Ein spannungsreiches Verhältnis: Österreich und die Kärntner Slowenen

aus OWEP 2/2017  •  von Danijel Grafenauer

Dr. Danijel Grafenauer ist Mitarbeiter des Instituts für Ethnische Studien (Inštitut za narodnostna vprašanja) in Ljubljana. In seiner 2009 erschienenen Dissertation hat er sich ausführlich mit der Geschichte der slowenischen Minderheit in Österreich befasst.

Zusammenfassung

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Grenzziehung zwischen der Republik Österreich und Jugoslawien verblieb in Kärnten eine nicht unbedeutende slowenische Minderheit, deren Volksgruppenrechte bis heute trotz verschiedener Abkommen und Regelungen nicht eindeutig geklärt sind. Der Beitrag informiert über die Phasen der konfliktreichen Geschichte und kommt zu dem Ergebnis, dass die Slowenen in Österreich mit Blick auf die neuesten Entwicklungen Grund zu verhaltenem Optimismus haben dürfen.

Einleitung

Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erwähnte im Vorwort zum 2002 erschienenen Sammelband „Avstrija – Slovenija“, der darauf abzielte, die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarländern in der Vergangenheit zu bewerten und noch offene Herausforderungen für die Zukunft zu definieren, die ausgezeichnete Verbundenheit und Zusammenarbeit zwischen der Republik Slowenien und der Republik Österreich sowie die lebendigen bilateralen Beziehungen seit der Erlangung der Unabhängigkeit Sloweniens. Dennoch bestünden zwischen den beiden befreundeten Staaten gewisse „Störungen“, die jedoch leicht aus dem Weg zu schaffen seien. Der damalige slowenische Staatspräsident Janez Drnovšek hob die „slowenische Minderheit“ als bestimmenden Faktor dafür hervor, dass Österreich für Slowenien ein wichtiger Partner sei, und betonte außerdem die zukünftige Integration Sloweniens in das europäische Netzwerk. Die beiden Staatsmänner stellten also ganz klar die Interessen ihrer Länder in den Vordergrund. Für ein besseres Verständnis der genannten politischen Ziele beider Staaten ist jedoch die Darstellung einiger historischer Fakten notwendig.1

Noch heute bestehen bis zu einem gewissen Grad Stereotype, deren Ursprünge bis in das 19. Jahrhundert zurückreichen. So sieht der deutsch-österreichische Blick in den Slawen (auch in den Slowenen) ein Volk von Knechten, was heute in einem gewissen Misstrauen gegenüber den südlichen Nachbarn zum Ausdruck kommt. Dieses Fremdbild korreliert wiederum mit dem Autostereotyp der Slowenen als unterdrücktes Volk mit ruhmvoller Geschichte (karantanisches Fürstentum). Die feindselige Einstellung gegenüber den Deutschen und deren negatives „Image“ innerhalb des slowenischen historischen Bewusstseins sind das Resultat einer nationalistischen Geschichtsbetrachtung. Tatsache ist, dass sich dieses Bild in letzter Zeit wandelt. Neben der Geschichte der Slowenen wird nun auch die Geschichte des slowenischen Siedlungsgebietes in den Vordergrund gerückt, in der es unterschiedliche Identitäten gab und gibt; die slowenische ist dabei nur eine von ihnen.2

Aus historischen Gründen wurden die „Deutschösterreicher“ zum schicksalhaften Gegner des slowenischen Volkes erklärt, was im Zweiten Weltkrieg mit dem Überfall auf Jugoslawien und der Besetzung des jugoslawischen Slowenien durch Hitler-Deutschland seinen Höhepunkt erreichte, wobei die Österreicher im Besatzungsregime eine bedeutende Rolle spielten. Auch wenn der Kärntner slowenische Historiker Andreas Moritsch im Jahr 2002, als die Idee des geeinten Europa und der europäischen Integration im Mittelpunkt standen, meinte, dass die nationalen Geschichtsschreibungen und Nationalstaaten „Auslaufmodelle“ seien, scheint dies bis heute noch nicht der Realität zu entsprechen. Für Slowenien kann bereits festgehalten werden, dass es – geprägt durch Vorurteile und sein Verständnis von Nation – so geformt wurde, dass es insbesondere in den deutschsprachigen Österreichern und Italienern seine Gegner / Feinde sah, die mit ihrer nationalen Politik unmittelbar in beide konstitutiven Elemente der slowenischen Nation eingriffen – in den slowenischen ethnischen Raum und die slowenische Sprache. Diese historischen Bilder wurden zwar inzwischen etwas relativiert, in der slowenischen nationalen Ideologie sind sie jedoch immer noch anzutreffen. Es ist durchaus verständlich, dass wir Slowenen damit größere Schwierigkeiten haben als andere, schließlich besteht die volle Souveränität unseres Staates erst seit gut 25 Jahren. Bis zu einem gewissen Ausmaß hat man diese Probleme auch in Österreich, denn auch die österreichische Nation zählt zu den jüngsten Nationen Europas. Sie entstand erst im Zuge des Emanzipierungsprozesses von der deutschnationalen Vergangenheit, der noch immer nicht zur Gänze abgeschlossen ist.3

Das Beispiel der Kärntner Slowenen

Die Kärntner Slowenen waren bis zum Jahr 1918 Teil des gesamtslowenischen politischen Geschehens. Sie gestalteten das erste slowenische Programm der „Zedinjena Slovenija“ („Vereintes Slowenien“) grundlegend mit (Matija Majar-Ziljski). Nach zahlreichen Enttäuschungen begannen sie, sich in einem immer dichter werdenden Netzwerk von Vereinen und Genossenschaften zu organisieren, welche in das slowenische nationale Netzwerk mit Zentrum in Ljubljana integriert wurden. Im Herbst 1917 beteiligten sie sich aktiv an der Deklarationsbewegung für die Gründung eines Staates der Südslawen, im August und September 1918 auch an der Errichtung des Nationalrates in Ljubljana und seiner regionalen Abteilung in Klagenfurt.

Nach dem Jahr 1918, nachdem das nationale Prinzip in Mittel- und Osteuropa gesiegt hatte und die Slowenen aus dem „Völkerkerker“, als welchen die Mehrheit der slowenischen Intellektuellen das ehemalige Österreich-Ungarn betrachtet hatte, befreit waren, begannen sich die österreichisch-jugoslawischen (slowenischen) Beziehungen im Rahmen der neuen Gegebenheiten zu definieren. Einer „normalen“ Entwicklung der zwischenstaatlichen Beziehungen stand dabei ein bedeutendes Hindernis im Weg: die Kärntner Volksabstimmung am 10. Oktober 1920.4

Deren Ergebnis und der darauf folgende Verlust „Karantaniens als Wiege des slowenischen Volkes“ leisteten einen bedeutenden und schicksalhaften Beitrag zum Aufbau des kollektiven Bewusstseins der Slowenen, in welchem diese Niederlage als nationale Katastrophe und der Germanisierungsdruck der Kärntner Landespolitik auf die slowenische Volksgruppe in Kärnten als himmelschreiendes Unrecht definiert wurden. Von großer Aussagekraft waren dabei auf beiden Seiten die so genannten Volksabstimmungsfeiern, durch welche eine Erinnerungskultur aufgebaut und kontextualisiert wurde.5 Die Kärntner Slowenen waren im Bewusstsein der damaligen Bevölkerung des jugoslawischen Slowenien als Brüder repräsentiert, denen es noch nicht gelungen war, sich von der „tausendjährigen deutschen Vorherrschaft“ zu befreien, während man Österreich als deutschen Staat nationaler Ausrichtung auffasste. Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Unterzeichnung des Staatsvertrages betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich (in weiterer Folge Staatsvertrag), der Abschaffung der verpflichtenden zweisprachigen Volksschule in Südkärnten 1958, dem „Ortstafelsturm“ 1972 sowie der „Volkszählung der besonderen Art“ 1976, die auf die Feststellung der Anzahl der Angehörigen der slowenischen Volksgruppe in Kärnten bzw. in Österreich abzielte, steigerte sich das Misstrauen der Slowenen dies- und jenseits der Karawanken nur noch.6

Ihren Teil zu diesen Einstellungen trugen in der österreichisch-ungarischen Monarchie und später einige deutsche Denker und Autoren mit ihrem paternalistischen und gönnerhaften Zugang zu den „Problemen eines kleinen Völkchens“ bei, das dazu bestimmt sei, „unter dem Einfluss des deutschen Geistes zu leben und zu gedeihen“. Gesellschaftliche Organisation, Macht und Kultur sollten demnach ein Privileg der Deutschen bleiben. Zählt man dann noch die deutsche Sorge um die „bedrohten Brüder“ im Süden, in den Städten der Regionen Kranj (Oberkrain), Štajerska (Untersteiermark) und Primorska (Küstenland) sowie die Folgen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, als die „deutsche Südgrenze“ von den „Jugoslawen“/Slowenen bedroht wurde, hinzu, so erhält man zahlreiche, auf die Gegenwart übertragbare traumatische Geschichten von Einzelpersonen, Personengruppen und schließlich der Gesellschaft bzw. Nation, die in gewissen Situationen mit aller Kraft an die Oberfläche dringen.7 Es ist aber festzustellen, dass nach dem Zerfall Jugoslawiens das unabhängige Slowenien und Österreich ihre zwischenstaatlichen Beziehungen neu aufzurollen begannen – zumindest schien es in den Jahren des Umbruchs 1991 und 1992 so. Gerade diese Unterstützung vonseiten Österreichs und insbesondere die Bemühungen des damaligen Außenministers der Republik Österreich, Alois Mock, sind der slowenischen Bevölkerung in angenehmer Erinnerung geblieben.8

Die Bevölkerungsstruktur des heutigen slowenischen ethnischen Gebiets, das in alle vier Nachbarländer hineinreicht, ist das Resultat historischer Entwicklungen. Die Bevölkerungszahlen der slowenischen Volksgruppen in den autochthonen Siedlungsgebieten der Nachbarländer sind konstant rückläufig – in erster Linie aufgrund von Assimilation, teilweise aber auch wegen der Absiedlung aus ländlichen Gebieten und Grenzregionen. In Kärnten hat sich durch die Urbanisierung und Suburbanisierung das traditionelle Siedlungsmodell der Slowenen von einem vorwiegend bäuerlichen und ländlichen in ein nichtbäuerliches gewandelt. Diesen Wandel bezahlte die Minderheit mit einem hohen Maß an statistischer und tatsächlicher Assimilation. Das Gros der autochthonen slowenischen Volksgruppe lebt in den südlichen Teilen Kärntens, ein kleinerer Teil auch in der Steiermark. Laut Experten leben in Kärnten zwischen 30.000 und 40.000 Slowenen, in der Steiermark sind es rund 1.500. Einige slowenische und österreichische Forscher gehen davon aus, dass die Zahl der slowenisch sprechenden Bewohner in Österreich um einige Zehntausend höher liegt, nämlich zwischen 40.000 und 60.000.9

Die Minderheitenfrage ist als Teil der nationalen Frage ein bedeutendes Kennzeichen der slowenischen Geschichte nach dem Ersten Weltkrieg bis heute. Es ist völlig klar, dass die österreichische Politik noch nicht die Kraft aufgebracht hat, den Artikel 7 des Staatsvertrages, in welchem die Minderheitenrechte der Kärntner Slowenen festgehalten sind, zur Gänze umzusetzen. Dass trotz der am 27. Juli 2011 in Wien verabschiedeten Novellierung des Volksgruppengesetzes im Verfassungsrang und des vorangegangenen Kompromisses zwischen Vertretern der Kärntner Slowenen und der österreichischen Bundes- sowie der Kärntner Landesregierung „die Lösung des Artikel 7 des Staatsvertrages“ in Kärnten noch nicht vollzogen ist, bestätigt auch der bekannte Kärntner Jurist Rudi Vouk.

Der „historische Kompromiss“ bezüglich der zweisprachigen Ortstafeln vom 26. April 2011

Über den durch das Memorandum10 genau geregelten „historischen“ Kompromiss berichteten praktisch alle österreichischen Medien. Mit welch schwerer Entscheidung sich die Vertreter der Kärntner Slowenen 55 Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrages konfrontiert sahen, davon zeugen die Worte eines der politischen Vertreter der drei Dachverbände11 der Minderheit, des Vorsitzenden des Rates der Kärntner Slowenen (Narodni svet koroških Slovencev, NSKS), Dr. Valentin Inzko, der in einer Kärntner Regionalzeitung unter anderem Folgendes äußerte: ... Die gegenwärtige Regelung ist ein Maßnahmenpaket, das für das Überleben der Volksgruppe von entscheidender Bedeutung ist. Wir sind bereit, die gegenwärtige Regelung mitzutragen und uns aktiv an ihrer Verwirklichung zu beteiligen. Ich glaube, dass die Volksgruppe damit über ihren eigenen Schatten gesprungen ist, um dem Land etwas Gutes zu tun. Es geht um ein neues Kärnten – wir wollen die Kräfte wecken, die in Kärnten schlummern ...12

Das Memorandum enthält 164 zweisprachige Ortstafeln und die so genannte Öffnungsklausel, eine Bestimmung darüber, dass die Gemeinden bei ausreichender Unterstützung vonseiten der Bürger eigenständig zusätzliche zweisprachige Ortstafeln aufstellen können. Vorgesehen war auch die Einrichtung eines Dialogforums, das unter Zusammenarbeit aller Partner die besten Lösungen für die Volksgruppe und das zweisprachige Gebiet ausfindig machen sollte. Dieses Forum tagte inzwischen schon mehrmals, wobei für einige Bereiche (z. B. die slowenische Musikschule) bereits gewisse Lösungsformen gefunden wurden, in anderen Fragen (zweisprachige Erziehung, zweisprachiges Schulwesen, bestimmte wirtschaftliche Fragen, Kultur) jedoch noch nach Kompromissen gesucht wird, die auch für die Kärntner Slowenen akzeptabel wären.

Weil das Annahmeverfahren der Novellierung des Volksgruppengesetzes im Verfassungsrang in Wien für viel Kritik in Ljubljana sorgte, organisierten die Juridische Fakultät der Universität Ljubljana, die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien und das Österreichische Volksgruppenzentrum auf Initiative des Minderheitenforums des Verbandes der juristischen Vereine Sloweniens einen runden Tisch zum Thema „Erfüllung der Verpflichtungen der Republik Österreich gemäß Artikel 7 des Staatsvertrages zur Regelung der Frage der slowenischen und kroatischen Minderheit“. Das Ergebnis dieses runden Tisches waren zwei Empfehlungen an den Nationalrat der Republik Österreich, die vorgeschlagene Lösung bezüglich der Amtssprache und der zweisprachigen Topographie nicht in den Verfassungsrang zu erheben; außerdem seien ganzheitliche Gesetzesmaßnahmen für den Schutz der Volksgruppen nötig. Eine Expertengruppe österreichischer Juristen hatte zuvor einen ganzheitlichen Vorschlag für ein neues Volksgruppengesetz ausgearbeitet, der bereits im Jahr 2009 dem Nationalrat übermittelt wurde.13 Der Kärntner slowenische Jurist Rudi Vouk stellte in seiner Analyse fest, dass das im Juli 2011 in Kraft getretene Volksgruppengesetz die Minderheitenproblematik nicht in ihrer Gänze regle; vielmehr sei es nicht im Sinne und Geiste derartiger Bestimmungen verfasst, sodass es sich dabei letztlich nicht um eine Ausweitung, sondern um eine Einschränkung der Minderheitenrechte handle. Außerdem schneidet er das Problem des zweisprachigen Bevölkerungsanteils innerhalb einer Gemeinde an, der für die Aufstellung einer zweisprachigen Ortstafel 17,5 Prozent betragen muss usw. Vouk stellt fest, dass Österreich mit einem solchen Gesetz, das klar der österreichischen Rechtsordnung und dem Gleichheitsprinzip widerspräche (als Beispiel dafür nennt er die Amtssprachenregelung in Eberndorf/Dobrla vas und St. Kanzian/Škocjan), auch weiterhin der Kritik internationaler juristischer Foren ausgesetzt sein werde.14

Heute kann bereits festgehalten werden, dass das Gesetz zu einem Großteil das Resultat eines Dialogs in Kärnten darstellt, der in den 1970er Jahren von Dr. Valentin Inzko und der Diözese Gurk initiiert und ab dem Jahr 2005 von der so genannten Konsensgruppe fortgesetzt wurde.15 Tatsache ist jedoch auch, dass bis heute noch keine zusätzliche Ortstafel aufgestellt wurde, obwohl die Gemeinden die Möglichkeit hätten, dies zu tun. Es stellt sich die Frage, wie die Wünsche der aktuellen Kärntner Landesregierung, Kärnten bis zum Jahr 2020 zu einem Land der Toleranz und Zusammenarbeit, zu einem Land der Hoffnung und Perspektive zu machen, so verwirklicht werden sollen.

In den letzten Monaten hätte die Reform der Kärntner Landesverfassung eine neue Gelegenheit geboten, einige noch offene Fragen bezüglich der Kärntner Slowenen vor allem auf symbolischer Ebene etwas freundlicher zu regeln. Die derzeitige Regierungskoalition in Klagenfurt (bestehend aus der SPÖ, den Grünen und der ÖVP) wollte sich dieser Frage annehmen, indem die slowenische Volksgruppe in Kärnten zumindest auf symbolischer Ebene in der Kärntner Landesverfassung erwähnt wird. Leider hat sich die Sache wieder verkompliziert, da nun die ÖVP als Bedingung für die Erwähnung der slowenischen Volksgruppe fordert, Deutsch als alleinige Landessprache festzuhalten. Dadurch sind die Emotionen erneut auf beiden Seiten hochgekocht.16 In Slowenien wurde die von einem Teil der Zivilgesellschaft ausgehende Initiative zur Feststellung der Rechtsnachfolge Jugoslawiens im Österreichischen Staatsvertrag wieder aktiviert.17 Zahlreiche bekannte Sloweninnen und Slowenen unterstützen diese Feststellung der Rechtsnachfolge.

In letzter Zeit sind dabei vor allem drei Initiativen hervorzuheben:
* Die erste trägt den Namen „Zavezništvo za notifikacijo nasledstva ADP“ (Bündnis für die Notifizierung der Rechtsnachfolge des Österreichischen Staatsvertrages) und vereint bereits 87 zivilgesellschaftliche Organisationen mit insgesamt mehr als einer Viertel Million Mitgliedern. Organisator dieser Initiative ist Rastko Plohl.18 * Die zweite Initiative ist das Werk zweier angesehener slowenischer Juristen, des bereits verstorbenen Dr. France Bučar und Dr. Ivan Kristan.19 * Die dritte umfasst einen Vorschlag des Minderheitenforums des Verbandes der juristischen Vereine Sloweniens, das der Regierung und dem Nationalrat der Republik Slowenien vorgeschlagen hat, der Republik Österreich in einer diplomatischen Note mitzuteilen, dass die Republik Slowenien als Rechtsnachfolgerin der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ), die dem Staatsvertrag 1955 beitrat, „auf der historischen Interpretation und der konsequenten Umsetzung des Artikels 7 des Staatsvertrages beharrt, zumindest gemäß den Maßstäben und der Methodologie des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes, und die Signatarstaaten des Staatsvertrages darüber in Kenntnis setzen soll“. Ebenso schlugen sie vor, „dass der Nationalrat der Republik Slowenien die Regierung der Republik Slowenien beauftragt, alle notwendigen Unterlagen und Dokumente für die Notifizierung der Rechtsnachfolge der ehemaligen SFRJ beim Depositar des Staatsvertrages einzureichen, dazu ist sie in ihrem besonderen Interesse als Nachfolgerin der SFRJ (und früher der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien) gesetzlich berechtigt und laut Artikel 5 der Verfassung der Republik Slowenien gegenüber der slowenischen Minderheit in der Republik Österreich sogar verpflichtet“.20

Ein zusätzliches Hindernis oder aber eine Möglichkeit für noch bessere zwischenstaatliche Beziehungen stellt die Regelung des Status der deutschsprachigen ethnischen Minderheit in Slowenien dar. Die erste Phase in der Regelung dieser Frage endete symbolisch im Jahr 2001 mit der Unterzeichnung des Kulturabkommens zwischen Slowenien und Österreich, das sich in Artikel 15 auch auf die Einbeziehung von Kultur-, Bildungs-, Wissenschafts- und anderen Projekten der deutschsprachigen Bevölkerungsgruppe in Slowenien in die zwischenstaatlichen Beziehungen bezieht. Außerdem sind für Angehörige anderer Volksgruppen einige Rechte in der Verfassung der Republik Slowenien (Art. 14, 61 und 62) verankert. Die Wünsche und Forderungen einiger Vertreter der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien gehen zwar noch weiter, die Republik Slowenien hat sich dieser Frage jedoch bis heute noch nicht angenommen.21

Abschließende Bemerkungen

Ungeachtet unzähliger Hindernisse und einiger positiver Fortschritte in der Regelung der Frage der slowenischen Volksgruppe in der Republik Österreich bleiben die Probleme der Kärntner Slowenen, ihr Status und ihre Minderheitenrechte in den Augen der interessierten Öffentlichkeit und somit auch der slowenischen Politik relativ wichtig. Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten und Völkern sind gut, die wirtschaftliche Zusammenarbeit wird von Jahr zu Jahr stärker, die Länder arbeiten auf regionaler Ebene gut zusammen, und offene Fragen werden im Dialog gelöst. Noch nie in der Geschichte hatten die Kärntner Slowenen eine Landesregierung, die ihnen wohlgesonnener gewesen wäre als die jetzige unter der Führung von Landeshauptmann Peter Kaiser. Aber reicht das, um alle offenen Fragen zu lösen? Einige Resultate sind bereits sichtbar, auf andere warten die Kärntner Slowenen noch. Nun gilt es, die Arbeit mit Optimismus und im Dialog fortzusetzen.


Fußnoten:


  1. Wolfgang Schüssel: Skupaj v evropsko prihodnost. (Gemeinsam in die europäische Zukunft). In: Ferdinand Mayrhofer-Grünbühel, Miroslav Polzer (Hrsg.): Avstrija-Slovenija: Preteklost in sedanjost. (Österreich-Slowenien: Vergangenheit und Gegenwart). Ljubljana/Klagenfurt 2002, S. 7-19. ↩︎

  2. Ernst Bruckmüller: Nacionalni stereotipi med sosedi. In: Avstrija-Slovenija (wie Anm. 1), S. 31-33. Vgl. ders.: Nationale Stereotypen unter Nachbarn. In: Europäische Rundschau. Österreich-Slowenien: Vergangenheit und Gegenwart 29 (2001), H. 1, S. 41-47; Peter Štih: Nacionalizacija zgodovine in nastanek sovražnih predstav o sosedih: Slovensko-nemški (avstrijski) primer. (Die Nationalisierung der Geschichte und die Entstehung feindlicher Vorstellungen von den Nachbarn: Das slowenisch-deutsche (österreichische) Beispiel). In: Avstrija-Slovenija (wie Anm. 1), S. 45. ↩︎

  3. Andreas Moritsch: Dva različna načina pojmovanja naroda. (Zwei unterschiedliche Auffassungen von Nation). In: Avstrija-Slovenija (wie Anm. 1, oben S. 133), S. 81-88; Gerald Stourzh: Vom Reich zur Republik. Studien zum Österreichbewußtsein im 20. Jahrhundert. Wien 1990, S. 101-109. ↩︎

  4. Danijel Grafenauer: Volksabstimmung, Kärntner. In: Katja Sturm-Schnabl, Bojan-Ilija Schnabl (Hrsg.): Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška. Von den Anfängen bis 1942. Wien/Köln/Weimar 2016, Bd. 3: PO-Ž, S. 1436-1441. ↩︎

  5. Danijel Grafenauer: Volksabstimmungsfeiern als Teil der Erinnerungskultur und Schaffung eines kollektiven Bewusstseins. Legenden und Mythen, Geschichtsschreibung, Märchen? In: Jürgen Pirker (Hrsg.): Kärnten und Slowenien: getrennte Wege – gemeinsame Zukunft: Jugend zwischen Heimat, Nation und Europa. (Schriftenreihe der Europäischen Akademie Bozen, Bereich „Ethnische Minderheiten und regionale Autonomien“, Bd. 29). Baden-Baden 2015, S. 101-109. ↩︎

  6. Janko Pleterski: Manjšinska zakonodaja na Koroškem po drugi svetovni vojni. (Die Minderheitengesetzgebung in Kärnten nach dem Zweiten Weltkrieg). In: Razprave in gradivo 1960 (2), S. 7-99; Martin Pandel (u. a.) (Hrsg.): Ortstafelkonflikt in Kärnten – Krise oder Chance? Wien 2004; Matjaž Klemenčič, Vladimir Klemenčič: Die Kärntner Slowenen und die Zweite Republik. Zwischen Assimilierungsdruck und dem Einsatz für die Umsetzung der Minderheitenrechte. Klagenfurt/Ljubljana/Wien 2010, S. 165-197. ↩︎

  7. Vgl. Arnold Suppan: Die österreichischen Volksgruppen. Tendenzen ihrer gesellschaftlichen Entwicklung im 20. Jahrhundert. Wien 1983, S. 175-212; Dušan Nećak (u. a.) (Hrsg.): Slovensko-avstrijski odnosi v 20. stoletju/Slowenisch-österreichische Beziehungen im 20. Jahrhundert (Historia 8). Ljubljana 2004. ↩︎

  8. Martin Eichtinger, Helmut Wohnout: Alois Mock. Politik piše zgodovino. (Alois Mock. Ein Politiker schreibt Geschichte). Klagenfurt 2012, S. 224-249. ↩︎

  9. Vgl. Danijel Grafenauer: Die Slowenen im vereinten Europa: historische Erfahrungen und Entwicklungschancen der slowenischen Volksgruppen. In: Peter Karpf (u. a.) (Hrsg.): Sind wir alle Europäer oder ist noch Platz für Volksgruppen? (Kärnten Dokumentation, Bd. 26). Klagenfurt. Amt der Kärntner Landesregierung. Abteilung 1 /Landesamtsdirektion. Volksgruppenbüro 2010, S. 24-39 (slowenische Fassung: S. 40-53). ↩︎

  10. Memorandum betreffend zweisprachige „topographische Aufschriften“, die Amtssprache sowie Maßnahmen für die Zusammenarbeit mit der slowenischsprachigen Volksgruppe, 26.04.2011. – Berichte z. B.: Einigung nach 7 Stunden Poker. Lösung im Streit um Kärntner Ortstafeln: „Österreich“. 27.04.2011, S. 1, 10, 15; Nach 56 Jahren Streit trafen sich Vertreter von Slowenen, Regierung und Land Kärnten zur finalen Runde: Zähe Verhandlungen bis zur letzten Ortstafel: „Der Standard“. 27.04.2011, S. 10, 40. ↩︎

  11. Neben dem Vorsitzenden des NSKS besteht die politische Vertretung der slowenischen Volksgruppe in Kärnten noch aus Dr. Marjan Sturm, dem Vorsitzenden des Zentralverbandes slowenischer Organisationen (Zveza slovenskih organizacij, ZSO) und Bernard Sadovnik, dem Vorsitzenden der Gemeinschaft der Kärntner Slowenen und Sloweninnen (Skupnost koroških Slovenk in Slovencev, SKS). ↩︎

  12. Keine Sieger, keine Verlierer: „Kärntner Tageszeitung“, 27.04.2011, S. 4. ↩︎

  13. Feststellungen, Standpunkte und Vorschläge zum Regierungsentwurf des „Bundesgesetzes über Änderungen im Volksgruppengesetz“, verabschiedet beim runden Tisch „Erfüllung der Verpflichtungen der Republik Österreich gemäß Art. 7 zur Regelung der Frage der slowenischen und kroatischen Minderheit“, der von den Juridischen Fakultäten der Universität Ljubljana und der Universität Wien in Zusammenarbeit mit dem Minderheitenforum des Verbandes der juristischen Vereine Sloweniens und dem Österreichischen Volksgruppenzentrum organisiert wurde. Wien, 27.06.2011. ↩︎

  14. Rudi Vouk: Zakon o narodnih skupnostih – rešitev? (Das Volksgruppengesetz – eine Lösung?). In: Koledar Mohorjeve družbe v Celovcu za prestopno leto 2012. Klagenfurt 2011, S. 29-39. ↩︎

  15. Vgl. Josef Feldner, Marjan Sturm: Kärnten neu denken. Zwei Kontrahenten im Dialog. Klagenfurt 2007. ↩︎

  16. Z. B. Andrea Bergmann: Kärntner Landesverfassung wird zum Streitfall mit Slowenien: „Kleine Zeitung“. 21.02.2017 (Online-Quelle: http://www.kleinezeitung.at/politik/aussenpolitik/5172628/LH-Kaiser-in-Slowenien_Verfassung-wird-zu-Streitfall-mit-Slowenien; letzter Zugriff: 28.10.2020); Antonia Gössinger, Borut Pahor: Kompromiss sollen alle tragen können: „Kleine Zeitung. 12.03.2017 (Online-Quelle: http://www.kleinezeitung.at/kaernten/5182329/ Klagenfurt_Borut-Pahor_Kompromiss-sollen-alle-tragen-koennen; letzter Zugriff: 28.10.2020). ↩︎

  17. Z. B. Saša Vidmajer: Kaj pa internacionalizacija? (Und was ist mit der Internationalisierung?): „Sobotna priloga Dela“, 25.02.2017; Borut Mekina: „Reziprozität“. Mladina (8), 24.02.2017. ↩︎

  18. Poziv št. 14 Zavezništva za notifikacijo ADP predsedniku Vlade RS in ostalim posameznikom in inštitucijam Republike Slovenije z dne 20.02.2017. (Aufruf Nr. 14 des Bündnisses für die Notifizierung der Rechtsnachfolge des Staatsvertrages an den Regierungschef der Republik Slowenien und andere Personen und Institutionen der Republik Slowenien vom 20.02.2017). ↩︎

  19. Ivan Kristan: Osamosvojitev Slovenije in ADP. Pogled z Dunaja in iz Ljubljane. (Die Erlangung der Unabhängigkeit Sloweniens und der Österreichische Staatsvertrag). Ljubljana 2016. ↩︎

  20. Ugotovitve, stališča in predlogi Pravnega foruma za manjšine pri Zvezi društev pravnikov Slovenije. (Feststellungen, Standpunkte und Vorschläge des Minderheitenforums des Verbandes der juristischen Vereine Sloweniens). 12.04.2011. ↩︎

  21. Mehr dazu in Danijel Grafenauer: Prizadevanje za narodnostni obstoj oziroma oživljanje nemško govoreče etnične skupine prebivalcev v Sloveniji po letu 1991. (Bemühungen um das Bestehen bzw. die Belebung der deutschsprachigen ethnischen Einwohnergruppe in Slowenien nach 1991). In: Vera Kržišnik-Bukić, Damir Josipovič (Hrsg.): Zgodovinski, politološki, pravni in kulturološki okvir za definicijo narodne manjšine v Republiki Sloveniji (Ethnicity 15). Ljubljana, 2014, S. 95-126. ↩︎