„Wie können wir zu einer Versöhnung kommen?“

Albanien und seine kommunistische Vergangenheit
aus OWEP 2/2018  •  von Luigj Mila

Luigj Mila ist der Generalsekretär der Kommission Justitia et Pax Albanien. Er stellte auch die Bilder des Beitrags zur Verfügung.

Zusammenfassung

In Albanien, das 1967 offiziell zum „ersten atheistischen Land der Welt“ erklärt wurde, wurden Gläubige aller Religionsgemeinschaften jahrzehntelang gnadenlos verfolgt. Die Aufarbeitung dieser Geschichte erfolgt zögerlich, doch gerade die katholische Kirche engagiert sich stark, um den Opfern ein Gesicht zu geben.

Zu Beginn ist festzuhalten: Die Geschichte Albaniens im 20. Jahrhundert ist von Gewalt geprägt, deren Nachwirkungen bis heute spürbar sind. Man muss dabei zwischen äußeren und inneren Konfliktszenarien unterscheiden. Soweit es die äußeren Konflikte anbetrifft, ist Albanien in mehrere Kriege verwickelt gewesen, die die Beziehungen zu seinen Nachbarn belastet haben. Im folgenden Beitrag liegt der Schwerpunkt jedoch auf den inneren Konflikten, wobei es besonders um den Zeitraum der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart geht, also in etwa die Jahre 1944 bis 2018, die man in zwei große Perioden aufteilen kann:

  • Die kommunistische Periode (1944-1991)
  • Die nachkommunistische Periode (1991 bis in die Gegenwart)

Die Geschichte des Kommunismus in Albanien beginnt 1941, als verschiedene Gruppen von jungen Männern mit kommunistischen Ansichten, die in den drei großen Städten des Landes verstreut lebten, die Albanische Kommunistische Partei unter Mithilfe der Jugoslawischen Kommunistischen Partei gründeten. Mit dieser von außen kommenden Unterstützung wurden die albanischen Kommunisten in ihrer politischen Organisation wie auch in ihren Guerilla-Einsätzen stärker als die rivalisierenden politischen Kräfte, die um die Macht in Albanien kämpften.

Am 29. November 1944, als nach dem Abzug der deutschen Truppen der Zweite Weltkrieg für Albanien zu Ende war, erklärten sich die Kommunisten selbst zu Befreiern Albaniens und verschwendeten keine Zeit, um möglichst schnell mit methodischer Brutalität ihre Macht durch Auslöschung jeder Art von Opposition zu festigen. Von nun an beherrschte die kommunistische Partei Albaniens 45 Jahre lang das Land mit einer der brutalsten stalinistischen Diktaturen Europas.

Verletzung von Menschenrechten und Verbrechen gegen die religiösen Bekenntnisse im kommunistischen Albanien

Einige der Strukturen, die die Diktatur charakterisierten, waren

  • die vollständige Zentralisierung der Wirtschaft durch den Staat, einschließlich der Kollektivierung von Ackerbau und Verbot von Privatunternehmen;
  • die völlige Isolierung von der internationalen Politik;
  • Klassenkampf und massive politische Repressionen;
  • totales Verbot aller gelebten Religiosität.

Für ein Land mit einer Bevölkerung, die nie mehr als die Zahl von drei Millionen überschritt, gab es nach den Statistiken des „Instituts zum Studium der Verbrechen des Kommunismus“: 6.027 Hinrichtungen – 43.135 Personen, die aus politischen Gründen eingesperrt wurden – 59.009 Personen, die deportiert wurden – 984 Personen, die ihr Leben im Gefängnis verloren – 2.169 Gebetsstätten (katholische und orthodoxe Kirchen und Moscheen), die zerstört wurden.

Kirche, die als Sporthalle zweckentfremdet wurde (Copyright: Luigj Mila

Die Menschen lebten in Armut, Isolation, Angst und geistlicher Leere. Die Spitze des kommunistischen Wahnsinns wurde 1967 erreicht, als der Staat beschloss, Religion grundsätzlich abzuschaffen und Albanien zum „ersten atheistischen Land der Welt“ zu erklären. Da der katholische Klerus eine vergleichsweise hohe Ausbildung genossen hatte und im Glauben unerschütterlich geblieben war, verweigerte er sich der kommunistischen Lehre und lehnte es ab, ein Instrument der Propaganda in den Händen des Staates zu werden. Die Vergeltung war grausam. Sie umfasste Massenverhaftungen und Hinrichtungen von Priestern, Zerstörung und Entweihung von Kirchen, und gipfelte im gesetzlichen Verbot der Religion. 38 Priester und Ordensleute, die ihrem Glauben treu geblieben waren, deswegen hingerichtet wurden oder an den Folgen von Folter im kommunistischen Albanien ihr Leben verloren hatten, wurden vom Heiligen Stuhl am 5. November 2016 zu Märtyrern erklärt und heilig gesprochen.

Der Anteil der katholischen Kirche an der Aufarbeitung der Vergangenheit und der gesellschaftlichen Versöhnung

Mit dem Niedergang des kommunistischen Regimes 1991 begann für die albanische Gesellschaft der lange und harte Weg der Umwandlung, des Übergangs von einer Diktatur in eine pluralistische Demokratie nach dem Modell vieler Länder Westeuropas. Dieser Prozess erwies sich als eine sehr große Herausforderung. Die nachkommunistische Erfahrung hat gezeigt, dass Demokratie mehr als alles andere auf einem System von Werten und Denkweisen beruht, für dessen Aufbau mehrere Generationen notwendig sind.

Verglichen mit den Bereichen der wirtschaftlichen Entwicklung und der politischen Stabilität sind die Bemühungen, mit den mentalen Nachwirkungen des Kommunismus umzugehen, in der Liste der Prioritäten der Regierungen leider sehr gering. Als Ergebnis dieses Leichtsinns ist festzuhalten, dass die Generation, die in den 1990er Jahren geboren wurde, nur wenige und sehr oberflächliche Informationen über die Geschichte der kommunistischen Vergangenheit hat. Die Orte des Leidens etwa, wie politische Gefängnisse und Deportationsstätten, wurden vernachlässigt und befinden sich im Zustand des Verfalls; damit gehen viele wichtige Beweisstücke für das, was geschehen war, verloren. Damit hängt also eine unheimliche Bedrohung über der jungen Generation Albaniens, denn wenn eine Nation die Fehler der Vergangenheit ignoriert, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich diese wiederholt.

Eine andere schmerzliche Realität ist die Ungerechtigkeit, die damit den Opfern des kommunistischen Regimes zugefügt wird. Ihre Geschichten, also die Geschichten dieser Opfer, sind nicht erzählt; die Täter wurden bis heute weder offiziell angeklagt noch zumindest angeprangert. Die Plätze, wo die Menschen gelitten haben, werden nicht erhalten, das Ganze wird überhaupt nicht in einer vernünftigen Form in das gesellschaftliche und politische Leben des Landes integriert. Wie können wir aber angesichts dieses Befundes zu einer Versöhnung im Lande kommen?

Wiederaufbau einer Kirche (Copyright: Luigj Mila

" width="280" align="left"]]Vor diesem Hintergrund hat die katholische Kirche die Aufgabe auf sich genommen, die Konsequenzen der kommunistischen Diktatur und ihrer Bezüge bis in die Gegenwart aufzuarbeiten, und wurde damit zu einem führenden Akteur auf diesem Gebiet. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die albanische Kommission Justitia et Pax mit ihrem Projekt „Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit“, das sie mit Unterstützung und in enger Zusammenarbeit mit Renovabis und der Maximilian-Kolbe-Stiftung durchführt. Dieses Projekt ist vor allem auf die Erhaltung der Orte des Leidens gerichtet und auf die Organisation von Besuchen von Schülern und Studenten an diesen Orten. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Lobbyarbeit gegenüber der Regierung, damit solche Orte in Museen verwandelt werden; darüber hinaus soll die kommunistische Periode in den Lehrplänen der Schulen bevorzugt behandelt werden. Dies ist der einzig gangbare Weg, um die Verfolgungsgeschichte an die nachfolgenden Generationen angemessen weiter zu geben, die Opfer zu ehren, die Erinnerung an sie angemessen zu würdigen und damit den unbedingt notwendigen Prozess der Versöhnung anzustoßen.

Aus dem Englischen übersetzt von Christof Dahm.