Der Stabilitätspakt für Südosteuropa – eine Hoffnung
Als die internationale Staatengemeinschaft Ende Juli bei einem großangelegten Gipfel mit Minutenstatements den Abschluss des Stabilitätspaktes der Europäischen Union für Südosteuropa feierte, wollte man den Eindruck erwecken, dass nun alles den richtigen Weg in dieser Ecke des Kontinents ginge. In Wirklichkeit war bestenfalls ein Anfang gesetzt, allerdings einer, der von ganz entscheidender Bedeutung ist. Angesichts der Probleme mit Russland, der Erweiterung der Europäischen Union nach dem Osten und einer Fülle von anderen Problemen, hat man eigentlich die Frage einer Strategie für Südosteuropa immer sträflich vernachlässigt. Es hat vier Kriege auf dem Balkan bedurft, um das Bewusstsein zu schärfen. Die Europäische Union hat zwar schon lange von einem „regional approach“ gesprochen, ihn aber nicht wirklich gehabt. In der Nachbarschaft der heutigen EU liegen Länder, die Beitrittskandidaten der ersten Reihe sind, wie Ungarn und Slowenien, dann aber gab es mit Rumänien und Bulgarien Kandidaten der zweiten Reihe, Länder in der Krise wie Bosnien-Herzegowina und Albanien, schließlich solche, wo man keine Antwort parat hatte wie Kroatien und Makedonien und dann noch Jugoslawien, mit dem wir bis heute nicht so recht etwas anzufangen wissen.
Ein für allemal ist mit dem Stabilitätspakt festgelegt worden, dass das eigentliche Ziel die Integration bedeutet. Noch offen ist die Willenserklärung hinsichtlich der Türkei, die durch die Vorgänge in Südosteuropa an Bedeutung gewonnen hat, kann sie doch ein wirklicher Stabilitätsfaktor sein. Die türkische Regierung hat sich auch ordentlich in der Kosovo-Krise engagiert und klargemacht, dass beim Wiederaufbau von ihrer Seite ein wesentlicher Beitrag geleistet werden kann. Es sind also noch einige Probleme offen, vor allem auch jene, wie die Organisation des Stabilitätspakts geschieht. Die Gefahr ist sehr groß, dass rivalisierende Interessen sichtbar werden, dass zuviel Initiativen, aber auch Sonderbemühungen von Regierungen dort stattfinden, statt ein einheitliches europäisches Bild entstehen zu lassen. Schon vom Ansatz her wird es schwierig sein, den Spezialkoordinator des Stabilitätspaktes mit der Mission der Vereinten Nationen im Kosovo und dem Office des High Representative in Bosnien-Herzegowina zu koordinieren. Mehr noch wird sichtbar, dass manche Regierungen wie die griechische und italienische gewisse Sonderinteressen verfolgen, die durch die geopolitische Lage motiviert sind. Unklar ist auch noch die Strategie, die beim Wiederaufbau verfolgt wird. Oft war von einem Marshallplan die Rede, der seit 1989 aber nie wirklich gekommen ist. Neben der notwendigen Geldausgabe für Flüchtlingsprobleme und Beseitigung von Kriegsschäden wäre es allerdings wichtiger, Finanzierungssysteme herauszubilden, die Kredite mit langer Dauer und geringer Zinsrate geben, um die notwendige Infrastruktur zu schaffen. Entscheidend ist aber, dass die Länder der Region selbst bestimmen, was sie als Priorität ansehen und wo ihnen geholfen werden soll. Das Warten auf die nächste „Geber-Konferenz“ ist in Wirklichkeit keine Lösung.
Ein Sonderkapitel stellt Jugoslawien dar: Zu meinen, mit dem Abgang von Slobodan Milošević seien alle Probleme gelöst, wäre sehr naiv. Mit den Serben sind die Beziehungen der europäischen Staaten am geringsten entwickelt. Der Ab- und Ausschluss von der übrigen Staatengemeinschaft hat dazu geführt, dass ein isoliertes Bewusstsein entstanden ist, bei dem die Geschichte und die Interpretation der eigenen Rolle zu einer problematischen Positionierung geführt hat. Wir müssen uns aber die Frage stellen, die übrigens nicht nur für Jugoslawien gilt, ob wir überhaupt genügend über die Menschen Bescheid wissen, die dort zu Hause sind. Kennen wir ihre Geographie, ihre Literatur, ihre Lebensgewohnheiten und nicht zuletzt ihre Geschichte? Gehen wir nicht allzu oft mit unseren Kategorien heran, ohne richtig einzuschätzen, dass hier unterschiedliche Entwicklungsstufen vorliegen und insbesondere dann, wenn wirtschaftliche und soziale Probleme bestehen, die eigenen Gefühle und Mythen eine besondere Rolle spielen?
Vorurteile gegenüber „dem Balkan“
Seit bald zehn Jahren schockieren uns die Nachrichten über die Geschehnisse, die in dieser Ecke Europas, die wir mit Balkan bezeichnen, vorgefallen sind. Vier Kriege sind es, zahllose Vertriebene und Tote, Zerstörungen – und noch immer keine Perspektive der Stabilität. Manche mögen mit den Vorurteilen, die uns zu eigen sind, sagen, dass das eben „typisch Balkan“ sei. Ich glaube, dass wir den Menschen, die dort zu Hause sind, herzlich unrecht tun. Einige Argumente dazu seien angeführt:
Vergessen wir nicht, dass es seit mehr als 150 Jahren andere Mächte sind, die auf den Balkan Einfluss nehmen. Das Osmanische Reich wurde von Russland, der Habsburger-Monarchie, aber auch den Westmächten bekämpft, manchmal aber auch unterstützt. Man hat sich Stücke herausgerissen oder politische Lösungen erzwungen, die naturgemäß immer zu ungerechten Grenzen führten. Von einer Selbstbestimmung war bisher nie die Rede! Der dort nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschende Kommunismus hat dazu geführt, dass die nationalen Probleme quasi in ein Gefrierfach gegeben wurden. Die Ideologie des Internationalismus hat es nicht zugelassen, sich diesen Fragen zu widmen. Auch wir im Westen haben lange gebraucht (Südtirol, Irland), bis wir die entsprechenden Lösungen gefunden haben. Als die kommunistischen Staatsparteien verschwanden, kamen alle diese Probleme, die bei uns weiter fortgeschritten, aber deswegen noch lange nicht gelöst sind, in aller Deutlichkeit zum Vorschein, manchmal in einer Dynamik, die durch die Unterdrückung beängstigend stark ist.
Unsere Auffassung von Titos Jugoslawien beruhte meistens nicht auf einer wirklichen Kenntnis der Situation. Ein Ferienaufenthalt an der dalmatinischen Küste und die relative Liberalität nach außen haben uns glauben lassen, dass dort alles in Ordnung sei. Dass es ein äußerst labiles System war, das nur durch die Person Titos als Fixpunkt zusammengehalten wurde, hat in Wirklichkeit niemand registriert.
Die Fehler der Vergangenheit
Nach 1989 erscholl der Ruf „Zurück nach Europa!“ in den ehemaligen Ländern des Warschauer Paktes. Weniger hat man sich um Südosteuropa gekümmert, da es durch Konflikte auf sich aufmerksam machte. Den wenigsten Ländern wurde eine wirkliche Perspektive eröffnet, vielmehr glaubten wir, alle anderen belehren zu müssen, wie sie sich zu verhalten haben. Dass es eine Zeit braucht, Demokratie zu lernen und zu leben, eine freie Marktwirtschaft zu haben und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen, das haben wir nicht richtig eingeschätzt.
Für all das bezahlt die Region eine Rechnung. Es ist aber nicht nur die Region Südosteuropa, wie wir sie besser nennen sollten – denn Balkan und Balkanisierung sind keine freundlichen Worte -, sondern es ist auch Europa. Alle Krisenzonen sind etwa eine Flugstunde entfernt und wir mussten inzwischen bitter lernen, dass die mangelnde Stabilität dort auch uns durch Migration, Kriegshandlungen und Instabilität beeinflusst. Damit ist die Frage, ob wir überhaupt mit diesen Ländern etwas zu tun haben, hinreichend beantwortet. Es gibt die Verantwortung des Nachbarn, der schließlich auch ein Interesse haben muss, dass es im Haus daneben ordentlich, friedlich und zukunftsorientiert zugeht.
Es kommt noch dazu, dass wir in der Vergangenheit ein tüchtiges Maß an Verantwortung und damit auch Schuld auf uns geladen haben. Am Beispiel der Kosovo-Krise ließe sich leicht erläutern, dass es etwa die Habsburger waren, die die Serben um 1700 aus dem Kosovo mitgenommen haben, um sie in der Vojvodina oder in Ungarn anzusiedeln – mit freiem Grund und Boden und Steuerprivileg. Die Serben wurden als Wehrbauern benützt. Schließlich wurde Serbisch als Schriftsprache in Wien entwickelt, um sie gegen die Türken instrumentalisieren zu können. Das haben wir alles vergessen, es zeigt aber deutlich, dass die Verantwortung schon in der Geschichte beginnt.
Nehmen wir aber nicht nur die Argumente der Vergangenheit, sondern auch die der Zukunft. Mit welchem moralischen Recht kann man erklären, dass Völker und Länder von der europäischen Integration auszuschließen sind? Man muss ihnen Zeit und Hilfe geben, aber wir haben nicht das Recht, uns selbst einzureden, dass wir die besseren und wichtigeren Europäer seien. Die Globalisierung führt nebenbei noch dazu, dass wir alles an Europa mobilisieren müssen, damit wir in diesem Wettbewerb der Welt bestehen können. Die strategische Bedeutung von Südosteuropa für das östliche Mittelmeer, für den Raum des Schwarzen Meers, als Brücke zu den islamischen Ländern, zur Kaukasus-Region und zu Zentralasien ist von entscheidender Bedeutung. Hier findet nicht nur die Begegnung mit der von der Orthodoxie geprägten Welt statt, die wir überhaupt noch nicht begriffen haben, sondern auch mit der islamischen Welt. Beide Generalproben haben wir nicht bestanden. Johannes Paul II. ist zuzustimmen, wenn er von den beiden Lungenflügeln Europas spricht und die orthodoxe Welt damit meint. Schließlich ist nicht nur Benedikt von Nursia ein Heiliger Europas, sondern auch Kyrill und Method, die die Evangelisierung und damit die Schrift in diesen Teil Europas gebracht haben.
Damit wird aber auch klar, dass es nicht nur ein Problem von Militärbündnissen und Wirtschaftsräumen ist, sondern vor allem der Bildung. Eine Reihe von Projekten wie Schüler- und Studentenaustausch, die Identifizierung des unterschiedlichen Geschichtsverständnisses und die Heranbildung von Journalisten wurden begonnen. Die Schule hat hier eine große Aufgabe, nämlich unvoreingenommen ein Bild dieses Subkontinents zu vermitteln. Auch im Austausch kann hier viel gewonnen werden, weil vor allem das Verständnis für andere die entscheidende Brücke für die Zukunft darstellt.
Bewusstseinswandel im Westen ist notwendig
Dem Staatskanzler Metternich, der den Wiener Kongress dominierte, wird der Satz zugesprochen: „Der Balkan beginnt am Rennweg in Wien.“ Er muss es gewusst haben, denn sein Palais steht dort. Was will ich damit sagen? Die entscheidende Aufgabe besteht darin, den Balkan eben nicht in diesem Sinn bei uns beginnen zu lassen, sondern dafür zu sorgen, dass es auch eine entsprechende Zone Europas wird. Der Stabilitätspakt der Europäischen Union für Südosteuropa ist ein guter Weg dazu, weil er die Perspektive der Integration auch für diese Länder eröffnet hat. Der Weg dorthin ist allerdings schwierig. Dennoch haben wir nicht einmal militärisch eine gewisse Stabilität gefunden, geschweige denn politisch. Was sind die Gefahren? Dass wir in einem Neokolonialismus den Menschen in Südosteuropa erklären, was sie tun sollen. Sie müssen es selbst entdecken und selber gestalten, letztlich auch selbst verantworten, denn es handelt sich um ihre Heimat. Leider hat der Westen viele Ankündigungen parat gehabt. So war etwa immer wieder von einem Marshallplan die Rede, in Wirklichkeit ist aber herzlich wenig geschehen. Wir erklären allen, welche Bedeutung Menschenrechte haben, tun aber herzlich wenig dazu, um auch deren Realisierung zu ermöglichen. Oft sind freiwillige Organisationen privater Art viel wirksamer als Regierungen, wie die Korruptionsfälle der letzten Zeit bewiesen haben.
Eine wichtige Voraussetzung aber gibt es: Wir müssen überhaupt Kenntnis nehmen von diesen Ländern. Noch gibt es viele, die nicht einmal wissen, wo diese neuen „alten Länder“ liegen, wie die Hauptstädte heißen und welche Sprachen dort gesprochen werden. Es gibt auch viele Absurditäten wie etwa der Staatsname von Makedonien: „The Former Yugoslav Republic of Macedonia“. Kann man so einen Staat bezeichnen oder wie soll man die Bürger dieses Staates bezeichnen? Wissen wir genau wo die Republik Moldau liegt, welche Sprachen dort gesprochen werden und welche Bedeutung dieses Land hat? Ist uns klar, dass seit 1989 in der Nähe von uns 23 neue Staaten entstanden sind? Haben wir die Voraussetzungen geschaffen, um gerechte Urteile abzugeben, anstatt jener Vorurteile, die auch die Medien beherrschen?
Fragen über Fragen, die nicht nur diese Länder, sondern auch uns betreffen. Gefragt ist das Antlitz Europas, die endgültige Form des Kontinents, für die wir alle Verantwortung tragen. Denn schließlich handelt es sich um Nachbarn, denn Nachbar ist heute nicht nur einer, an den wir grenzen, sondern der sich auch in unserer mittelbaren Umgebung befindet. Zu kurz sind die Distanzen geworden. Auf der einen Seite sind wir ungeheuer stolz auf die kulturelle Vielfalt, die uns letztlich auch die Vermischung mit den Menschen aus diesen Ländern gebracht hat. Auf der anderen Seite entwickeln wir aber auch eine gewisse Xenophobie, die uns das Leben einfacher macht. Natürlich ist Europa schwieriger geworden. Früher konnte man zwischen Ost und West unterscheiden, heute müssen wir uns über eine differenzierte Landschaft auch ein differenziertes Bild machen. Bildungsaufgabe genug, wobei es sich nicht um ein Wissen handelt, damit man Kreuzworträtsel besser lösen kann, sondern eines, das wir brauchen, um wirklich gute Europäer zu sein.
Der Stabilitätspakt
Am 16. September hat sich nun der „Runde Tisch für Südosteuropa“ in Brüssel konstituiert. Der Spezialkoordinator Bodo Hombach hat hier in der Europäischen Union nicht nur die Staaten der Region und die Mitgliedsländer der Union vereint, sondern auch die USA, Kanada, Japan, Russland und die Ukraine sind dabei. Einerseits ist es sehr gut, wenn alle an einem Tisch sitzen, andererseits wird natürlich die Beschlussfassung hier noch schwieriger. Dennoch gelang es, in einer ersten Runde einen Arbeitsplan zu verabschieden, wobei dem „Regionaltisch Südosteuropa“ die Aufgabe zukommt, ein „clearing house“, also eine Koordinationsstelle und Ort der gegenseitigen Information zu sein, das versucht, nicht nur eine Übersicht, sondern auch eine Zuordnung der Aktivitäten vorzunehmen, die an sich reichlich existieren, aber manchmal in Konkurrenz oder gar in Widerspruch miteinander arbeiten. Daneben gibt es die „High Level Group“, die aus der Weltbank, der EU-Kommission, den USA, sowie anderen internationalen Finanzinstitutionen besteht. Formal ist diese nicht mit dem Stabilitätspakt verbunden, hat aber die Aufgabe, im Rahmen der G7, also der reichsten Länder der Welt, Geld für die vorgeschlagenen Projekte zu sammeln. Der Weg wird sicher dorthin führen, dass die Projekte über den Runden Tisch und seine Arbeitsgruppen dorthin gelangen. Wie das funktioniert, kann heute noch nicht gesagt werden, aber ein guter Wille ist wirklich zu verzeichnen.
Unter dem Runden Tisch sind drei Arbeitstische eingerichtet worden, die wieder die Möglichkeit haben, Unterformationen zu bilden, wobei man das in gesunden Grenzen halten möchte. Der erste Tisch befasst sich mit Demokratisierung und Menschenrechten und arbeitet unter dem Vorsitz des ehemaligen niederländischen Außenministers Max van der Stoel, der als Hochkommissar für die nationalen Minderheiten in der OSZE bisher schon eine imponierende Arbeit in aller Stille geleistet hat, um Krisen zu vermeiden. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe ist es, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den Ländern der Region zu fördern, dafür zu sorgen, dass die Vielfalt der Völker und die Minderheiten in Frieden miteinander leben und aufeinander zugehen, sowie Beamte darauf zu trainieren, eine moderne Verwaltung zu etablieren. Insbesondere ist es auch die Aufgabe, bis auf die Kommunalebene zu wirken, um nach dem Gesichtspunkt der Subsidiarität ein demokratisches Funktionieren zu gewährleisten und die guten Erfahrungen in europäischen Ländern weiterzugeben. Ein wichtiger Punkt ist der Vergleich der Gesetzgebung sowie die Beachtung der Menschenrechte. Dass auch die Medien und die kulturelle Dimension (Erziehung, Betreuung der Jugend), der Dialog zwischen den Ethnien und Religionen dazugehört, versteht sich von selbst. Als Sonderaufgabe ist noch die Betreuung der Flüchtlinge zu verzeichnen, wobei das Hochkommissariat für Flüchtlingsfragen der Vereinten Nationen besonders eingeschaltet ist.
Der zweite Arbeitstisch befasst sich mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau, der Entwicklung und der Zusammenarbeit. Hier muss erwähnt werden, dass es bereits eine Reihe von Initiativen gibt, die auf diesem Gebiet arbeiten, so etwa die Southeast European Cooperative Initiative (SECI), die bereits nach dem Dayton-Agreement zwischen der EU und den USA geschaffen wurde. Dabei geht es um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, die Verbesserung der Grenzsituationen sowie des Zolls überhaupt, die Angleichungen der Verwaltungsregelungen an die Europäische Union und die Sicherstellung der Transportwege, die sich zum Teil in einem katastrophalen Zustand befinden. Ein anderes Aufgabenfeld ist das Bankensystem und die Währungspolitik, da viele Staaten der Region eine galoppierende Inflation haben und Banksicherheiten weitgehend unbekannt sind. Diese Gruppe wird sich auch damit befassen müssen, inwieweit der Freihandel stärker eingeführt werden kann, dessen Ziel es sein muss, die Unternehmen der Region zu aktivieren und die Märkte nicht mit westlichen Gütern zu überschwemmen, was zu einem Ende der lokalen Produktion führen würde. Auch Umweltfragen sind hier genannt, die in grenzüberschreitender Zusammenarbeit zu leisten sind, genauso Energieprobleme etwa in der Versorgung mit Gas, Öl und Strom. Den Vorsitz in dieser Arbeitsgruppe hat der internationale Direktor der italienischen Nationalbank, Scaramuci, wobei diese Gruppe bereits Mitte Oktober in Italien ihre Arbeit begonnen hat.
Der dritte Arbeitstisch befasst sich mit Fragen der Sicherheit und steht unter den Auspizien der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Ein Schwede, Botschafter Eliasson, hat hier den Vorsitz übernommen, wobei gerade diese Gruppe eine der komplexeren Aufgaben hat, nämlich Probleme der Justiz und der internen Verwaltung zu klären, die Polizei zu reformieren, diskriminierende Gesetze zu beseitigen, die Zusammenarbeit mit Europol sicherzustellen, Asylrechte zu sichern und die Wanderungsbewegungen zu kanalisieren sowie für die Entwicklung der Polizei zu sorgen. Ein weiterer Komplex sind natürlich Fragen der militärischen Sicherheit, die in Zusammenarbeit mit der NATO zu klären sind. Die Kontrolle der Waffenarsenale offizieller und privater Art wird eine der großen Fragen sein. Genauso wie die Folgen des Krieges wie zum Beispiel die Beseitigung von Landminen.
Bei allen diesen Tischen gibt es einen Co-Vorsitz aus der Region, der alle halben Jahre wechselt. Es wird sich zeigen, ob dieses System, das partiell eine geringe Kontinuität hat, wirklich arbeitet und dazu führt, dass die Länder der Region selbst ihren Willen artikulieren können und selbständig Verantwortung übernehmen. Ebenso ist es eine Gefahr, dass ein Zuviel an Institutionalisierung und Konferenzen entsteht, und zuwenig Bereitschaft existiert, wirklich zu helfen.
Bleibende Herausforderungen
Es hat zwar bereits eine „Geber-Konferenz“ gegeben, es ist aber nicht absehbar, was wirklich an Geld zur Verfügung steht. Die bisher genannten Unsummen sind weder in der Öffentlichkeit günstig, noch in Wahrheit realistisch, weil weder das Ausmaß der Schäden, noch die geeignete Art der Investition absehbar ist. Ganz sicher wäre es gut, Kredite mit langer Laufzeit und niedrigen Zinssätzen zur Verfügung zu stellen, denn die bisherige Strategie der geschenkten Gelder wie in Bosnien-Herzegowina, hat sich nicht bewährt. Jeder muss eigentlich lernen, das zu verdienen, was er investiert, wobei unter den schwierigen Umständen von Südosteuropa natürlich auch entgegenkommendere Bedingungen notwendig sind. Aufgabe der Europäischen Union und anderer Länder ist es, Experten und Machbarkeitsstudien zur Verfügung zu stellen, aber nicht die Aufgaben anstelle der Länder selbst zu besorgen. Das ist aber eine bleibende Versuchung, denn offengestanden kommen wir uns alle gescheiter vor als die anderen. Und dies erst recht in der gegebenen politischen Situation im Südosten unseres Kontinents.
Fassen wir zusammen: Die Richtung stimmt, die Anfänge sind gesetzt, aber der Teufel sitzt wie immer im Detail. Entscheidend ist aber, dass wir in der nächsten Zeit nicht das Interesse an Südosteuropa verlieren, denn Konfliktpotential ist dort noch genug vorhanden. Das generelle Ziel aber muss sein, nicht Grenzen zu verändern, sondern die Bedeutung der Grenzen zu reduzieren, um sie schließlich im Wege der europäischen Integration zum Verschwinden zu bringen. Damit können sie ethnische Probleme leichter lösen, als mit Protektoratsverwaltungen und gut gemeinten Missionen. Entscheidend ist, dass man die Länder der Region dazu bringt, mehr und mehr eigene Verantwortung zu übernehmen. Südosteuropa sollte nicht auf die Dauer ein Protektorat werden oder gar eine koloniale Existenz im Verhältnis zur Europäischen Union führen, sondern ein Raum der eigenen Verantwortung sein, denn nur so gibt es eine funktionierende Partnerschaft. Dazu braucht es aber Geduld, denn auch wir haben Demokratie nicht von heute auf morgen gelernt, und schon gar nicht auf kurzem Weg zur sozialen Marktwirtschaft gefunden. Südosteuropa ist ein Teil Europas, einer der nicht ausgegrenzt werden darf, sondern der ein ganz wesentlicher Bestandteil des Kontinents ist. Noch dazu an einer geopolitisch empfindlichen Stelle. Wir müssen daher Hilfe zur Selbsthilfe geben!