OWEP 4/2025

OWEP 4/2025

Schwerpunkt:
Leben auf dem Dorf

Editorial

Beim Blick nach Ost-, Mittel- und Südosteuropa neigen wir dazu, allein auf das Leben in den Städten und vor allem in den Metropolen zu blicken. Dabei übersehen wir leicht, dass sich viele wichtige Entwicklungen in Dörfern und auf dem Lande anbahnen und den Alltag der Menschen oft stärker prägen, als wir es von außen wahrnehmen.

Die ländlichen Gebiete der Region sind vielfältig, aber alle von gemeinsamen Hinterlassenschaften der industrialisierten Landwirtschaft, der sozialistischen Kollektivierung, postsozialistischen Krisen und teilweise von Kriegen geprägt. All diese Einflüsse und Entwicklungen haben bis heute ihre Spuren hinterlassen.

In dieser Ausgabe widmen wir uns deshalb den unterschiedlichsten Facetten dörflichen Lebens. Im Einführungstext verdeutlichen die Autoren Alexander Vorbrugg und Lana Peternel die Vielfalt und Unterschiede in der Region.

Die Slawistin Nina Frieß befasst sich mit dem Genre russischer Dorfliteratur, die Journalistin Marina Angaldt mit den deutschen Dörfern in Kasachstan, Korrespondent Thomas Roser beschreibt in einer Reportage aussterbende Ortschaften in Serbien. Ein finsteres Kapitel der deutschen NS-Geschichte sind die inzwischen weitgehend dokumentierten Kriegsverbrechen in den verbrannten Dörfern von Belarus. Welchen Verlust die Vertreibung der Deutschen für die Grenzregion und tschechische Kulturlandschaft hatte, beleuchtet der Historiker Matěj Spurný.

Gegenwärtig zeigt sich, dass im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine einige Dörfer zum Zufluchtsort für Städter geworden sind, die sich dort sicherer fühlen, wie Auslandsreporter Moritz Gathmann mit einem ukrainischen Rentnerpaar bespricht. Unbeschwert ist dagegen der Wettbewerb von Hausbesitzern im polnischen Zalipie um die bunteste Häuserfassade, erzählt OWEP-Redaktionsmitglied Matthias Kneip von einem Ausflug dorthin. Der Journalist Alexander Welscher berichtet, wie das litauische Dorf Rūdninkai einschneidende Veränderungen erlebt, seit die Bundeswehr dort einen zentralen Standort für ihre Truppen baut.

Erstaunlichem Unternehmergeist begegnet der Polen-Korrespondentin Gabriele Lesser im Gespräch mit einer Hotelbesitzerin, die auf Agrotourismus der Luxusklasse an den Masurischen Seen setzt.

Die Redaktion

Inhaltsverzeichnis

242
Brüche und Widerstandskraft auf dem Lande
Alexander Vorbrugg und Lana Peternel
250
Die russische Tradition der Dorfliteratur
Nina Frieß
256
Heimat für die Litauen-Brigade
Alexander Welscher
263
Verbrannte Dörfer in Belarus
Christoph Rass und Aliaksandr Dalhouski und Lukas Hennies
271
Das Dorf als sicherer Fluchtpunkt in der Ukraine. Ein Gespräch mit Rentnerpaar Viktor Schepko und Nadija Roj
Moritz Gathmann
276
Neue Impulse im Dorf Schmerwitz
Gemma Pörzgen
283
Die Dorfgemeinschaft Latali in Swanetien
Stefan Applis
287
Serbiens schrumpfende Dörfer
Thomas Roser
294
Eine Oase der Stille in Masuren. Ein Gespräch mit der Agrotourismus-Anbieterin Jolanta Pietek
Gabriele Lesser
299
Verschwundene Dörfer im tschechischen Grenzgebiet
Matěj Spurný
306
Vom Widerhall der deutschen Dörfer in Kasachstan
Marina Angaldt
313
Zalipie – Eine Dorf malt sich an
Matthias Kneip
317
Weiterführende Lektüre
OWEP-Redaktion

Summary in English

When we look at Eastern, Central, and Southeastern Europe, we tend to focus solely on life in cities, especially large metropolitan areas. In doing so, we easily overlook the fact that many important developments become apparent in villages and rural areas, often shaping people's everyday lives more than we realize from the outside.

The rural areas of the region are diverse, but all are marked by the common legacies of industrialized agriculture, socialist collectivization, post-socialist crises, and, in some cases, wars. All these influences and developments have left their mark to this day.

In this issue, we therefore focus on the many different facets of village life. In the introductory text, authors Alexander Vorbrugg and Lana Peternel highlight the diversity and differences within the region.

Slavicist Nina Frieß examines the genre of Russian village literature, journalist Marina Angaldt looks at German villages in Kazakhstan, and correspondent Thomas Roser reports on dying villages in Serbia. A dark chapter in German Nazi history are the now widely documented war crimes in the burned villages of Belarus. Historian Matěj Spurný highlights the loss that the expulsion of the Germans had for the border region and Czech cultural landscape.

It is currently apparent that, in Russia's war of aggression against Ukraine, some villages have become places of refuge for city dwellers who feel safer there, as foreign correspondent Moritz Gathmann discusses with a Ukrainian retired couple. In contrast, the competition among homeowners in Zalipie, Poland, for the most colorful house facade is lighthearted, as OWEP editorial member Matthias Kneip recounts from a trip there. Journalist Alexander Welscher reports on how the Lithuanian village of Rūdninkai has undergone drastic changes since the German Armed Forces began building a central location for their troops there.

Poland correspondent Gabriele Lesser encounters astonishing entrepreneurial spirit in a conversation with a hotel owner who is focusing on luxury agrotourism by the Masurian Lakes.