1988: Unterbindung der Auslieferung der Zeitschrift „Sputnik“ in der DDR

aus OWEP 4/2017  •  von Anna Ott

Anna Ott: Studentin der Katholischen Theologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Im Herbst 1988 berichtete die sowjetische Zeitschrift „Sputnik“ über den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt aus dem Jahre 1939, den die SED bisher verleugnet hatte. Da dieser Beitrag an der offiziellen Überzeugung rüttelte, Stalin sei immer ein strikter Gegner der Nazi-Diktatur gewesen, und ihm eine Mitschuld an der Machtzunahme Hitlers zuschrieb, sah sich die SED-Führung veranlasst, die Auslieferung der Zeitschrift am 18. November 1988 durch den Postzeitungsvertrieb zu unterbinden. Praktisch lief das auf ein Verbot hinaus. Andere Medien berichteten darüber mit der Begründung, die Zeitschrift bringe keine Beiträge zur Festigung der deutsch-sowjetischen Freundschaft, sondern nur solche, die die Geschichte verzerre.

Aus der Bevölkerung und auch aus der Partei selbst kamen Proteste. Selbst sonst zurückhaltende Genossen waren empört. Über die Maßnahmen der Regierung wurde nun nicht mehr nur hinter vorgehaltender Hand, sondern auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Partei-Mitgliedsbücher wurden zurückgegeben, in Leipzig ließ man Luftballons mit aufgedruckten „Sputniks“ aufsteigen und in den Leuna-Werken kam es sogar zu einem kurzen Streik. Die Proteste zeigten, wie unzufrieden die Bevölkerung mit der Zensur durch die Regierung war. Der Name der Zeitschrift wurde immer mehr zum Synonym für die Unterdrückung der Presse- und Meinungsfreiheit durch die SED.

Das Politbüro reagierte auf die vielen Proteste mit einem dauerhaften Verbot der Verbreitung der Zeitschrift. Ein Jahr später konnten DDR-Bürger den „Sputnik“ dann wieder kaufen. Außerdem erschien ein Sonderheft der Zeitschrift, in der Artikel aus der Zeit zwischen Oktober 1988 und Oktober 1989 nun auch allen zugänglich wurden, die diese während der Zeit des Verbots nicht hatten lesen können. Hier konnte man in den nachgedruckten Artikeln über Stalin, seine Diktatur und seine Anhängern erkennen, warum das SED-Politbüro diese zu vertuschen versucht hatte. Die Parallelen zur eigenen Praxis der Machtausübung waren unübersehbar.