Alexander Lukaschenko

(Porträt)
aus OWEP 2/2004  •  von Thomas Bremer

Prof. Dr. Thomas Bremer, Professor für Ökumenik und Friedensforschung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster, ist Mitglied der Redaktion dieser Zeitschrift.

Der 49-jährige Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko wurde am 10. Juli 1994 mit 81,7 % der Stimmen erstmals zum Präsidenten Weißrusslands gewählt. Dieses eindeutige Ergebnis erreichte er durch seine Law-and-order-Rhetorik, mit der er die Wähler für sich gewann. „Batko“ (Väterchen), wie er häufig genannt wird, ist bei der Mehrheit der Bevölkerung trotz anhaltender Wirtschaftskrise und energischem Vorgehen gegen die Opposition als „Freund und Helfer“ der Bauern und der Armen bekannt, sodass er wohl auch bei demokratischeren Wahlen eine Mehrheit erlangen würde.

Über seine Jugend ist nicht viel bekannt. Er wurde am 30. August 1954 in der Stadtsiedlung Kopys im Orschaner Bezirk (Gebiet Witebsk) geboren. 1975 absolvierte er die Fakultät für Geschichte an der Pädagogischen Hochschule von Mogilew. Danach rückte er zum Militärdienst ein (bei den Grenzschutztruppen des Komitees für Staatssicherheit). Ab 1978 arbeitete er als verantwortlicher Sekretär in einer Bezirksabteilung der Gesellschaft „Znanije“ („Wissen“). 1980-1982 finden wir ihn wieder im Militärdienst, nach der offiziellen Version seiner Biographie wiederum in den Grenzschutztruppen. Lukaschenko ist verheiratet und hat zwei Söhne.

Von 1982 bis 1985 war Lukaschenko stellvertretender Direktor eines Baustoffkombinates in Schklov; zu dieser Zeit war er als Fernstudent der Akademie für Landwirtschaft in Mogilew eingeschrieben. 1985 erlangte er das Diplom eines Wirtschaftswissenschaftlers. Im Jahre 1987 wurde er zum Direktor des Sowchos „Gorodetz“ (Gebiet Schklov) ernannt. Zu diesem Zeitpunkt begann auch seine politische Karriere. 1990 wurde er Abgeordneter des Obersten Sowjets von Weißrussland. Er bildete die Fraktion „Kommunisten von Belarus – für Demokratie“. Den August-Putsch von 1991 gegen Präsident Gorbatschow verurteilte er. Durch seine Rede über Korruption in den Machtstrukturen während einer Parlamentssitzung wurde Lukaschenko über Nacht berühmt.

Die etwa 10 Millionen Einwohner von Weißrussland, das seit dem Zerfall der UdSSR Ende 1991 unabhängig ist, erleben seit der Wahl Lukaschenkos zum Präsidenten, wie sich – unter dem Vorwand des Volkswillens – ein Diktator ein autoritäres System etabliert. Durch einen manipulierten Volksentscheid wurde Lukaschenko ermächtigt, das Parlament aufzulösen – drei Tage darauf tat er es und berief an seiner Stelle 174 Abgeordnete seiner Wahl. Lukaschenko führte die gerade erst abgeschaffte Presse- und Medienzensur wieder ein, indem er etwa die Fernseh- und Radiosender verstaatlichte. Die Beziehungen zu den westlichen Staaten waren über Jahre erheblich gestört, sodass die meisten von ihnen nicht durch Botschafter in Minsk vertreten waren. In seiner Macht stützt sich Lukaschenko nach innen auf den weißrussischen Geheimdienst, der nach wie vor KGB heißt.

Sowjetnostalgie ist ein Leitmotiv der Herrschaft Lukaschenkos. Er ließ längst ausrangierte sowjetische Schulbücher wieder im Unterricht verwenden und alte Symbole aus Sowjetzeiten wieder als Staatssymbole einführen. Die „Marionette Moskaus“, wie Lukaschenko von seinen Gegner genannt wird, unterzeichnete am 2. April 1996 einen Unionsvertrag mit Russland. Vorgesehen waren eine gemeinsame Verfassung, gemeinsame Wirtschaftsplanung und eine gemeinsame Währung. Die Initialen der neuen Staatengemeinschaft lauten „SSR“ (Gemeinschaft Souveräner Republiken) – schon fast identisch mit dem russischen Kürzel für die frühere Sowjetunion „SSSR“. Der Unionsvertrag wurde von Lukaschenko und vom damaligen russischen Präsidenten Jelzin unterzeichnet; bei beiden standen wohl mehr innenpolitische Motive im Vordergrund. Seit der Wahl von Wladimir Putin zum Präsidenten Russlands sind die Kontakte zwischen den beiden Ländern ins Stocken geraten. Putin hat die Initiative ergriffen und gegenüber Lukaschenko deutlich gemacht, dass bei einer staatlichen Vereinigung Weißrussland der Juniorpartner bleiben würde. Auch wurden die wirtschaftlichen Beziehungen auf eine reale Basis gestellt, was zu erheblichen Schwierigkeiten für Weißrussland führte. Die Kappung der Gaslieferungen durch Russland Anfang 2004, mitten im Winter, ist nur ein Beispiel dafür. Hintergrund ist ein Streit um die Gaspreise: Russland verlangt von Belarus den international üblichen Preis, während dieses die Anwendung der russischen Inlandspreise verlangt. Das Interesse von Lukaschenko wandelte sich seit diesen Entwicklungen, und kurzfristig wandte er sich sogar der EU zu.

Den Zerfall der Sowjetunion hält Lukaschenko für „absurd und ein Verbrechen“. Vor diesem Hintergrund sind auch seine Bemühungen um eine Union mit Russland zu sehen. Weißrussland sollte dann aber wohl nicht nur eine autonome Republik in der Russischen Föderation bleiben, sondern eine weitaus wichtigere Rolle spielen. Die Union würde Lukaschenko zudem ermöglichen, seine weit reichenden Pläne zu befriedigen und in dem dann gemeinsamen Staat die Führung zu übernehmen. Doch diese Idee hat ihm zunächst der russische Präsident Putin zunichte gemacht.