1940: Das Massaker von Katyn und seine Folgen

Sarah Hinrichsmeyer: Studentin der Katholischen Theologie, Germanistik und Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Auf Grundlage des Hitler-Stalinpaktes marschierte die Rote Armee 1939 in Ostpolen ein, wobei etwa 250.000 Menschen in Kriegsgefangenschaft gerieten. Das weitere Vorgehen mit ihnen wurde dem sowjetischen Volkskommissariat für Innere Angelegenheiten (NKWD) übertragen. Auf Initiative des NKWD-Chefs Berija genehmigte das Politbüro unter Stalin die geheime Ermordung von mehr als 25.000 überwiegend polnischen Kriegsgefangenen. Die Einheiten des NKWD begannen im April mit den ersten systematischen Morden in dem kleinen Dorf Katyn im Westen Russlands, von dem sich auch der Name für das Verbrechen ableitet. Allein in Katyn wurden mehr als 4.000 Menschen ermordet, später folgten weitere systematische Tötungen in mindestens vier anderen Dörfern. Die Morde wurden vor allem am hochrangigen Militär, an vermögenden Zivilisten sowie an gebildeten Eliten Polens begangen.

Die deutsche Wehrmacht stieß 1943 auf die in Katyn vergrabenen Leichen, wodurch der Ort zu einem Synonym für die Verbrechen der Roten Armee wurde. Infolgedessen wurden die Massenmorde zum politischen Propagandakampf instrumentalisiert: Die Nationalsozialisten beriefen eine Kommission nach Katyn, welche die Morde eindeutig auf 1940 datierte, sodass die Rote Armee als Täter nachgewiesen wurde. Nach der Wiedereroberung des Gebiets durch die Sowjetunion bezichtigte allerdings Stalin – wiederum gestützt auf eine Kommission – die deutsche Wehrmacht des Massenmordes. Diese Sicht der Dinge galt, obwohl die Ereignisse zumeist verdrängt wurden, in Polen wie in der Sowjetunion bis zur Veröffentlichung neuer Archivmaterialien im Jahr 1990 als offizielle Version. In diesem Jahr gestand schließlich Gorbatschow zum ersten Mal die sowjetische Schuld ein. Die daraufhin eröffneten Verfahren gegen Beteiligte wurden 2004 eingestellt.

Bis heute belastet das Massaker von Katyn das polnisch-russische Verhältnis und gilt als größtes kommunistisches Verbrechen an Polen. Der polnische Regisseur Andrzej Wajda greift in seinem Film „Katyń“ (2007) die geschilderte Thematik auf.