Der Weiße Berg in Prag – vom Schlachtfeld zur Begegnungsstätte

Schwester Anežka Najmanová OSB gehört der benediktinischen Gemeinschaft Venio an. Sie stellte auch die Abbildung der Klosteranlage zur Verfügung.

Zusammenfassung

Westlich der Prager Burg liegt der Weiße Berg, auf dem sich im Jahr 1620 eine Schlacht zwischen verschiedenen Völkern und Kirchen abspielte, die die tschechische Geschichte stark geprägt hat. In dieser Schlacht hat laut einer Legende eine „höhere Macht“ eingegriffen. Im Jahr 2007 gründeten Benediktinerinnen aus Tschechien und Deutschland dort ein Kloster. Wie gelingt es dieser deutsch-tschechischen Kommunität, die belastete Geschichte des Ortes zu verarbeiten?

Wer wenigstens einmal Prag besucht hat, erinnert sich bestimmt an das ständige Auf und Ab der Prager Hügel und Täler, die der Stadt einen so großen Zauber verleihen. Westlich der Moldau steigt das Gelände allmählich an, was nach einigen Kilometern mit einer Erhebung, dem so genannten Weißen Berg, endet. Die Bezeichnung „weiß“ ist von der Farbe des Gesteins abgeleitet, das hier bereits im Mittelalter für den Bau des romanischen Prag gewonnen wurde, sowie auch von der geografischen Lage als höchst gelegener Ort Prags, wo sich der Schnee am längsten hält.

Auf diesem Berg spielte sich 1620 eine Schlacht ab, die sowohl das Bewusstsein als auch das Unterbewusstsein der Tschechen bis heute prägt. Wenn allerdings heutzutage Tschechen diesen Ort besuchen, kommen viele von ihnen ins Nachdenken. Was genau geschah eigentlich im Jahr 1620 und in den folgenden Jahrhunderten? Was passiert hier jetzt und was wird man an diesem Ort in Zukunft finden?

Böhmen im 17. Jahrhundert – das Schicksalsjahr 1620

Am Übergang vom 16. zum 17. Jahrhundert war die Gesamtsituation in den böhmischen Ländern politisch und religiös kompliziert. In Böhmen regierten die katholischen Habsburger, und bis zum Jahr 1609 waren dort offiziell nur zwei Bekenntnisse erlaubt: Katholizismus und Utraquismus, d. h. eine gemäßigte Ausprägung der Lehre von Jan Hus1, die sich allerdings infolge der Lehren Martin Luthers und Johannes Calvins im 16. Jahrhundert veränderte, was letztlich zur Abspaltung radikalerer protestantischer Strömungen führte. Obwohl die nichtkatholischen Gruppierungen im Königreich Böhmen insgesamt die Bevölkerungsmehrheit bildeten, blieben sie unter sich zerstritten und erlangten keine offizielle Anerkennung.2 Die katholische Seite hingegen gewann zu Beginn des 17. Jahrhunderts wieder an Stärke.

Auf Bitten der überwiegend protestantischen tschechischen Stände erließ Kaiser Rudolf II. im Jahr 1609 den so genannten Majestätsbrief, der allen Bekenntnissen Religionsfreiheit gewährte. Die Spannungen nahmen dennoch weiter zu, besonders nachdem auf katholischen Druck hin zwei in Braunau (Broumov) und Klostergrab (Hrob) nicht genehmigte protestantische Kirchenbauten 1617 abgerissen worden waren. Die Protestanten werteten die Kirchenzerstörungen als Verletzung des Majestätsbriefes und beriefen im Frühjahr 1618 alle Vertreter der Stände zu einer Zusammenkunft nach Prag. Ihre Proteste führten schließlich zum Prager Fenstersturz vom 23. Mai 1618, der letztlich den Dreißigjährigen Krieg auslöste.

Die Schlacht auf dem Weißen Berg und ihre Folgen

Der nächste Schritt des Konflikts kann hier nur sehr gerafft geschildert werden. Nach dem Tod von Kaiser Matthias (1619) folgte ihm der habsburgische katholische Ferdinand II. als Kaiser. Schon 1617 war er König von Böhmen geworden, die protestantischen Stände erkannten ihn jedoch nicht an, sondern wählten 1619 den pfälzischen Kurfürsten Friedrich V., einen überzeugten Calvinisten, zum Gegenkönig, der sie aber in ihren Hoffnungen enttäuschte. Er verfügte über keinen großen Rückhalt in den protestantischen Ländern Europas und brachte darüber hinaus durch sein radikales Vorgehen gegen Symbole des katholischen Glaubens (u. a. Zerstörung des Hauptaltars und Bilder der Jungfrau Maria im Prager Veitsdom) nicht nur die Katholiken, sondern auch gemäßigte Utraquisten und Lutheraner gegen sich auf. Die Situation innerhalb Böhmens war daher im Herbst 1620 durch große Uneinigkeit und Unzufriedenheit auf allen Ebenen gekennzeichnet, als es am 8. November zur Schlacht am Weißen Berg kam, die das Schicksal des Landes entscheidend verändern sollte.

Truppen zahlreicher europäischer Völker standen auf beiden Seiten. Das Heer der böhmischen Stände genoss den Heimvorteil, auf der katholischen Seite lag der Vorteil bei den erfahrenen Kommandanten und der besseren Organisation der Armee. Allerdings sollte man den vielleicht wichtigsten Aspekt des Ausgangs dieser Schlacht nicht außer Acht lassen – ein Wunder, dank dessen der Weiße Berg zu einem Wallfahrtsort wurde.

Der 8. November 1620 war ein Sonntag, und während der heiligen Messe fielen die Worte des Evangelisten Matthäus „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ (Mt 22,21). Doch was war das eigentliche Wunder? Sein Protagonist war der spanische Karmelitermönch Pater Dominicus a Jesu Maria, der in der Kapelle von Stienowitz bei Pilsen (Stěnovice u Plzně) ein Bild der Jungfrau Maria und des heiligen Josef entdeckt hatte, denen Protestanten die Augen ausgestochen hatten. Pater Dominicus hielt es für seine Pflicht, auf diese Entehrung angemessen zu antworten. Es gelang ihm am selben Tag, die versammelten Generäle der katholischen Armee zu einem überraschenden Angriff zu bewegen. Zunächst war das Ständeheer im Vorteil, doch letztlich errang die katholische Seite dank ihrer Übermacht den Sieg. Als König Friedrich die Nachricht über die Niederlage der Stände erreichte, floh er heimlich aus Prag. Schätzungen über die Zahl der Gefallenen dieser Schlacht variieren, man geht jedoch von etwa 5.000 Menschen aus.

Die katholische Seite wertete diesen Sieg in ganz Europa als Wunder. Erst im 19. Jahrhundert setzte sich in Böhmen die Sicht der protestantischen Seite durch, die die Niederlage gleichsam als nationale Katastrophe empfand, deren Hauptfolge „die Zeit der Finsternis“ war, eine erzwungene Rekatholisierung und „Beerdigung des böhmischen Volkes bei lebendigem Leib“3.

Entstehung und Entwicklung des Wallfahrtsortes

Luftaufnahme des Weißen Berges (Foto: Sr. Anežka Najmanová OSB)

Wo sich einst das Schlachtfeld befand, ließ der Prager Erzbischof Johann Lohel 1624 eine Kapelle erbauen, die – obwohl Ziel vieler Pilger – während des Dreißigjährigen Krieges wieder zerstört und erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts erneuert wurde. Zwischen 1704 und 1730 entstand dann eine barocke Kirche in Kreuzform mit einem Zentralaltar. Das Gotteshaus mit dem Patrozinium „Maria vom Siege“ erhielt zusätzlich einen prachtvoll ausgeschmückten Kreuzgang, dessen Fresken das Leben der Jungfrau Maria und Leben, Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi darstellen; außerdem enthalten die Eckkuppeln des Kreuzgangs einen einzigartigen Gemäldezyklus mit Darstellungen von 54 europäischen Marienwallfahrtsorten (Altötting, Mariazell, Tschenstochau usw.). Am Ausbau und an der Verzierung beteiligten sich bedeutende böhmische und deutsche Baumeister, Maler und Bildhauer wie z. B. Christian Luna, Jan Blažej Santini, Kilian Ignaz Dientzenhofer und Cosmas Damian Asam. Auf dem Gelände gab es auch ein Pfarrhaus und ein Haus für Pilger mit anliegendem Garten.

Der lebhafte Betrieb des Wallfahrtsortes dauerte 50 Jahre an, bis Kaiser Joseph II. ihn im Jahr 1787 auflöste und die komplette Kirchenausstattung abtransportieren ließ. 1811 kaufte Josef Čapek, Kanoniker der Allerheiligenkirche auf der Prager Burg, das gesamte Wallfahrtsareal zurück und überschrieb es 1827 dem Benediktinerkloster in Prag-Břevnov. Die Benediktinermönche üben bis heute am Wallfahrtsort auf dem Weißen Berg den geistlichen Dienst aus, unterbrochen nur während der kommunistischen Zeit von 1949 bis 1990. In dieser Zeit, in der die Mȍnche vertrieben waren, übernahmen Diözesanpriester die Seelsorge.

Vorgeschichte der Neugründung des Benediktinerinnenklosters

Nachdem die überwiegend deutschsprachigen Benediktinerinnen von St. Gabriel in Prag-Smíchov im Zusammenhang mit der Entstehung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918 das Land verlassen mussten, gab es im neugegründeten Staat kein Benediktinerinnenkloster mehr.

Als ich 1990 das Benediktinerkloster in Prag-Břevnov kennenlernte und mich diese Spiritualität sehr ansprach, konnte ich als erste Anwärterin in Tschechien nirgendwo eintreten. Mithilfe der Benediktinermönche aus Břevnov wurde Kontakt zur polnischen Abtei Przemyśl geknüpft, die mich im Jahr 1992 als erste Tschechin aufnahm. Gleichzeitig entstand der Gedanke, den weiblichen Zweig dieses Ordens in unserem Land neu zu errichten. Die polnische Gemeinschaft versprach ihre Unterstützung bei einer eventuellen Neugründung in Tschechien. 1999 lebten im polnischen Kloster schon fünf tschechische Schwestern, die mit der Hilfe der tschechischen Benediktiner die ersten Schritte zur Rückkehr des Ordens nach Tschechien unternahmen.

In den Jahren 2003 bis 2004 durchlebten die tschechischen Schwestern eine wichtige Phase und trafen dann eine grundlegende Entscheidung: Die Gründung in Tschechien sollte von der bayerischen Kommunität Venio OSB mit Sitz in München ausgehen.4 Das Leben der Schwestern ist ganz in der benediktinischen Tradition verwurzelt: Sie legen die gleichen Gelübde ab wie die Schwestern in den traditionellen Benediktinerklöstern; die Gemeinschaft pflegt auch den Gregorianischen Choral bei der Liturgie und versucht gleichzeitig, den Menschen in der Großstadt von heute – wie beispielsweise München – entgegenzukommen. Ein wichtiger Aspekt besteht darin, dass Venio manche Elemente des benediktinischen Lebens auf neue Weise verwirklicht: So tragen die Schwestern keinen Habit, lediglich einen Chormantel und Schleier für die Liturgie (Heilige Messe und gemeinsames Chorgebet), auch üben die einzelnen Schwestern ihr labora in verschiedenen zivilen Berufen in der Stadt aus. Jede Schwester arbeitet also in einem anderen Fachgebiet und kommt dadurch mit jeweils anderen Menschen in Kontakt.

Bildet ein solcher Lebensstil eine ideale Lösung für die tschechische – genauer gesagt: die Prager – Gesellschaft und Kirche? Es war notwendig, eine Antwort auf diese elementare Frage zu finden. Welcher Lebensstil soll dem neuen Kloster in Tschechien zugrunde liegen? Von großem Nutzen für die Entscheidung war die Anwesenheit eines „tschechischen Elements“ in der Kommunität Venio in München. So stammte beispielsweise die frühere Priorin Mutter Agape Gensbaur aus Böhmen und war im Jahr 1946 aus Prag vertrieben worden; andere Schwestern hatten z. T. tschechische Vorfahren. Nach gründlichen Überlegungen entschieden sich die tschechischen Schwestern im Advent 2004, ihre Gelübde auf die Kommunität Venio zu übertragen und sich gemeinsam mit ihr auf die Gründung des neuen Klosters in Tschechien vorzubereiten.

Genau damals kamen unsere tschechischen Benediktiner-Mitbrüder mit dem Angebot der Gründung des Benediktinerinnenklosters im Pfarrhaus auf dem Prager Weißen Berg auf uns zu. Nach vierjähriger Vorbereitung in München kam es dann zur Gründung des ersten Klosters dieser Gemeinschaft und damit gleichzeitig zum Wiederbeginn des Lebens von Benediktinerinnen in Tschechien. So wurde der 8. Dezember 2007 ein bedeutender Tag für München und für den Weißen Berg. Mit diesem Tag begann gleichzeitig ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Weißen Berges.

Die Gemeinschaft Venio auf dem Weiβen Berg

Unsere ersten Jahre auf dem Weißen Berg waren geprägt von der Suche nach unserer Identität in einem anderen Land und unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen als bei Venio in München. Es war wichtig zu unterscheiden, welche Erfahrungen und Gewohnheiten wir in Prag übernehmen, welche wir für die tschechische Umgebung anpassen oder gänzlich neu entwickeln müssen. Dadurch unterscheidet sich unser Leben in Prag deutlich vom Leben der Kommunität in München. Das betrifft sowohl unser Chorgebet als auch die Art der Gottesdienstfeiern, die Kontakte zur Pfarrgemeinde oder den Betrieb des Gästehauses. Der größte Unterschied zu München besteht in der Aufgabe der Renovierung des gesamten Areals, von der wir hoffen, dass sie bis zum Jubiläumsjahr 2020 im Wesentlichen abgeschlossen sein wird. Für alle unsere Aufgaben ist es nötig, sie der geringen Anzahl der Schwestern auf dem Weißen Berg anzupassen. Jede von uns macht ein Maximum von dem, was ihren Begabungen am meisten entspricht. Trotzdem bringt unser Leben in Prag viele neue Herausforderungen für jede von uns und auch für unsere ganze Gemeinschaft mit sich.

Unseren Lebensunterhalt bestreiten wir mit gängigen Berufen innerhalb oder außerhalb des Klosterareals. Unsere deutsche Mitschwester Birgitta, die bereits in Rente ist, hilft als ehemalige Psychologieprofessorin auch mit, unsere kleine Gemeinschaft menschlich zu gestalten. Gleichzeitig kann sie in Bezug auf das Leben im Stil von Venio auf wertvolle Erfahrungen aus München zurückgreifen. Ich selbst, Schwester Anežka, von der Ausbildung Bauingenieurin, habe mich nach einigen Jahren Berufstätigkeit aufgrund des großen zeitlichen Aufwands vorerst entschieden, den Beruf aufzugeben, und arbeite Vollzeit in unserem Gästehaus. Schwester Petra studiert im letzten Jahr an der Kunstakademie. Nach dem Studienabschluss wird sie selbstständige Gemälde- und Holzskulpturrestauratorin sein. Schwester Francesca arbeitet für die deutsche ökumenische Organisation ASF (Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e. V.) und kümmert sich jedes Jahr um neue junge Freiwillige aus Deutschland. Das jüngste Mitglied der Prager Gemeinschaft ist die Postulantin Marie, eine Musiklehrerin (für Geige) am musischen Gymnasium in Prag-Žižkov; sie tritt auch mit einigen Ensembles in Tschechien und im Ausland auf.

Die Bedeutung der Liturgie in unserem Tagesablauf

Wir begegnen mehrmals täglich den Worten der Heiligen Schrift, beispielsweise im Chorgebet, bei der Eucharistie oder der lectio divina. Es ist uns wichtig, den Tag mit dem Lobpreis Gottes zu beginnen und abzuschließen. Täglich lernen wir aufs Neue, unser Leben „in der Gegenwart Gottes“ (Regel des Heiligen Benedikt 19,1-2) vom sakralen Raum des Officiums in den profanen Raum des Alltagslebens zu übertragen. Alles, was uns im Laufe des Tages begegnet – sei es gut, schwierig oder ungelöst – dürfen wir in das Gebet einbringen, dessen Form sich seit Jahrhunderten entwickelt hat. Somit können die wichtigsten Erfahrungen des Menschseins in den Psalmen ihren Ausdruck finden. Die Rezitation oder der Gesang dieser Worte befreit die Seele.

Neben dem liturgischen Gebet ist für uns auch das persönliche Gebet in den unterschiedlichsten Formen wichtig. Jede von uns muss für sich selbst die Zeit und Form finden, die ihr Wachstum in der persönlichen Beziehung zu Jesus Christus so ermöglicht, dass der Herr in unserem Leben wirklich an erster Stelle steht. Es hängt von unserer persönlichen Verantwortung und menschlichen Reife ab, wie wir das Ordensleben mit der Arbeit im zivilen Berufen, die häufig hohe Ansprüche an uns stellen, miteinander verbinden. Das persönliche Gebet und die Stille helfen uns dabei, beiden Ansprüchen gerecht zu werden.

Gleichgewicht zwischen Kontemplation und Aktion

Weiterhin sind wir in unserem Leben herausgefordert, ein Gleichgewicht zwischen der Kontemplation und der Aktion, dem Leben in der Gemeinschaft und jenem außerhalb der Gemeinschaft, zu halten. Alle drei Monate nehmen wir uns Zeit, um gemeinsam auf die vergangenen Monate zurück zu blicken, und fragen uns, was gut war bzw. sich nicht bewährt hat und wo unsere Defizite bzw. neue Möglichkeiten liegen. Wir sprechen darüber, was jede von uns für entscheidend hält, und erarbeiten gemeinsam zwei bis drei Aspekte, auf die wir in den folgenden drei Monaten besonders achten wollen. Gerade das kollektive Erkennen von Defiziten zeigt sich als sehr wichtig, um Antworten auf wichtige Fragen zu finden, die das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Bereichen unseres Lebens im Wesentlichen betreffen.

Der Weiße Berg als Ort der Begegnung

Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse versuchen wir, auch unsere Aktivitäten für die Menschen zu planen, die uns als religiösen Ort besuchen, wie auch jene, die eher historische oder kulturelle Interessen mit dem Weißen Berg verbinden. So bieten wir z. B. spirituelle Angebote an ebenso wie Vorträge zu Bildungsthemen und Konzerte unterschiedlicher Art. Jedes Jahr steigt die Zahl der Führungen in deutscher und tschechischer Sprache an. Manche Besuchergruppen zeigen auch Interesse an einem Gespräch mit uns. Andere möchten einfach nur für eine bestimmte Zeit in unserem vor Kurzem neu renovierten Gästehaus verbringen, wo sie dann besonders die Verbindung dieses historischen Ortes mit der Gegenwart überrascht. Ich glaube, dass es uns Schwestern vor allem darum geht, Gott zu suchen und ihn und seine Wirkung nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der Gegenwart wahrzunehmen. Interessant ist, dass dieser Ort heute jede Generation anspricht. Immer wieder finden hier Kunstprojekte statt, bei denen es um Malen, Musik, Theater, Film oder deren Interaktion geht, teilweise auch mit modernen Technologien.

Seit 1999 befindet sich auf dem Areal des Wallfahrtsortes ein Grab mit Gebeinen von 44 Personen, die in der Schlacht auf dem Weißen Berg gefallen sind. 1999 fand erstmals ein ökumenischer Gottesdienst statt. Das ȍkumenische Anliegen gewinnt für uns zunehmend an Bedeutung. 2014 bereiteten wir mit acht verschiedenen Veranstaltungen, u. a. auch im Blick auf eine Neugestaltung des Grabes, einen ȍkumenischen Gottesdienst vor, der in der breiten Öffentlichkeit Beachtung fand. Seither findet jedes Jahr zum Jahrestag der Schlacht ein ȍkumenischer Gottesdienst statt, der von immer mehr Gläubigen besucht wird. Wir erfahren, dass jeder Gottesdienst zu einer größeren Annäherung zwischen den Schwestern und Brüdern anderer Glaubensbekenntnisse führt.

Seit 2014 besuchen uns Vertreter von Traditionsverbänden, die die Erinnerung an die damaligen gegnerischen Truppen wachhalten. Sie organisieren jedes Jahr auf dem nahegelegenen ehemaligen Schlachtfeld eine Rekonstruktion der Schlacht auf dem Weißen Berg. Die Begegnung mit diesen Soldaten und ein gemeinsames Gebet am Grab der Gefallenen aus dem Jahr 1620 ist für mich jedes Mal ein unvergesslicher Augenblick und auch ein Symbol für Versöhnung.

Aus dem Tschechischen übersetzt von Michaela Götz.

Der Weiße Berg (tschechisch Bílá Hora) liegt am westlichen Stadtrand von Prag und bildet mit 379 Metern Höhe die höchste Erhebung der Stadt. Die Herkunft des Namens ist unklar (Bezug auf das helle Gestein oder auch auf den Schnee im Winter). Bedeutung kommt dem Weißen Berg besonders durch die Schlacht vom 8. November 1620 und deren Nachwirkungen zu.


Fußnoten:


  1. Einige Hinweise zur komplizierten konfessionellen Lage in Böhmen bietet z. B. Tobias Weger: Tschechien – ein historischer Abriss. In: OST-WEST. Europäische Perspektiven 13 (2012), H. 4, S. 242-250, bes. S. 246-248 (der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  2. Eine ausführliche Darstellung bietet die Monografie des französischen Historikers Olivier Chaline: Bílá Hora. Prag 2013, die der folgenden Darstellung in weiten Teilen zugrunde liegt (Ersterscheinung 2000 unter dem Titel: „La bataille de la Montagne-Blanche, un mystique chez les guerriers“). ↩︎

  3. Chaline (wie Anm. 2), S. 61 (übersetzt aus dem Tschechischen). ↩︎

  4. Ausführliche Hinweise zur Entstehung und zum Ordensleben der Gemeinschaft Venio in München und Prag finden sich unter http://www.venio-osb.org/↩︎