04. März 2021

Belarus – ein Land zwischen Hoffnung und Resignation

Anmerkungen zum Online-Podium am 2. März 2021

Die digitale Gesprächsreihe 'Listen to the East!' ist eine Kooperation von Renovabis und der Katholischen Akademie in Berlin e.V. (Quelle: Renovabis)

Die OWEP-Redaktion war Partnerin eines Online-Podiums im Rahmen der digitalen Gesprächsreihe „Listen to the East“ zum Thema „Die Kirchen in Belarus – zwischen Politik und Glauben“, bei dem Dr. Alena Alshanskaya und Dr. Yauheniya Danilovich, beide gebürtig in Belarus und in Deutschland als Wissenschaftlerinnen tätig, zu diesen Fragen Rede und Antwort standen. Die Moderation hatte Prof. Dr. Thomas Bremer, Mitglied der OWEP-Redaktion; ca. 130 Interessierte aus ganz Europa hatten sich zugeschaltet.

Belarus, das kleine Land im Osten Europas, gelegen an der Außengrenze der Europäischen Union und gewissermaßen im Vorhof des „großen Bruders“ Russland, hat über Monate hinweg die Schlagzeilen beherrscht. Seit August 2020 versammelten sich in der Hauptstadt Minsk und in vielen anderen Orten Hunderttausende zum Protest gegen das Regime von Alexander Lukaschenko, dem „letzten Diktator“ Europas. Anlass war die ganz offensichtliche Fälschung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahlen, die viele, die das autoritäre System bisher mitgetragen hatten, zur Auflehnung bewog – darunter auch manchen kirchlichen Amtsträger. Was dann folgte, ist bekannt: Das Regime schlug brutal zurück, es gab zahlreiche Verhaftungen, Verletzte und Tote. Führende Köpfe der Opposition sind ins Ausland geflohen, seit Jahresbeginn ist der Elan des Widerstands ganz offensichtlich gebrochen – Belarus ist aus den Schlagzeilen verschwunden.

Wie geht es weiter, und wo stehen die Kirchen, deren Vertreter in den Fernsehbildern immer wieder aufgetaucht sind?

Die Expertinnen kamen zu einem ernüchternden Ergebnis: Die Stimmung in der Bevölkerung ist von Skepsis und Enttäuschung geprägt – Skepsis hinsichtlich der Entwicklung im Land, wo sich das Regime mehr und mehr stabilisiert, und Enttäuschung hinsichtlich Europas, speziell der Europäischen Union, von der man sich mehr Solidarität und Unterstützung gewünscht hätte. Was die Kirchen betrifft, gab und gibt es Unterschiede zwischen „unten“ und „oben“: Viele einfache Geistliche, egal ob orthodox, katholisch oder evangelisch, haben sich in der Oppositionsbewegung aktiv engagiert, hochrangige orthodoxe Geistliche hingegen verhalten sich eher zögerlich, so besonders der neue Metropolit Weniamin. Bei der katholischen Kirche hat sich der langjährige Erzbischof von Minsk Tadeusz Kondrusiewicz mit den Protestierenden solidarisch erklärt, sodass er zunächst fast so etwas wie ein Volksheld über die Konfessionsgrenzen hinweg wurde. Seine unerwartete Emeritierung als Erzbischof hat zu einem schweren Vertrauensverlust bei den Katholiken in Belarus gegenüber dem Vatikan geführt.

Wie sieht die Zukunft des Landes aus, welche Rolle werden die Kirchen einnehmen? Das Bild „Dunkelheit vor Sonnenaufgang“ und der kämpferische Satz „Die Wahrheit wird siegen“ standen am Ende des lebhaften Gesprächs, in das auch zahlreiche Anregungen seitens der Zuhörer einflossen. Die Kirchen in Belarus bleiben weiterhin aufgefordert, auf die Stimme des Volkes zu hören und sich nicht vom Regime vereinnahmen zu lassen. Ebenso darf die Europäische Union, will sie ihrem Selbstverständnis und ihren Werten treu bleiben, Belarus nicht vergessen – und sie darf es auch nicht zugunsten guter Beziehungen zu Moskau opfern, dem eine Schlüsselrolle zur Lösung der verworrenen Lage zukommen wird.

Mehr dazu in der kompletten Video-Aufzeichnung des Online-Podiums.

Dr. Christof Dahm