Tragische Geschichte und neue Blüte: das Kloster „Johannes der Täufer“ in Moskau

Schwester Tawifa (Isajewa) gehört dem Kloster seit dessen Wiederaufleben an.

Zusammenfassung

Im Beitrag wird die bewegte Geschichte eines der ältesten Frauenklöster im Zentrum Moskaus nacherzählt. Im Mittelpunkt stehen dabei weniger die historischen Abläufe; vielmehr stellt die Autorin einige Nonnen und Geistliche aus dem letzten Jahrhundert vor, von denen viele Verfolgung und Tod erleiden mussten. Ihr Vorbild ist den Schwestern seit der Neugründung des Kllosters Ansporn für ihr Wirken in der modernen russischen Gesellschaft.
Das orthodoxe Frauenkloster „Johannes der Täufer“, mitten in Moskau gelegen, kann auf eine 600jährige wechselvolle, z. T. tragische Geschichte zurückblicken. In der Sowjetzeit wurde das Kloster geschlossen und zweckentfremdet. Seit der Neugründung widmen sich die Schwestern vielfältigen Aufgaben, halten aber auch die Erinnerung an die Zeit der Verfolgung wach.

Ursprünge des Klosters

Das Kloster, das erstmals Anfang des 15. Jahrhunderts erwähnt wurde und dem großen Heiligen geweiht ist, der die Ankunft Christi angekündigt hatte, liegt im historischen Zentrum Moskaus unweit des Kremls. Das Kloster befindet sich im Stadtteil „Beli Gorod“ (zu Deutsch: weiße Stadt) und gab der ganzen Gegend ihren Namen – „Iwanowskaja gorka“ (zu Deutsch: Johanneshügel). Bis heute gibt es viele Erzählungen über dieses alte Kloster Moskaus. Seine Geschichte kann man in drei ungleich lange Perioden einteilen: Das alte Eremiten-Kloster existierte vom 15. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts, das koinobitische (auf Gemeinschaftsleben ausgerichtete) von 1879 bis 1918 und das moderne Kloster besteht seit 1992.

Im Laufe der dreihundertjährigen Geschichte des Klosters führten die Nonnen dort ihr frommes, für die Welt nahezu unsichtbares Leben. Die zwei bekanntesten Persönlichkeiten unter ihnen sind bis heute die selige Nonne Marfa, eine „Närrin in Christo“, und die Einsiedlerin Dosifea.

Während des großen Brandes von Moskau und den Verwüstungen im Krieg des Jahres 1812 wurde das Kloster vollständig zerstört. Es dauerte 40 Jahre, bis man 1859 mit dem Wiederaufbau der Anlage beginnen konnte. Dies ermöglichten vor allem die beiden Witwen Jelisaweta Alexejewna Makarowa-Subachewa und ihre Verwandte Maria Alexandrowna Masurina. Erstere spendete ihr gesamtes Vermögen, letztere engagierte sich 20 Jahre für den Wiederaufbau des Klosters. Der Moskauer Metropolit Filaret (1826-1867 im Amt, seit 1994 Heiliger der Russischen Orthodoxen Kirche) segnete das Vorhaben und unterstützte die Ausführung der Bauarbeiten, die der Archimandrit (Vorsteher) des Nikolo-Ugreschski-Klosters, der heilige Pimen (Mjasnikow), im Jahre 1878 vollendete. Auch heute noch herrscht in der Bevölkerung große Dankbarkeit darüber, dass zwei Heilige bei der Wiedergeburt des Klosters entscheidend mitgewirkt haben.

Blick auf die gesamte Anlage in Moskau mit der 1879 geweihten Hauptkirche1

Aufblühen im 19. Jahrhundert

Im Herbst 1879 wurde das Johannes-Kloster als Kloster mit gemeinschaftlichem Leben wiedereröffnet. Nur knapp 40 Jahre klösterlichen Lebens sollten den Nonnen vergönnt sein, doch in dieser kurzen Zeit erlebte das Kloster einen großen geistlichen Aufstieg. Aus ihm entstammten sieben Äbtissinnen, die zu Bekennerinnen des Glaubens werden sollten.

Die strenge klösterliche Ordnung beruhte auf gemeinsamen Gebeten und striktem Gehorsam. Auch die Mahlzeiten wurden gemeinsam eingenommen. In allem wurde eine streng festgesetzte Ordnung eingehalten. Große Aufmerksamkeit kam auch dem monastischen Wirken zu. Eine neu eingetretene Schwester wurde einer erfahrenen älteren Nonne (Stariza) zugeteilt. Ihr offenbarte man sündhafte Gedanken, und sie gab Anweisungen, wie diese zu bekämpfen wären. So konnte eine Kontinuität des spirituellen Lebens erreicht werden.

Über einzelne Schwestern, die Ende des 19. Jahrhunderts im Johannes-Kloster lebten und nach dessen Schließung während der atheistischen Sowjetzeiten durch die Welt wanderten, haben sich einige Überlieferungen erhalten. Diese Nonnen und Novizinnen waren für andere eine Autorität, ein Beispiel für Frömmigkeit und Herzensgüte. Sie waren es gewohnt, im ständigen Gebet zu leben, wobei ihnen besonders das Jesus-Gebet2 am Herzen lag. Sie zeichneten sich durch besonderen Fleiß, Hilfsbereitschaft und Großzügigkeit aus.

Die ursprüngliche Grundordnung des Klosters hatte nur 25 Nonnen und 25 Novizinnen vorgesehen. Um alle notwendigen Arbeiten für die Organisation des liturgischen und wirtschaftlichen Lebens zu leisten, waren jedoch mindestens zweihundert Personen erforderlich. Nach Angaben der russischen Volkszählung von 1912 lebten mehr als zweihundert Schwestern im Kloster und etwa sechzig auf dem dazu gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb. Fast alle waren als junge Mädchen ins Kloster gekommen.

Wie in anderen Frauenklöstern blühte auch im Johannes-Kloster die Handarbeit als traditionelle klösterliche Tätigkeit auf. In einem Gebäudetrakt waren verschiedene gut ausgestattete Werkstätten eingerichtet, die für die Herstellung von Messgewändern, Kleidern und Schuhen erforderlich waren. Zudem gab es einige Ateliers für Malerei, Goldstickerei und andere künstlerisch hochwertige Produkte.

Über die Äbtissinnen ist nur sehr wenig bekannt. Jede von ihnen trug das Äbtissinnen-Kreuz, da es Gottes Wille war, dass sie für ihre Mitschwestern wie eine Mutter (Matuschka) sein sollten. Erwähnt werden muss als erste Äbtissin Rafaila (Rowinskaja), die zuvor Äbtissin des Boris-und Gleb-Klosters in Anosin gewesen war und von diesem abgelegenen Ort mitten in das Herz Moskaus berufen wurde. Von dort und vom Neujungfrauenkloster in Moskau kamen vierzehn Schwestern in die Neugründung. Symbolisch gesehen bildeten sie den „Sauerteig“, der das Leben des ersten Klosters in Moskau mit Gemeinschaftsverfassung bestimmte. Äbtissin Rafaila wurde nach fünf Jahren in das Himmelfahrtskloster im Moskauer Kreml versetzt, um dort eine ähnliche Gemeinschaft einzurichten.

Unter ihrer Nachfolgerin Mutter Sergija (Smirnowa) begann Anfang der 1890er Jahre der Bau eines landwirtschaftlichen Gebäudes am Rande der Innenstadt, zu dem eine Kirche zu Ehren des heiligen Sergius von Radonesch gehörte. Äbtissin Sergija leitete das Kloster 13 Jahre lang und wurde 1897 in das Alexej-Kloster versetzt. An ihre Stelle trat Matuschka Filareta (Iwanowa), die das Johannes-Kloster bis zu ihrem Tod 1907 leitete. Als letzte Äbtissin wurde eine Kaufmannswitwe namens Epifanija (Mitjuschina) gewählt, eine Nonne des Johannes-Klosters. In ihre Amtszeit fielen die schwierigsten Jahre: die Schließung des Klosters, die Vertreibung und Verhaftung von Schwestern.

Vernichtung des Klosterlebens nach der Oktoberrevolution

Mit der Machtübernahme der Bolschewiki kam es in Russland in allen Lebensbereichen zu Zusammenbruch und Chaos. Die Kirche wurde vom Staat getrennt, das gesamte kirchliche Eigentum wurde enteignet. Am 9. August 1918 wurde das Johannes-Kloster geschlossen, doch das Leben innerhalb der Klostermauern bestand noch bis Ende 1926 fort. Innerhalb des Klosterareals wurde 1919 ein Konzentrationslager eingerichtet („Lager Iwanowo“), in dem vor allem Angehörige des Adels inhaftiert waren.

Den Schwestern verblieben im Klosterbereich vorläufig zwei Kirchen, ein Krankenhausgebäude und zwei Glockentürme zur Nutzung. Dennoch kehrten aufgrund des enormen Raummangels einige zurück in ihre Familien, andere arbeiteten als Dienerinnen in den Familien von Gemeindemitgliedern. Die meisten von ihnen jedoch hatten diese Möglichkeit nicht und lebten somit weiterhin im Kloster, arbeiteten in den Klosterwerkstätten, erhielten städtische und private Aufträge oder bekamen Arbeit in staatlichen Institutionen.

Aufgrund von Forderungen der sowjetischen Regierung wurde 1919 eine neue Kirchengemeinde gegründet, die aus Schwestern und Gemeindemitgliedern bestand. Am 23. April desselben Jahres wurde ein Vertrag über die Übertragung von zwei Kirchengebäuden „zur unbegrenzten Nutzung“ zugunsten der Gemeinde geschlossen. Das Dokument wurde von mehr als 500 Personen unterzeichnet – dadurch war es möglich, die Kirchen zumindest zeitweise vor ihrer Schließung zu bewahren. In den 1920er Jahren zelebrierten zwei Priester Gottesdienste in der Hauptkirche und in der Krankenhauskirche: Vater Alexi Skworzow, der zum Märtyrer werden sollte, und der aus Grodno (Weißrussland) stammende Erzpriester Josef Budelowitsch. Trotz der zunehmenden Bedrängnisse wurde im Klosterbereich noch fast zehn Jahre lang gebetet.

Die Behörden drohten wiederholt, alle Nonnen innerhalb von drei Tagen aus Moskau auszuweisen. Der Schriftverkehr mit den einschlägigen Organisationen wurde von Vertretern kirchlicher Instanzen geführt, unter denen sich besonders drei Nikolais als eifrige Verteidiger hervortaten: Nikolai Kusnezow, Mitglied des Allrussischen Kirchenrates, sein Assistent Nikolai Cholschtschewnikow und Nikolai Wjachirew, Vorsitzender der Pfarrgemeinde. Es wurde eine Kommission gebildet, die den kommunistischen Charakter der Arbeit in der Klostergemeinschaft bestätigte. Letztlich waren die Bemühungen zur Rettung des Klosters jedoch vergeblich. Anfang 1927 wurden seine Kirchen geschlossen, die letzten Bewohner vertrieben und das Kloster vollständig aufgelöst. Auf seinem Territorium befanden sich danach eine Ausbildungsschule der Polizei, eine Druckerei, ein Heizkraftwerk und eine Hochschule des Innenministeriums.

Verfolgung und Martyrium

Die Nonnen zogen in die Ferne, blieben jedoch auch außerhalb der Klostermauern ihren Gelübden treu. In Begleitung der Mutter Äbtissin zogen mehrere Schwestern auf einen Bauernhof, auf dem das Leben der monastischen Gemeinschaft fortgesetzt wurde. Anfang der 1930er Jahre wurden dann 65 Schwestern verhaftet und nach Artikel 58 des Strafgesetzbuches zu Verbannung und Lagerhaft verurteilt. Bei der Verhaftung im Mai 1931 übernahm Mutter Anatolija (Rusanowa) die Verantwortung für alle Schwestern, führte im Vorfeld Gespräche mit ihnen und bereitete sie auf die kommenden Herausforderungen vor: „Die sowjetische Regierung hat uns unser Land weggenommen und das Wahlrecht entzogen“, teilte sie den Schwestern mit, „damit wollen sie das Kloster auflösen und einen Krieg gegen die Religion führen. Wir müssen uns darauf vorbereiten, um alles würdevoll zu ertragen. Aber das, woran wir glauben und wovon wir zutiefst überzeugt sind, wird uns niemand nehmen.“ Das Protokoll ihrer Befragung enthält Worte spiritueller Kraft: „Der Glaube als solcher, der in der menschlichen Seele geschaffen wurde, kann nicht unter denen erschüttert werden, die zuversichtlich und tief glauben ...“

Erst vor kurzem haben wir erfahren, dass Alexandra Kasparowa, eine unserer ehemaligen Novizinnen, heiliggesprochen worden ist. Sie war nach dem Tod ihres Vaters im Alter von etwa 15 Jahren ins Moskauer Johannes-Kloster eingetreten. Nach damaligem Brauch wurden Waisenmädchen in ein Kloster aufgenommen, um ihnen das Lesen und Schreiben, die Gebote Gottes sowie die für das Klosterleben notwendigen Kenntnisse beizubringen. Alle Mädchen lernten zudem Chorgesang und Notenlesen. Nach der Schließung des Klosters arbeitete Alexandra in einer Kirche in Warwarka, nicht weit von ihrem Heimatkloster entfernt. In den 1930er Jahren ließ sie sich mit der Novizin Jewdokia Aleschina im Dorf Dawydkowo nieder. Sie arbeitete in verschiedenen sowjetischen Institutionen und betreute auch die inzwischen schwer kranke Jewdokia. Im August 1937 wurde sie unter dem Vorwand antisowjetischer Agitation verhaftet und zu acht Jahren Haft in einem Zwangsarbeitslager im Ural verurteilt, wo sie 1942 an den Folgen der Haft verstarb.

Auch unsere beiden Märtyrer Priester Alexi Skworzow und Wladimir Smirnow, die früher einfache Kleriker waren und seit ihrer Heiligsprechung zu Schutzheiligen des Klosters geworden sind, sollten nicht vergessen werden. Derzeit befinden sich ihre Ikonen nebeneinander in der Kathedrale, ihre Gebeine hingegen ruhen in den Gräben der Gedenkstätte Butowo-Poligon.3

Ikone der heiligen Alexi Skworzow und Wladimir Smirnow4

Auch ihre Schicksale waren ähnlich. Sie kamen aus priesterlichen Dynastien, ihre Vorfahren waren Landpriester, Diakone und Psalmensänger, ihre Väter studierten in ihrer Jugend in derselben Klasse des Moskauer Priesterseminars. Eine Jugendfreundschaft dauert in der Regel ein Leben lang; anscheinend war dies auch bei ihnen der Fall. Vater Pjotr Skworzow verheiratete seine Tochter mit dem Sohn seines Freundes und arrangierte für seinen Schwiegersohn Wladimir Smirnow eine Stelle als Psalmensänger im Johannes-Kloster, in dem bereits sein Sohn Alexi wirkte. Die jungen Familien der Skworzows und Smirnows wohnten nebeneinander in einem klösterlichen Klerushaus.

1907 wurde der Psalmist Wladimir zum Priester geweiht. Die Wege der Familien trennten sich damals, ihre freundschaftlichen Beziehungen blieben jedoch erhalten. Vater Alexi Skworzow war 30 Jahre lang im Johannes-Kloster tätig, davon 20 Jahre im Rang eines Diakons. Im August 1917 wurde er zum Priester geweiht und betete bis zur Schließung der Kirchen für das untergehende Russland. Nach der Aufhebung des Klosters diente Vater Alexi in Kirchen in Moskau und der Moskauer Provinz. In den 1930er Jahren, während der Massenverhaftungen, wurde er zu fünf Jahren Verbannung in Kasachstan verurteilt. Aus dieser Zeit sind mehrere seiner Briefe erhalten, die dem Kloster von seinem Enkel übergeben worden sind – aus diesen schlichten Zeilen sprechen Liebe, Glaube und Hoffnung auf den Herrn trotz des schweren Schicksals. Vater Alexi wurde im Februar 1938 erneut verhaftet und kurz darauf erschossen.

Zweiter Weltkrieg und Nachkriegszeit: Geistliches Leben unter widrigen Verhältnissen

Das Schicksal der meisten Ordensfrauen und Novizinnen aus jener Zeit ist unbekannt; umso wertvoller sind daher die Erinnerungen einiger von ihnen. Am bekanntesten ist der Lebensweg der Novizin Tatjana Lupanowa (Schwester Eufrosynija). 1931 wurde sie zusammen mit anderen Schwestern für fünf Jahre ins Exil nach Kasachstan geschickt. Der Ort ihres Aufenthalts war die Stadt Semipalatinsk. Sie mietete eine Zimmerecke bei Einheimischen und lebte dort mit zwei oder drei anderen Schwestern. Aus jenen Jahren sind zwei wundervolle Geschichten über das Eingreifen Gottes für die Verbannten erhalten geblieben.

Die Schwestern wurden an einer verlassenen Bahnstation aus dem Zug geworfen, um sie herum war nur Sand. Plötzlich sehen sie eine Frau mit heißem Wasser und Fladenbrot auf sie zukommen. Sie erzählte, dass die Muttergottes ihr nachts erschienen sei und befohlen habe: „Backe Fladenbrot, koche Wasser und bringe es morgen zum Zug, meine Kinder werden kommen!“ Ein anderer Vorfall wurde geradezu zu einem Gleichnis: Vor dem Fest des heiligen Johannes des Täufers bat eine der Schwestern im Gebet den Heiligen, einen Kuchen zum Feiertag zu schicken. Nachts erschien ihr der heilige Johannes und sagte vorwurfsvoll: „Was bittest du mich, den Fastenden, um einen Kuchen? Frag euren Verwöhner, den Nikolaus!“

Nach dem Ende des Krieges aus den Lagern und der Verbannung zurückgekehrt, ließen sich die Schwestern teils in der Moskauer Region, teils in anderen Gebieten nieder und wurden von Vater Ilarion (Udodow) betreut. Er war ein erfahrener spiritueller Betreuer, Beter und in gewisser Weise ein Alleskönner, wofür er von den Einheimischen sehr geschätzt wurde. Gott würdigte diesen alten Mann, während der Kriegsjahre ein großes Heiligtum zu hüten – das Haupt des heiligen Sergius, das anlässlich der Wiedereröffnung des Dreifaltigkeits-Sergius-Klosters 1946 wieder dorthin zurückgebracht wurde.

Vater Ilarion starb 1951 im Alter von 88 Jahren. Mutter Tatjana lebte bis ins hohe Alter im Dienst für die Kirche. Viele Gemeindemitglieder erinnern sich noch heute an ihre Freundlichkeit und ihr Leben erfüllt von Andacht und Gebet. Sie verstarb im Alter von fast 90 Jahren am Karsamstag des Jahres 1967. Auf dem Staromarkowski-Friedhof sind fünf Klostergräber erhalten geblieben – eines von ihnen gehört der Nonne Eufrosynija Lupanowa.

Neubeginn und neue Aufgaben

Mit dem Tod der letzten Schwestern schien die Geschichte des Johannes-Klosters zu Ende zu sein. Es geschah jedoch das Gegenteil: Der Ort des Gebets der Johannes-Schwestern von Iwanowo wurde zum Ort der Bildung der Schwesterngemeinschaft des heutigen Klosters Johannes des Täufers.

1987 wurde der junge Priester Sergi Romanow in die Wladimir-Kirche versetzt. Ihm folgten seine geistlichen Kinder, die zu Gemeindemitgliedern der kleinen Kirche wurden – darunter auch zukünftige Nonnen, die noch nicht wussten, dass sie für einen monastischen Weg bestimmt waren. Sie beteten vor den Ikonen von Iwanowo, hörten Geschichten über verbannte Nonnen und ehrten das Grab von Vater Ilarion. 1991 wurde die Kirche des heiligen Fürsten Wladimir an die Gemeinde von Vater Sergi zurückgegeben. Direkt gegenüber der Straße erhob sich die entstellte Kuppel der Hauptkirche des Johannes-Klosters. Durch die Vorsehung Gottes wurde Vater Sergi mit der schwierigen Aufgabe betraut, nicht nur seine Kirche, sondern auch das alte Johannes-Kloster wiederzubeleben.

Ende 1991 ließ sich Jekaterina Rostkowskaja (heute: Schwester Sofija) als erste in der Klosterkapelle am Heizkraftwerk nieder. Bald darauf schlossen sich ihr Marina Osipowa, die den Grundstein für das Verlagswesen legte, die Ikonenmalerin Margarita Proskurowa und einige andere Frauen an. Nach und nach bildete sich eine Gemeinschaft von insgesamt zehn Schwestern. Unter der geistlichen Führung von Vater Sergi entstand in der Gemeinschaft eine Atmosphäre des Gehorsams und der Bereitschaft zu einem gemeinsamen geistlichen Leben.

Alle jene, die die 1990er Jahre erlebt haben, können sich noch an diese unglaubliche Zeit erinnern: Die Russische Orthodoxe Kirche lebte wieder auf. Zerstörte Kirchen wurden wiederaufgebaut und mit Kreuzen und Ikonen geschmückt. Auch hierher, auf das Gelände des Heizkraftwerks und des Instituts des Innenministeriums, kam das Klosterleben zurück. Nach und nach zogen sich die Organisationen zurück, die die Gebäude der Gemeinde besetzt hatten. 1995 wurde die Hauskirche zur Ehren von Jelisaweta der Wundertäterin eingeweiht. Am 11. August 2000 ließ der Synod wieder die Türen des Johannes-Klosters öffnen. An diesem Tag feiert die Russische Orthodoxe Kirche die Geburt des heiligen Nikolaus – damit wurde die Vorhersage von Nikolai Gurjanow wahr, dass „Nikolaus das Kloster wiedereröffnet“. Während der Osterwoche 2001 begann die Räumung der zweckentfremdeten Hauptkirche, die bis zum Feiertag der Geburt Johannes des Täufers abgeschlossen war; es fanden im gleichen Raum Bauarbeiten und Gebete statt. Seine Heiligkeit Patriarch Alexi II. ernannte im Dezember 2001 Schwester Afanasia (Groschewa) aus dem Mariä-Entschlafungs-Kloster in Püchtitsa (Estland) zur Äbtissin. Die folgenden wichtigsten Ereignisse sind in den Annalen des Klosters verzeichnet, so etwa die ersten Gottesdienste in der Kasaner Kapelle der Hauptkirche im Herbst 2002 und zehn Jahre später ihre große Weihe, die Errichtung eines Hauses für Bedürftige im Dorf Ostrow, die Eröffnung von theologischen Kursen für Nonnen im Jahr 2012 oder die Feier zum 600. Jubiläum des Klosters im Jahr 2015.

Erst vor kurzem wurde eine neue Äbtissin ernannt. Die Ernennung erfolgte am Gedenktag des heiligen Pimen von Ugrescha, der vor genau 140 Jahren die Äbtissin Rafaila (Rowinskaja) auf diesen Posten berufen hatte. Wie kann man bei solch einem Zufall an der Vorsehung Gottes zweifeln? Äbtissin Jelisaweta (Nikischkina) hat ihre klösterliche Schulung im Johanneskloster von St. Petersburg durchlaufen. Seine Heiligkeit Patriarch Kirill trug ihr bei der Weihe auf, die Bemühungen fortzusetzen, das dem Kreml am nächsten gelegene Frauenkloster weiter auszubauen und an diesem historisch bedeutsamen Ort ein Pilgerzentrum zu errichten.

Patriarch Kirill im Kreise der Schwestern5

Der letzte Schritt im Rahmen des Umbaus des historischen Territoriums steht noch bevor: Die Planungen sehen vor, dass die Hochschule des Innenministeriums das Klostergelände 2020 verlassen und in neue Räumlichkeiten umziehen wird. Gleichzeitig ist es wichtig, dass zwischen der Leitung der Hochschule und dem Kloster freundschaftliche Beziehungen bestehen bleiben.

Alle Teilnehmer des heutigen historischen Prozesses verstehen, dass scharfe Wendungen in der Geschichte die Erhaltung unvergänglicher, allgemein menschlicher Werte nicht verhindern können. Bald wird die Zeit kommen, in der nur noch in Museen an das Gefängnis und die übrigen sowjetischen Institutionen erinnert werden wird.

Aus dem Russischen übersetzt von Fedor Pilipenko.


Fußnoten:


  1. Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ivanovsky_Convent01.JPG (Autor: Nikolai Awwakumow). ↩︎

  2. Zur Bedeutung des Herzens- oder Jesusgebets vgl. auch Gregor Hohmann: Reichtum für alle. Die Bedeutung der ostkirchlichen Spiritualität für das westliche Christentum. In: OST-WEST. Europäische Perspektiven 10 (2009), H. 3, S. 203-211, bes. S. 208 f. (der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  3. Vgl. dazu oben S. 15 (der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  4. Die Abbildungen stellte Schwester Anuwia aus dem Kloster zur Verfügung. ↩︎

  5. Das Bild wurde ebenfalls von Schwester Anuwia zur Verfügung gestellt. ↩︎