Programme zur Entwicklung von Jugendarbeit umsetzen. Die Unterstützung beim Aufbau der Jugendarbeit wird in den Pfarreien gerne angenommen. Ehrenamtliche Jugendarbeit wie in Deutschland ist in Ungarn zur Zeit noch nicht möglich, da dies eine finanzielle Absicherung voraussetzt, die so in Ungarn einfach noch nicht gegeben ist und die Laien zunächst ihren Lebensunterhalt sichern müssen. Eine Ausnahme bilden die Universitätsstädte, wo unter den Studierenden vielfach eine Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement besteht.

Die derzeitige Projektlaufzeit endet 2007. Danach ist mit der Jugendstiftung ein Gespräch über Zukunftsvisionen und finanzielle Möglichkeiten zu führen. Nach jetzigem Stand wird die Projektarbeit noch einmal verlängert, um die Arbeit in der Diözese fester zu verwurzeln. In einem künftigen Projekt kann man aber davon ausgehen, dass ein Großteil der Mittel aus anderen Quellen erwirtschaftet werden muss. Dies gilt vor allem für die Programmmaßnahmen. Die Finanzierung des Personals und der administrativen Kosten wird Renovabis sicher noch einmal übernehmen müssen.

Aufbau einer Sozial- und Pastoralarbeit unter den Zigeunern in der Diözese Pécs

Seit 2003 unterstützt Renovabis den Aufbau einer Sozial- und Pastoralarbeit unter den Zigeunern der Diözese Pécs. Zielgruppe sind ca. 8.000 Menschen in elf Orten. Das Programm umfasst neben direkten Hilfen wie Armenküche, Notversorgung mit Kleidung und Lebensmitteln vor allem Elemente zur Förderung der gesellschaftlichen Entwicklung der Zigeuner. Dazu zählen Hausaufgabenbetreuung, Kinder- und Jugendarbeit sowie die psychosoziale Unterstützung der Familien bei Problemen. Seit Beginn des Projektes werden Studientage durchgeführt. Der erste wurde ein Jahr nach Beginn des Projektes initiiert, da dies in der Bewilligung vereinbart war und auch der Dokumentation des Projektverlaufs gegenüber dem Ortsbischof dienen sollte. Der zweite und auch der dritte Studientag fanden auf Bitten der Mitarbeiter statt, die ihrerseits den Wunsch zur Reflexion und Evaluation geäußert hatten.

Im Verlauf des Projekts haben sich immer wieder Veränderungen und Anpassungen ergeben, sodass die Arbeit in einigen Bereichen ausgeweitet wurde, z. B. in der Beratung. Zwar wurde in vielen Orten ein zusätzlicher Bedarf gemeldet, gleichzeitig aber auch darauf hingewiesen, dass die Mitarbeiter keine weiteren Kapazitäten mehr haben. Die Gewinnung neuer Mitarbeiter ist schwierig, weil nur wenige dazu bereit sind, die Arbeit in den Zigeunerdörfern zu leisten. Beim Mitarbeiterstab macht sich inzwischen eine Überlastung bemerkbar, da vielfach auch der Abstand zur Arbeit durch das unmittelbare Wohnen in den Projektorten fehlt.

Insgesamt hat das Projekt die damit verbundenen Erwartungen erfüllt. Dass ein so ambitioniertes Vorhaben auch Schwierigkeiten mit sich brachte, bleibt nicht aus. Mit der erzwungenen Selbstbeschränkung kann jedoch auch eine gewisse Konsolidierung eintreten. Andererseits sind die wirtschaftlichen und die Bildungsprobleme in den Dörfern so groß, dass man Lösungen finden muss.

Zukunft der Projektarbeit in Ungarn

Steigende Preise in Ungarn und abnehmende finanzielle Ressourcen von Renovabis zwingen dazu, die Projektarbeit in Zukunft einzuschränken. Allerdings ist eine positive wirtschaftliche Entwicklung in Ungarn zu erkennen, die es schon heute der Kirche ermöglicht, vieles aus eigener Kraft zu finanzieren. Mit dem weiteren Engagement von Menschen in der Kirche und für die Kirche wird dies in Zukunft noch stärker möglich sein. Dennoch wird Renovabis auch in Zukunft z. B. in der Jugend- und Erwachsenenarbeit, in der Förderung des Laienengagements und in der Aus- und Weiterbildung von Priestern tätig bleiben. Wichtigstes Element der Projektarbeit in Ungarn ist die Programmfinanzierung; in verschiedenen Bereichen (Autos, Schulen, Erwachsenen- und Jugendbildungsarbeit) konnte diese Form der Projektzusammenarbeit eingesetzt werden. Die Förderung der Zigeuner in der Diözese Pécs hat sich zu einem Modellprojekt herausgebildet, das vom Kindergarten bis zum Internat, von der Sozial- bis zur Rechtsberatung nahezu alle Lebensbereiche umfasst. Eine solche Minderheitenförderung ist weiterhin zu unterstützen.

Die meisten innovativen Projekte im Bereich der Laienarbeit, der Jugendarbeit, der Bildungsarbeit und der Minderheitenpastoral werden zwar keine oder nur geringe finanzielle Unterstützung durch die Bischofskonferenz bzw. durch die Ortsbischöfe erhalten. Bei mehreren Projektevaluierungen in den Jahren 2004 bis 2006 hat sich aber herausgestellt, dass die Projekte erfolgreich verlaufen, ohne die finanzielle Unterstützung durch Renovabis einschränken zu müssen.

Renovabis versucht, im Dialog mit den Partnern vor Ort zukünftige Bedürfnisse festzustellen, Prioritäten zu bestimmen und die Arbeit weiterzuentwickeln, wobei der Sozialhirtenbrief (1996) und das Familienhirtenwort der ungarischen Bischöfe (1999) sicher eine wichtige Rolle spielen werden.