„Was zum Teufel scheren dich Polens Affären?“ – Polen aus schwedischer Perspektive

Prof. Dr. Barbara Törnquist-Plewa ist Professorin an der Universität Lund in Schweden und dort die Direktorin des „Zentrums für Europäische Studien“.

Zusammenfassung

Die Ostseeanrainer Schweden und Polen verband im 16. und 17. Jahrhundert eine wechselvolle Geschichte, die sich bis heute in einem großen Interesse der Schweden am südlichen Nachbarn zeigt. Der Beitrag erläutert diese Zusammenhänge und zeichnet die kritischen Reaktionen in Schweden auf die jüngsten Entwicklungen in Polen nach.

I.

Das Zitat im Titel dieses Aufsatzes stammt aus dem Gedicht „Fredmans Epistel Nr. 45“ (1772 verfasst) von Carl Michael Bellman, einem bekannten und beliebten schwedischen Dichter des 18. Jahrhunderts. Polen war damals von großen inneren Krisen erschüttert und verlor erhebliche Teile seines Territoriums an Preußen, Russland und das Habsburgerreich. Seine Zukunft sah düster aus; darauf verwies der schwedische König, als er kurz nach der Teilung Polens einen Staatsstreich durchführte: Er stärkte seine Macht über das Parlament und begründete sein Vorgehen damit, dass Schweden sonst ein ähnliches Schicksal wie Polen drohe. Bellmans Zitat, unzählige Male von schwedischen Polenexperten paraphrasiert, zeigt die gespaltene Haltung der Schweden gegenüber Polen: auf der einen Seite ein generelles Desinteresse, doch auf der anderen Seite das Bedürfnis zu beobachten, was sich beim Nachbarn auf der anderen Seite der Ostsee ereignet aus Sorge, dass es sich in irgendeiner Weise auf Schweden auswirken könne.

Das Desinteresse ist vor allem Resultat der geografischen Lage und der Kulturunterschiede. Die Ostsee dient dabei als teilender und distanzschaffender Faktor. Die Schweden waren schon immer eine Seefahrernation, während die Polen erst „Freunde des Meeres“ wurden, als Polen durch die Grenzverschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg größere Küstengebiete zugeteilt bekam. Zudem tendierten die Schweden als Protestanten und aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur germanischen Sprachgemeinschaft lange Zeit dazu, ihre kulturelle Zusammenarbeit mit protestantischen, skandinavischen, germanischen und angelsächsischen Gemeinschaften auszubauen. Die Polen neigten hingegen zur katholischen, latinisierten Kultur, während sie zugleich Teil der slawischsprachigen Welt waren. Doch zugleich gab es in Schweden immer ein besonderes Interesse für die politischen Entwicklungen beim polnischen Nachbarn, auch wegen der erlebten Bedrohung durch Russland. Am Ende des 18. Jahrhunderts war Russland ein treibender Faktor für die Teilung Polens und knapp zehn Jahre, nachdem Polen seine staatliche Existenz verlor, wurde Schweden von Russland angegriffen. Im Jahr 1809 musste Schweden Finnland an den Angreifer abtreten. Nicht zuletzt deswegen haben schwedische Politiker ein wachsames Auge auf den russischen Nachbarn und die Völker unter russischem Einfluss.

In Untersuchungen zur Darstellung des Polenbildes in der schwedischen Presse können verschiedene historisch bedingte stereotype Vorstellungen über die Polen identifiziert werden. Besonders deutlich ist das Bild der Polen als Krieger und Aufständische sowie das des polnischen Volkes als Opfer und sogar Märtyrer. Diese Vorstellungen verfestigten sich in Schweden durch die Ereignisse der beiden Weltkriege sowie in Verbindung mit den polnischen Aufständen gegen die kommunistische Unterdrückung während des Kalten Kriegs. Am stärksten traten sie mit dem Aufkommen der Solidarność-Bewegung 1980 und dem Kriegsrecht 1981/83 hervor – Ereignisse, die in Schweden viel Sympathie und Unterstützung für Polen hervorriefen. Diese positiven Stereotype über die Polen als Krieger oder Opfer wurden jedoch stets auch von negativen begleitet: die Polen als Unruhestifter und als beinahe fanatische Katholiken. Die Stereotype haben noch tiefere historische Wurzeln: die polnisch-schwedischen Kriege im 17. Jahrhundert, als beide Seiten religiöse Kriegspropaganda gebrauchten, und das 18. Jahrhundert, als das polnische Staatswesen in Schweden als anarchisch und verdorben beschrieben wurde; damals entstand der bis heute verwendete Ausdruck „polsk riksdag“ („polnischer Reichstag“).

II.

Stereotype, die wir über andere hervorbringen, sagen oft mehr über uns selbst aus als über diejenigen, die wir mit ihrer Hilfe beschreiben wollen. Hinter dem Bild der Polen als Krieger und Opfer steht die Selbstauffassung der Schweden als friedliebendes Volk, das das Glück hatte, während der zwei letzten Jahrhunderte seiner Geschichte ohne Krieg und Blutvergießen zu leben – ein Rekord in Europa. Hinter den schwedischen Darstellungen der polnischen Anarchie wird die Überzeugung der Schweden erkennbar, dass sie dank ihres Organisations- und Zusammenarbeitsvermögens besser zurechtgekommen sind. Was den „fanatischen“ Katholizismus der Polen angeht, so wird dieser heute nicht mehr so stark in Kontrast zu dem schwedischen „rationalen“ Protestantismus gesetzt, sondern vielmehr zum hohen Säkularisierungsgrad der Schweden, der als Zeichen der Modernität verstanden wird.

Ein Thema, das neben den polnisch-russischen und den polnisch-deutschen Beziehungen in den Darstellungen Polens in der schwedischen Presse immer wieder auftaucht, ist der Antisemitismus. Dieses Thema ist in den Medien seit 1968 verwurzelt, als das Regime in Polen eine antisemitische Kampagne inszenierte. Es gibt Grund zur Annahme, dass ein Stereotyp über Polen als „traditionelle Antisemiten“ existiert. Schließlich ist ein nicht minder bevorzugtes Thema der Berichterstattung die Umweltzerstörung. Luft- und Wasserverschmutzung kennen keine Grenzen, sodass die Schweden von dem Umweltproblem der polnischen Nachbarn mit betroffen sind. Interessanterweise hat sich die Berichterstattung über das Umweltproblem gegen Ende der 1990er Jahre verändert. Die düsteren Darstellungen der Umweltsituation in Polen wurden stückweise durch Berichte über Bemühungen zur Verbesserung der Umweltsituation in Polen ersetzt, nicht zuletzt mit schwedischer Unterstützung und durch das Engagement schwedischer Firmen.

Zum Polenbild in den schwedischen Medien in den 1980er und 1990er Jahren gehörten außerdem die Armut und die Rückständigkeit im ländlichen Raum Polens. Im ersten Jahrzehnt nach dem Fall des Kommunismus wurde Polen zumeist als armes, verschmutztes, graues und tristes Land gesehen, voll von verzweifelten Menschen, die schwarz arbeiten, schmuggeln und Autos stehlen. Dieses Bild begann sich jedoch gegen Ende der 1990er Jahre stückweise zu verändern. Besonders in Verbindung mit dem EU-Beitritt wurde ein neues Polen sichtbar – ein Land mit vielen Fachkräften, einem großen Markt und immensem Potenzial für Unternehmensinvestitionen. Diese positive Tendenz wurde durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Schweden und Polen innerhalb der EU, besonders innerhalb des Ostseeraums, sowie durch ein wachsendes Engagement schwedischer Unternehmen in Polen bestärkt.

Der Durchbruch für ein verändertes Polenbild in Schweden geschah jedoch durch die Finanzkrise 2008. Während dieser Krise erkannten die Schweden zu ihrer Überraschung, dass Polen – neben Schweden – eines der wenigen europäischen Länder war, das sehr gut zurecht kam, besser sogar als Schweden. Die schwedischen Massenmedien „entdeckten“, dass die polnische Wirtschaft ebenso groß wie die schwedische und damit die achtgrößte der EU ist. Damit begann sich ein neues Polenbild abzuzeichnen – ein Land, dem es zügig gelungen war, sich aus dem Abgrund zu befreien, eine Erfolgsgeschichte. Außerdem begann man, Polen als wichtigen außenpolitischen Partner zu respektieren, vor allem durch die gemeinsame schwedisch-polnische Initiative für die Gestaltung und Leitung der östlichen Nachbarschaftspolitik der EU.

III.

Die radikalen Veränderungen in Polen durch den Regierungswechsel 2015 waren für Schweden überraschend. Wie konnte es in einem Land mit gesundem Wirtschaftswachstum und raschen Fortschritten im Modernisierungsprozess, das großen Nutzen von den offenen Grenzen hat und den Zufluss von EU-Kapital für den Aus- und Wiederaufbau von Infrastruktur genießt, zu einem solchen Machtwechsel kommen? Ein noch größerer Schock waren die Maßnahmen und Gesetzesänderungen, die die neue Regierung auf den Weg brachte. Die Beschlüsse zum Verfassungsgericht und zum staatlichen Fernsehen und Radio wurden als Versuch bezeichnet, die polnische Demokratie zu demontieren. Der Ton in den schwedischen Massenmedien wurde geradezu panisch, es gab Schlagzeilen wie „Polnische Unruhe: ein Land auf dem Weg in die Diktatur“ oder „Ungarische Krankheit hat Polen erfasst“.

Zeitgleich mit den medial geäußerten Gefühlen der Empörung und Enttäuschung über den polnischen Nachbarn wurden Forderungen artikuliert, dass Polen in irgendeiner Weise bestraft werden sollte, wobei weitgehend Einigkeit darüber bestand, dass es Aufgabe der EU sei, energisch zu reagieren. Doch gehen die Meinungen darüber, welche Mittel die EU einsetzen soll, auseinander. Es gibt Unterstützung für den von der EU gewählten Weg des so genannten „Rechtsstaatsprozesses“, der darauf hinaus läuft, dass die EU-Kommission einen Dialog mit dem betreffenden Land einleitet, um einen Umgang damit zu finden, was als „systematische Bedrohung des Rechtsstaatsprinzips“ betrachtet wird. Andere Stimmen fordern eine direkte Bestrafung Polens durch die EU, indem „die umfassende wirtschaftliche Unterstützung ausgesetzt wird“ oder Polen sein Stimmrecht im Europäischen Rat verliert und „herausgemobbt“ wird. Die Anhänger moderater Lösungen sehen in derartigen Maßnahmen jedoch die Gefahr, dass dadurch dem Populismus und der polnischen nationalkonservativen Propaganda zusätzlicher Nährboden geboten werden könnte – einer Propaganda, die bereits behauptet, dass Polen eine halbkoloniale abhängige Stellung in der EU habe, die von den europäischen Großmächten Deutschland und Frankreich gelenkt werde. Zur Verteidigung der schwedischen Medien sollte jedoch gesagt werden, dass die Berichterstattung über die Entwicklung in Polen nicht nur auf belehrende und einfache Vorurteile hinausläuft, sondern ebenso zahlreiche tiefgreifende und umsichtige Analysen enthält. Diese Untersuchungen tragen dazu bei, das gegenwärtige Polenbild zu nuancieren.

Seit die nationalkonservative Regierung in Polen an der Macht ist, haben die schwedischen Medien die Entwicklungen des Landes fast minutiös verfolgt und dabei alle Schritte, die als Bedrohung des Rechtsstaats und der Demokratie interpretiert werden können, identifiziert: das Vorgehen der Regierung zur Lähmung des Verfassungsgerichts, die Kontrolle über die staatlichen Medien, der Zugriff auf den Geheimdienst und die Spionageabwehr, das Gesetz zur Neuordnung der Staatsanwaltschaft. Wachsam verfolgt man die wachsende nationalistische Rhetorik in Polen und die Veränderungen in der polnischen Geschichtspolitik. Die größte Empörung weckt in Schweden jedoch inzwischen die negative Einstellung Polens gegenüber Flüchtlingen und der Unwille der neuen Regierung, sich an der Umverteilung von Flüchtlingen in der EU zu beteiligen. Kritiker meinen, dass die Polen ihre Geschichte vergessen haben, nämlich, dass sie einst ein multikulturelles Land waren und viele Male selbst zu Flüchtlingen wurden. Man hat darauf verwiesen, dass es der Partei „Recht und Gerechtigkeit“ geglückt ist, die Bevölkerung damit zu beunruhigen, dass Polen von den Flüchtlingen, die ihnen die EU aufzwingen würde, überschwemmt werden würde. Doch mangelt es in den schwedischen Medien noch immer an einer Diskussion darüber, warum eine solche Propaganda in Polen überhaupt Resonanz findet.

IV.

Erwähnenswert ist, dass der Analyse eines veränderten Klimas zwischen Polen und Deutschland in den Untersuchungen der schwedischen Medien viel Raum gegeben wird. Es wird betont, dass die nationalkonservative Regierung Polens Deutschland gegenüber auf Distanz geht und damit die Zusammenarbeit im „Weimarer Dreieck“ zwischen Frankreich, Deutschland und Polen aufs Spiel setzt. Großen Anstoß nimmt Polen an Deutschlands Flüchtlingspolitik, die gemäß der neuen polnischen Regierung nicht nur die Sicherheit der EU und die Zusammenarbeit im Schengen-Raum gefährdet, sondern ebenso die kulturelle Identität Europas, die in den Augen der polnischen Nationalkonservativen auf dem christlichen Erbe beruht. Der Befund der schwedischen Medien lautet, dass das erste halbe Jahr nach dem Regierungswechsel einen kräftigen Rückschlag für den polnisch-deutschen Versöhnungsprozess bedeutet hat, der seit dem Fall des Kommunismus enorme Fortschritte gemacht hatte. Die Schuld wird der polnischen Führung zugeschrieben.

Das große Interesse der Medien an den polnisch-deutschen Beziehungen ist nicht so erstaunlich, wenn man bedenkt, dass es mindestens seit 1989 ein bevorzugtes Thema der schwedischen Berichterstattung über Polen war. Doch kehren auch andere favorisierte Themen in der aktuellen Berichterstattung zurück: die Beziehung zu Russland, die Frage des Antisemitismus und nicht zuletzt die katholische Kirche. Das Bündnis der Kirche mit der neuen Regierung wurde besonders beachtet, als Abtreibungsgegner in Polen, unterstützt von der Kirche, Unterschriften sammelten, um im Parlament eine Abstimmung über ein Komplettverbot von Abtreibungen zu erwirken. Die Partei „Recht und Gerechtigkeit“ unterstützt ein solches Verbot, was eine Verschärfung des ohnehin sehr restriktiven Abtreibungsgesetzes möglich erscheinen lässt. In der schwedischen Gesellschaft weckt das Bestürzung. Polnische Frauen werden als Opfer gesehen, die Hilfe in schwedischen Abtreibungskliniken erhalten sollten.

Die historisch verankerten schwedischen Stereotype über Polen werden nun in der medialen Berichterstattung wiederbelebt, zumal die politische Wirklichkeit den Stoff dafür liefert, der sie bestätigen kann. In der Berichterstattung werden fanatische Katholiken beschrieben, die sich bei Straßendemonstrationen dem Kampf mit der wachsenden Opposition gegen „Recht und Gerechtigkeit“ stellen. Das Bild der Polen als einer Nation von Kriegern bestätigt sich durch die Berichte darüber, wie sie sich im neu geschaffenen „Komitee zur Verteidigung der Demokratie“ gegen die Regierung organisieren. Gleichzeitig berichtet man über die scharfen politischen Kämpfe und Beschimpfungen sowohl im polnischen Parlament als auch in den polnischen Medien, was die in ihrer politischen Kultur konsensorientierten Schweden an den Begriff „polsk riksdag“ und Polen als Unruhestifter erinnert.

Demonstration in Poznań am 19. Dezember 2015 (Bild: Martin Buschermöhle)

Überraschend ist dabei das große Interesse, das die schwedischen Medien an den jüngsten politischen Entwicklungen in Polen zeigen, ein Interesse, das sich sonst nur in Zusammenhang mit wirklich dramatischen Ereignissen einstellt. Bereits am 18. Dezember 2015, in Zusammenhang mit dem ersten großen politischen Kampf in Polen um das Verfassungsgericht, erklärte die große Abendzeitung Expressen, dass „sowohl die schwedische Regierung als auch die EU ein Auge darauf behalten sollten, was in Warschau passiert“. Intensität und Tonfall der Berichterstattung haben dazu geführt, dass der Außenminister Polens, Witold Waszczykowski, am 23. Januar 2016 eine Antwort auf die Kritik in einem großen Artikel in der Zeitung Dagens Nyheter veröffentlicht hat. Zudem war Schweden das erste Land, das Waszczykowski nach seiner Ernennung zum Außenminister besucht hat.

V.

Wie kann man Schwedens starke Anteilnahme an den jüngsten Entwicklungen in Polen erklären? Ein Teil der Erklärung liegt darin, dass sich Polen in den letzten Jahren dank der intensiveren Zusammenarbeit mit Schweden im wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Bereich in den Augen der Schweden „normalisiert“ hat und man gerade begonnen hatte, Polen wie jedes andere EU-Land und als verlässlichen Partner zu betrachten. Die Regierungsübernahme der Nationalkonservativen und ihre Art, Polen zu regieren, haben dieses Bild empfindlich getrübt. Polen erschien nun als Gegensatz zu Schweden. Das zeigt sich an den aufgebrachten schwedischen Reaktionen auf eine Aussage, die Außenministers Waszczykowski in einem Interview für deutsche Zeitungen machte und die seitdem oft zitiert und kommentiert wurde. Um der Kritik an einer antiliberalen Neuausrichtung Polens zu begegnen, soll er gesagt haben: „Als müsse sich die Welt nach marxistischem Vorbild automatisch in nur eine Richtung bewegen – zu einem neuen Mix von Kulturen und Rassen, eine Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen und gegen jede Form der Religion kämpfen. Das hat mit traditionellen polnischen Werten nichts zu tun.“

Die schwedische Antwort darauf könnte sein: „Das hat jedoch alles mit schwedischen Werten zu tun.“ Waszczykowski setzte die Werte in Kontrast zu den Idealen und Wertvorstellungen, die mindestens während der letzten drei Jahrzehnte in Schweden gehegt und gepflegt worden sind: kulturelle Vielfalt, Umwelt- und Klimabewusstsein sowie Säkularisierung. Die Aussage wird deswegen in Schweden als extrem provokant gesehen und rief eine Menge öffentlicher wütender und höhnischer Kommentare hervor. Somit wurde offensichtlich, dass es einen Graben zwischen den polnischen Konservativen und dem, wofür Schweden steht, gibt. Letztlich handelt es sich um einen Zusammenstoß zwischen konservativem Traditionalismus und einer Nation, die sich nach Fredrik Lindström, Autor mehrerer Bücher über das Schwedisch-Sein, in vielerlei Hinsicht als „modernstes Land der Welt“ begreift. Die konservativen Politiker Polens fordern Schweden geradezu heraus. Beide Seiten stärken ihre Identität dadurch, dass sie sich von den Wertvorstellungen des anderen distanzieren.

Hinter dem starken Interesse Schwedens an den aktuellen Entwicklungen in Polen gibt es mittlerweile auch die Sorge, dass die Kritik an Liberalismus und Multikulturalismus, die von den polnischen Konservativen vorgebracht wird, die nationalistischen Kräfte in Schweden anstecken könnte, die während des letzten Jahres aufgrund der Flüchtlingskrise in Europa und der starken Zuwanderung nach Schweden beinahe dramatischen Zulauf hatten. Ein Anzeichen für diese Sorge ist, dass die schwedischen Medien im Winter über die Verhaftung einer explizit polnischen Gruppe berichtete, die zusammen mit Vertretern der nationalistischen Organisation Nordisk Ungdom („Nordische Jugend“) in eine Schlägerei während einer Demonstration gegen Einwanderung in Stockholm verwickelt war. Es gibt ein wachsendes Bewusstsein unter den politischen und kulturellen Eliten Schwedens dafür, dass das, was in Polen geschieht, kein Einzelphänomen oder nur in postkommunistischen Staaten möglich ist. Es geht um die Bewegung von Ideen und Stimmungen, die sich in ganz Europa auszubreiten beginnen und fast Formen eines Kulturkampfes annehmen, in dem die Gegner ganz unterschiedliche Wertvorstellungen, unterschiedliche Sichtweisen auf Demokratie und unterschiedliche Erklärungen der augenblicklichen Wirklichkeit haben. Wie soll man dieser zunehmenden Polarisierung begegnen? Schwedens Umgang mit den Entwicklungen in Polen kann zu einem Experimentierfeld werden. Bisher hat man meist Belehrung und Beschämung als Strategien eingesetzt, doch die Frage ist, ob man nicht nach einer Art der Kommunikation suchen und einen Dialog führen sollte, um die Gründe für die Standpunkte und Reaktionen der Gegenseite zu verstehen. Das ist ungeheuer schwierig, wenn man weit voneinander entfernt steht, aber womöglich notwendig für die Zukunft Europas.

In dem am Anfang dieses Aufsatzes zitierten Gedicht von Bellman bekommt der Protagonist, Spielmann Mollberg, die Frage gestellt: „Was zum Teufel scheren dich Polens Affären?“ Die Antwort der Schweden auf diese Frage könnte heute sein: Die Angelegenheiten Polens scheren uns, weil viel mehr als nur Polen auf dem Spiel steht.

Aus dem Schwedischen übersetzt von Katja Will.