„Es ist notwendig, das Vertrauen zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften zu pflegen.“ Ein Gespräch mit Dr. Kiro Stojanov, Bischof von Skopje

aus OWEP 1/2015  •  von Christof Dahm

Dr. Kiro Stojanov, geboren am 9. April 1959 in Radovo im Südosten Makedoniens, wurde am 20. Juli 2005 von Papst Benedikt XVI. an die Spitze des Hauptstadtbistums berufen und gleichzeitig zum Apostolischen Exarchen für die griechisch-katholischen Christen in Makedonien ernannt. Die Fragen stellte Christof Dahm.

Können Sie in wenigen Sätzen einen allgemeinen Überblick über die gegenwärtige gesellschaftliche Situation in Makedonien geben?

Bischof Dr. Kiro Stojanov (Foto: Renovabis-Archiv)

Seit Jahrhunderten ist Makedonien ein multiethnisches und multireligiöses Land. Ich bin davon überzeugt, dass dies ein sehr großer Reichtum für die makedonischen Bürger ist. Selbstverständlich gilt dies auch für das Land, und ich hoffe, dass es auch in Zukunft so bleiben wird. In den letzten sechs Jahren hat Makedonien regelmäßig positive Empfehlungen für die Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union erhalten. Das sind klare Signale dafür, dass sich das Land in eine positive Richtung entwickelt. Die Regierung unternimmt Reformen, und in mehreren Bereichen kann man gute Entwicklungen feststellen, etwa in der Verbesserung des Lebensstandards. Die unternommenen positiven Schritte sind deutlich zu erkennen.

Selbstverständlich hat Makedonien wie alle anderen Länder der Region mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dennoch gibt es positive Anstrengungen, die auch zu einer Senkung der Arbeitslosigkeit geführt haben. Erwähnen möchte ich auch die Bedeutung ausländischer Investitionen, die allmählich wieder zunehmen.

Das interethnische und interreligiöse Zusammenleben ist sicherlich ein Bereich, an dem ständig gearbeitet werden muss. Ich denke, dass in diesem Zusammenhang die katholische Kirche in Makedonien, obwohl sie in der Diaspora lebt, einen wichtigen Beitrag zum öffentlichen Leben des Landes leistet. Dies gilt natürlich vor allem im interreligiösen Gespräch, und zwar besonders deshalb, weil die katholische Kirche in Makedonien großes Ansehen, Respekt und Sympathie bei den Bürgern genießt.

Welche Probleme beschäftigen die katholische Kirche in Makedonien gegenwärtig besonders?

Wir sind uns alle bewusst, dass sich die Familien auf globaler Ebene mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert sehen. Deswegen legt die Kirche einen besonderen Schwerpunkt auf die Familien und ihre Rolle bei der Evangelisierung. So haben wir beschlossen, das Jahr 2014 in der Kirche von Makedonien der Familie zu widmen. Das Jahr der Familien hat eine Reihe von Aktivitäten auf allen Ebenen mit sich gebracht, deren Aufzählung ziemlich umfangreich wäre.

Leider gibt es in Makedonien keinen Religionsunterricht in den Schulen. Aus diesem Grund möchten wir die Familien weiter bestärken, befähigen und ermutigen, erster Übermittler des christlichen Glaubens zu sein, denn diese Rolle kommt ihnen in der Tat auch zu. Der Religionsunterricht wird bisher in Räumen der Kirche durchgeführt, was nicht immer einfach zu organisieren ist; die Ergebnisse sind aber vielversprechend, man kann bereits erste Früchte erkennen.

Die Kirche ist missionarisch und muss es sein. Unsere Aufgabe ist es, einer möglichst großen Zahl von Gläubigen ein Gotteshaus zum Gebet und geeignete Räumen für den Religionsunterricht zur Verfügung zu stellen. Dies ist wichtig für uns, weil es, wie ich schon gesagt habe, in den Schulen bisher keinen Religionsunterricht gibt. In diesem Zusammenhang möchte ich den Ort Paljurci1 erwähnen, der für uns enorme historische Bedeutung hat. Paljurci war ein geistiges Zentrum für den Katholiken in Makedonien. Wir unternehmen große Anstrengungen, um den dazugehörenden Landbesitz, der leider noch immer nicht zurückgegeben worden ist, wieder zu erlangen. Ich hoffe, dass Paljurci mit Gottes Hilfe wieder zu dem werden wird, was es vor einhundert Jahren gewesen ist – ein geistiges Pilgerzentrum.

Die Zahl der Katholiken in Makedonien ist nicht groß. Das bedeutet, dass unsere Gemeinden klein sind. Unsere Priester sind nicht sozialversichert und müssen von einem sehr geringen Einkommen leben. Jede Art von Hilfe ist mehr als willkommen, denn als Kirche werden wir mit großer alltäglicher Not konfrontiert und sind zur Hilfe aufgerufen. Es gibt leider immer mehr sozial benachteiligte Menschen, die von der Kirche Hilfe in Form von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kleidung erbitten. In Makedonien ist die Caritas als humanitäre Organisation der katholischen Kirche tätig, aber ihre Mittel sind sehr gering. Um den Ärmsten und sozial am meisten Zurückgesetzten zu helfen, benötigen wir öffentliche Küchen, Kindergärten und soziale Betreuungseinrichtungen.

In Makedonien leben viele Völker und Religionsgemeinschaften zusammen. Welche Bedeutung spielt der interreligiöse Dialog für die katholische Kirche? Gibt es Formen der Zusammenarbeit mit der orthodoxen Kirche?

Der interreligiöse Dialog ist einer der Aspekte, auf den wir großen Wert in unserer Arbeit legen – wir sind immer offen für gemeinsame Initiativen und Projekte. Gleichzeitig stoßen wir aber auch direkt Einiges an! Ein Beispiel dafür sind die Sommerlager, die wir jedes Jahr organisieren. Diese Sommerlager haben ökumenischen Charakter, denn an ihnen nehmen regelmäßig Jugendliche anderer Glaubensrichtungen teil. Außerdem pflegen wir in diesem Bereich eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung. Hier möchte ich besonders die gemeinsamen Sitzungen der Vertreter der Religionsgemeinschaften betonen, dann die gegenseitige Besuche, die Teilnahme an Workshops und Initiativen für das Gemeinwohl. Erwähnen möchte ich auch die Novene zur Einheit der Christen; dieses neuntägige Gebet wird Jahr für Jahr regelmäßig von der katholischen Kirche organisiert.

Es ist notwendig, das Vertrauen zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften zu pflegen, um damit Hindernisse und Vorurteile abzubauen, die es immer noch gibt. Seit Jahrhunderten leben die Menschen in dieser Region zusammen, immer wieder gab es positive, aber auch negative Erfahrungen. Wenn wir die interreligiösen Beziehungen pflegen, so ist das unser Vermächtnis auch für die kommenden Generationen.

Makedonien hofft, trotz vieler Probleme bei den Verhandlungen in wenigen Jahren Mitglied der Europäischen Union zu werden. Welche Hoffnungen oder auch Befürchtungen verbinden Sie persönlich mit dem Beitritt Makedoniens in die Europäische Union?

Im Hinblick auf Kultur und Tradition gehört Makedonien selbstverständlich zu Europa und ich denke, dass sein Platz in der Europäischen Union ist. Von seinem kulturellen und geistigen Erbe hat Makedonien der Europäischen Union Einiges zu geben. Trotz aller Probleme und Schwierigkeiten auf dem Weg zur Vollmitgliedschaft werden wir den Weg erfolgreich beschreiten, davon bin ich überzeugt. Eine EU-Mitgliedschaft bedeutet für Makedonien mehr Stabilität und wird größere wirtschaftliche Fortschritte mit sich bringen. Hier muss auch die zunehmende Migration von Menschen erwähnt werden: Gerade jüngere Menschen verlassen das Land auf der Suche nach einem besseren Leben und größerer wirtschaftlicher Sicherheit. Das ist ein großes Problem, aber ich bin überzeugt, dass wir solchen Herausforderungen mit Gottvertrauen begegnen sollen, denn nur so können wir sie erfolgreich meistern.


Fußnote:


  1. Paljurci (antike Ruinenstätte und See) liegt im äußersten Südosten Makedoniens unweit der Grenze zu Griechenland. Der Überlieferung zufolge ist der Apostel Paulus bei seinen Missionsreisen dort gewesen. Zur Einordnung der Tradition (und ihrer politischen Instrumentalisierung) vgl. z. B. http://derstandard.at/1397302083696/Patriot-und-Diener-seines-Herrn↩︎