Wie sich die Russische Orthodoxe Kirche im heutigen Russland an ihre Geschichte in der Sowjetzeit erinnert

aus OWEP 3/2007  •  von Nikolaj Mitrochin

Der Autor ist Historiker (Schwerpunkte: sowjetische Gesellschaft, Religionssoziologie) und arbeitet als Gerda-Henkel-Stipendiat in Berlin und Moskau.

Wenn über die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) gesprochen wird, ist zu betonen, dass es um eine zahlenmäßig relativ kleine religiöse Organisation geht. Das rege Wachstum der Anzahl von Kirchen und Klöstern in den neunziger Jahren brachte keine Zunahme derjenigen mit sich, die sie besuchen wollten. Den Angaben des Innenministeriums zufolge gehen nicht mehr als 3,3 Prozent der Russen in den Ostergottesdienst. Insbesondere in großen Städten ist das religiöse Niveau niedrig. Der Anteil der Bevölkerung, der regelmäßig den Gottesdienst besucht und an kirchlichen Ereignissen teilnimmt, ist so gering, dass er sich als eine besondere soziale Gruppe empfindet, die so genannten vozerkovlennyje (Verkirchlichten). Zusammen mit den einfachen Geistlichen bilden die vozerkovlennyje „das kirchliche Volk“. Dieser Begriff wird in den vergangenen Jahren innerhalb der ROK oft verwendet, um diejenige Gemeinschaft zu beschreiben, die die Kirche eigentlich bildet und die ihre Position gegenüber Staat und Gesellschaft bestimmt.

Seit dem Zerfall der UdSSR sind 15 Jahre vergangen. Der Personalbestand der ROK hat sich während dieser Periode völlig verändert. Die ROK war in den Jahren von 1960 bis 1980 eine Kirche der „Babuschki“ – der älteren Frauen, deren Gemeinden normalerweise ältere Priester leiteten. Die überwiegende Mehrheit sowohl der Laien als auch der Geistlichen in der heutigen ROK kamen erst nach 1989 zur Kirche. Ein typisches zeitgenössisches weibliches Gemeindemitglied (wie früher gibt es nur sehr wenige männliche Laien in den Kirchen) wurde in der Nachkriegszeit geboren, engagierte sich in der Jugend in der Pionier- und Komsomolzenorganisation1, war wahrscheinlich Mitglied der KPdSU, bekleidete möglicherweise eine verantwortungsvolle Stelle (etwa als Verkaufsstellenleiterin oder Lehrerin) und beschloss nach dem Eintritt ins Rentenalter, die Kirche zu besuchen. Ein typischer Priester oder Mönch wurde zwischen 1960 und 1970 geboren. Während seiner Schulzeit war er Mitglied der Pionier- und Komsomolzenorganisation und dann in einem weltlichen Beruf tätig. Noch 1989 begann er die Kirche zu besuchen, schon 1992 wurde er geweiht oder trat in ein Kloster ein. Nur eine einzige Gruppe der heutigen Mitglieder der Kirche erinnert sich an ihre Lage zur Zeit des Kommunismus noch ziemlich gut – der Episkopat. Er wurde grundsätzlich aus denjenigen gebildet, die dem Priesterseminar noch in der sowjetischen Periode beitraten und nicht selten zum engen Kreis traditionell-orthodoxer Familien gehörten, die ihren Glauben behalten und trotz der Repressionen am Leben der Kirche teilgenommen hatten.

Dass die Kirche nach 1993 zum Zufluchtsort für viele Anhänger traditionalistischer, d. h. russisch-nationalistischer und anti-westlicher Gesinnungen wurde, hat ihr inneres Leben stark beeinflusst. Viele ehemalige Kommunisten, die während der Perestrojka und in den Jahren danach zu überzeugten russischen Nationalisten geworden sind und ihren Platz in der neuen Gesellschaft nicht finden konnten, haben sich innerhalb der Kirchenmauern nicht nur selbst verwirklicht, sondern fingen dort auch an, die moralische und politische Lage zu bestimmen, indem sie konservative und fundamentalistische Stellungen bezogen. Da beim größten Teil des „kirchlichen Volkes“ persönliche Erfahrungen des kirchlichen Lebens in der UdSSR und Erlebnisse der Unterdrückung, unter der man selbst oder Verwandte zu leiden hatten, fehlen, kann man ein Bild der Kirchengeschichte so konstruieren, wie es für die gegenwärtige politische Situation von Vorteil ist.

Die Mechanik der Mythenkonstruktion oder: Woran sollte man sich erinnern und woran nicht?

Die derzeitige russische Gesellschaft strebt danach, ihre „Erbwunde“ zu heilen. Ihr wurde die Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre zum Durchbruch gelangte Wahrheit, dass die Eltern und Großeltern der heutigen Bürger Russlands im Laufe der Jahrzehnte danach strebten, einander aus sozialen und politischen Motiven zu vernichten, äußerst unangenehm. Die Verantwortung dafür konnte keinem Fremden angelastet werden. Was soll aber die heutige Generation tun, insbesondere die aus der Mittel- und Oberschicht, zu denen fast immer sowohl Verfolgte als auch Verfolger gehören? Wie soll die Familien- und Staatsgeschichte aussehen?

Das folgende Konzept vom „Verstehen der sowjetischen Geschichte“ ist in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre entstanden und hat sich während der Putin-Ära verbreitet. Ohne den Bürgerkrieg zu leugnen, der de facto von 1917 bis 1953 in Russland geführt wurde, ohne die Menschenrechts- und Freiheitsverletzungen zu leugnen, fingen die Politiker und Medien an davon zu sprechen, dass alle Sowjetbürger auf ihre Weise Recht hatten, dass alle eigentlich sympathische Menschen waren und einfach nur in unglückliche Verhältnisse geraten sind, aber, wenn es notwendig war, Außerordentliches geleistet haben. Niemand – so der Rahmen dieser Konzeption – sollte für das Geschehene Verantwortung tragen; deswegen könne die heutige Generation behaglich an die Vergangenheit ihrer Familie und ihres Landes denken, ohne dabei „alte Wunden aufzureißen“. Zu den bei der Mythenkonstruktion über die Lage der Kirche in der UdSSR verwendeten Hauptquellen zählen vor allem solche, die zur mündlichen und publizistischen Darstellungstradition gehören. Belehrungen, Publizistik, nicht korrekt fixierte Interviews und durchaus nicht schlecht kommentierte Erinnerungen beherrschen den in orthodoxen Verlagen herausgegebenen Bücherstrom, sind auf Internetseiten verfügbar und werden zur Vorbereitung von Zeitungspublikationen verwendet.

Zum Symbol eines derartigen Verhältnisses zur Geschichte wurde der Erfolg des Buches „Russland vor dem Jüngsten Gericht. Materialien zur Skizze einer russischen Eschatologie“ (Rossija pered vtorym priscestvijem. Materialy k otcherku russkoj eschatologii). Der noch Anfang 1992 zusammengestellte Sammelband (über 500 großformatige Seiten) mit Auszügen aus publizistischen Aufsätzen, Prophezeiungen und Memoiren, die über die baldige Ankunft des Antichrists, über die jüdische Okkupation Russlands und über den Schaden durch Liberale und Katholiken berichten, ist nicht nur in der ursprünglichen Auflage von 100.000 Exemplaren auf Kosten der kirchlichen Bank und mit dem Vorwort eines autoritativ denkenden Mönchs aus dem Dreieinigkeits-Sergij-Kloster erschienen, sondern auch binnen der nachfolgenden fünfzehn Jahre mehrmals neu herausgegeben worden. Bis heute nimmt dieses Buch einen Ehrenplatz auf den Regalen mehrerer orthodoxer Buchläden ein und wird auch in den großen öffentlichen Buchhandlungen verkauft.

Die Entstehung des historischen Bewusstseins der Kirche wird von der kirchlichen Obrigkeit nicht kontrolliert, und kirchennahe Intellektuelle erheben ihre Stimme eher selten und nur gegen völlig abstruse Behauptungen. So weicht die historische Wahrheit vor der historischen Mythologie. Wenn zum Beispiel über ein Genre wie kirchliche Memoiren aus der Zeit nach Stalin gesprochen werden soll, fällt auf, dass diese ohne Berücksichtigung des eigentlichen Themas einem eigenen „Kanon“ folgen. Dieser lässt die Kirche als „Opfer“ der Macht erscheinen und unterstreicht die hervorragenden Verdienste des Memoirenschreibers und jener religiösen Persönlichkeit, der er seine Erinnerungen widmet. Gleichzeitig schließen diese Memoiren alle Themen aus, die mit der inneren Verwaltung des kirchlichen Lebens, mit dem alltäglichen Geschehen in den Gemeinden und Bistümern oder mit Konfliktbeziehungen (darunter Kollaborationen) in der sowjetischen Gesellschaft verbunden sind. Damit hängt zusammen, dass die Kirche, indem sie sich als das Opfer darstellen lässt, mit Erfolg von Staat und Gesellschaft vielfältige Kompensationen erlangt. Ein anderer Grund hierfür liegt darin, dass sich ein Großteil des Episkopats und der Geistlichkeit der spätsowjetischen Periode äußerst erfolgreich im sowjetischen System etabliert hatte, die Erinnerungen daran jedoch unangenehm und unvorteilhaft sind. Schließlich besteht ein dritter Grund darin, dass die Frage nach der Kollaboration eines Großteils des Episkopats und der höheren Geistlichkeit mit der sowjetischen Obrigkeit zur Losung von Fundamentalisten im Kampf gegen die „käufliche“ Hierarchie, d. h. zum wichtigen innerkirchlichen „politischen“ Thema wurde.

Mythenmodelle

Es gibt zwei Grundmodelle von Mythen, die mit der sowjetischen Periode der Geschichte der ROK verbunden sind: Der Mythos über die Verfolgungen und der Mythos über Stalin, der die Kirchen öffnete. Diese Mythen stehen im Gegensatz zueinander und stellen für den Staat zwei mögliche Verhältnismodelle der Kirche gegenüber dar. Beispiel dafür ist die Wandlung der politischen Ansichten von Erzpriester Dmitrij Dudko. Dieser Moskauer Priester, der für seine religiösen Gedichte zur Zeit Stalins sechs Jahre Haft abgesessen hat, war 1970 weit bekannt, als er durch seine öffentlichen Predigten unter der Moskauer Intelligenz berühmt wurde und durch seinen Ungehorsamkeit der kirchlichen und staatlichen Macht gegenüber die Aufmerksamkeit des Westens auf sich zog, wobei eine Reihe von seinen Predigtsammlungen und andere Materialien zu seinem Schutz dort veröffentlicht wurden. Mit dem Beginn der Perestrojka gewann Vater Dudko eine neue Nachfolgerschaft, indem er zum geistlichen Leiter der radikalen russischen Nationalisten wurde, insbesondere durch eine populäre Veröffentlichung dieses Milieus – der Redaktion der Zeitung „Zavtra“.2 Er beherrschte die Kunst, die im „kirchlichen Volk“ zirkulierenden mythologischen Vorstellungen in Worte zu fassen. Im November 2002 erschienen in der einstigen Hauptzeitung der kommunistischen Partei „Prawda“ Auszüge aus seinem Tagebuch, die als „Gedanken eines Priesters über Stalin“ betitelt wurden:

Stalin scheint mir ein Mensch gewesen zu sein, der die revolutionäre Kraft beherrschen konnte. Denn die Revolution näherte sich schnell und sie konnte durch nichts angehalten werden. Was für eine Genialität sollte dieser Mensch haben, der sie beherrschen und ihr die richtige Richtung geben konnte! Und wir sehen in den Tagen der Perestrojka, dass die verbliebenen Kommunisten die wahren Patrioten sind und nah zur Orthodoxie stehen und einige von ihnen zu Orthodoxen geworden sind … Ich bete auch für die Tschekisten, denn sie sind seine Schöpfung, und sie beschützen jetzt unser Land vor dem endgültigen Zerfall. Etwa wie Präsident Putin. … Heute können wir mit eigenen Augen sehen, was für ein Verbrechen die Unstaatlichkeit und was für ein Wohl die Staatlichkeit ist! Hätte Trotzkij mit seiner permanenten Revolution gewonnen, wir wären schon längst tatsächlich und nicht nur zum Schein wie zu Stalins Zeit zu Schrauben geworden. Alle wären schon zu einer Arbeitsarmee gegen jedwede dunklen Mächte geworden. Gerade Stalin bewies praktisch, dass der Sozialismus in einem Land aufgebaut werden kann, und damit hat er Russland erhalten.“3

So veranschaulicht diese Rede von Vater Dudko die zwei Mythen in der ROK, die in den Koordinaten Kirche-Staat zusammenwirken. Der erste Mythos betrifft die Machtverhältnisse in der Epoche des Staatszerfalls. Sowohl die Bolschewiki als auch Nikita Chruschtschow, die, wie man in der ROK denkt, den größten Schaden an der Kirche verschuldet haben, sowie der Initiator der Perestrojka Michail Gorbatschow werden in diesem Mythos als prowestliche Liberale dargestellt, die die Identität des traditionellen orthodoxen Russlands angegriffen und damit die Existenzprinzipien des Staates und des ganzen Volkes ruiniert hätten. In diesem Mythos ist das Motiv des Verrats sehr wichtig, der von den in den staatlichen Apparat und die Kirche eingedrungenen Liberalen verübt wurde. Dabei gibt es ein gesamtkirchliches Symbol einer falschen, durch äußere Mächte verletzten Ordnung der kirchlich-staatlichen Verhältnisse – den Sturz des letzten russischen Imperators Nikolaus II. Er, der vom Thron gestürzt wurde, und seine Familie erwiesen sich als würdige orthodoxe Christen und wurden für ihren Märtyrertod 2000 heilig gesprochen. Das Ausmaß der Kirchenverfolgung wird durch die „Verführung“ einfacher Menschen durch die den Feinden Russlands dienenden Liberalen deutlich. Eine direkte Bestätigung dafür bietet ein Zitat aus einem Interview mit dem Leiter eines der größten Bistümer der ROK, Erzbischof Vikentij (Morar) von Jekaterinburg, den ein Fernsehzuschauer bat, zu erklären, warum die Kirche Zar Nikolaus II. trotz des Massakers an Arbeitern bei einer Demonstration 1905 heilig gesprochen hat. Der Erzbischof, in dessen Bistum die mit der Erschießung der Zarenfamilie verbundenen Orte liegen, legte nicht die offizielle Version zu den Gründen für die Heiligsprechung dar, sondern sein persönliches Verhältnis zur Regierung des Zaren:

Damals gab es einen großen Kampf gegen den Zaren. Die Feinde unseres Vaterlandes gaben sich die größte Mühe, seine Taten zu verleumden, denn er hat vieles getan, damit das Leben in unserem Vaterland, im russischen orthodoxen Land, besser und vollkommener wird. Zu dieser Zeit war Russland in allen Lebensbereichen sehr weit aufgestiegen. Einigen hat nicht gefallen, dass Russland zur einer mächtigen Großmacht geworden war und weiter wuchs, weswegen sie verschiedene Provokationen vorbereitet haben … Es ist genau bekannt, dass der Imperator an diesem Tag nicht in Sankt Petersburg gewesen ist, ihm wurde darüber gar nicht berichtet, weswegen er auch keinen Schießbefehl gegen die Demonstration geben konnte … Auch gibt es Informationen, dass die Demonstration von Terroristen organisiert wurde ..., die unter den friedlichen Menschen das Schießen auf die Polizei angefangen haben. Wenn ein Vergleich zwischen dem Geschehen in Beslan und 1905 gezogen werden sollte, so haben die Terroristen in beiden Fällen friedliche Menschen getötet. Die Terroristen haben eigens Willkür provoziert, um die Zarenmacht zu diskreditieren“.4

Der zweite Mythos handelt vom Verhalten des Führers der Nation in der Zeit des Staatsaufbaus und des Kampfes gegen den Feind. Bei der Wiederherstellung und der Kräftigung des Staates im angespannten Kampf gegen den westlichen Feind ruft Stalin die Kirche um Hilfe an. Er lässt Priester frei, gibt Kirchengebäude zurück und sichert damit einen Sieg für sich selbst und für das Land. Demgemäß hat die Kirche (genau gesagt „die gesetzliche Entschädigung“ ihrer Verluste) das Land gerettet.

Hier bietet die Stellungnahme des Leiters des Außenamts der Russischen Orthodoxen Kirche, Metropolit Kirill (Gundjajev) von Smolensk, aus einem neueren Interview ein gutes Beispiel: „Der große Vaterländische Krieg, der am frühen Sonntagmorgen des 22. Juni 1941 begann, an dem Tag, an dem die Kirche die Erinnerung an alle in Russland verherrlichten Heiligen feiert, war die Strafe Gottes für die Kirchenverfolgung in den Vorkriegsjahren. Es wurde deutlich, dass die bolschewistische Ideologie keine Grundlage für den Widerstand des Volkes gegen den Feind bieten konnte und die Vereinigung der Volkskräfte einer viel tieferen Basis bedurfte. Während mehrerer Jahrhunderte war die Orthodoxe Kirche eine solche Basis. So wurden die großen Verfolgungen beendet, das Landeskonzil zur Wahl des Patriarchen einberufen, im ganzen Land begonnen, Kirchengebäude und Klöster zu öffnen, und später wurde die Tätigkeit der geistigen Lehranstalten wieder aufgenommen. In einem gewissen Maße war dies die Annerkennung der historischen Rolle der Kirche für den Schutz des Vaterlandes vor Feinden“.5

Es ist nicht schwer, hier direkte Analogien zwischen der auf diese Weise verstandenen Geschichte der UdSSR und einer unter dem Blickwinkel der staatlichen Ideologie betrachteten neuesten Geschichte zu erkennen. Die Mehrheit der Geistlichkeit und der aktiven Gemeindemitglieder der ROK waren weder mit der Perestrojka noch mit eindeutig liberalen Tendenzen in der folgenden Periode der unabhängigen Entwicklung Russlands zufrieden. Deswegen sehen sie die „Arbeitsleiter der Perestrojka“, Demokraten und Liberale, als die ideologischen Nachfolger der Bolschewiki, die das Land an den Feind verkaufen und die Kirche vernichten wollen (allein durch Gottes Vorsehung sei ihr – der Kirche – beschert worden, wieder aufzuleben), und die staatliche Rhetorik, die für die Regierungen des späteren Jelzin und Putin typisch ist, steht in Analogie zum stalinistischen „Sammeln der Länder“ und der „Herstellung von Ordnung“. Sollte nun Putin ein neuer Stalin sein, ist er selbstverständlich auch darauf hinzuweisen, wie auf stalinistische Weise gehandelt werden sollte: der Kirche einen Schutz bieten.

Wenn von der Einschätzung der Konstruktionen gesprochen werden soll, auf denen das Verständnis der Geschichte in der heutigen ROK und die daraus entstehende soziale Mythologie basiert, bringt uns dies leicht zu protofaschistischen Ideologien der europäischen Massenvolksbewegungen Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, darunter solche wie die „schwarzen Hundertschaften“6, die Hunderte, ja Tausende Vertreter der Geistlichkeit der ROK, darunter einen Großteil des Episkopats, als Mitglieder zählte.

Deutsch von Alena Kharko.


Fußnoten:


  1. Komsomol: Jugendorganisation der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). ↩︎

  2. Vater Dmitrij war aktiver russischer Nationalist, was in der Zeit seiner Dissidententätigkeit von der westlichen Öffentlichkeit verheimlicht wurde, während seine geistlichen Kinder es vorzogen, die politischen Ansichten nicht zu bemerken. ↩︎

  3. Dudko Dmitrij, protoijerej. Iz myslej sviastschennika o Staline. („Prawda“, 11.11.2002). ↩︎

  4. Otvety Archijepiskopa Vikentija na voprosy ural’zev v studii radiostanzii Ekaterinburgskoj eparchii „Voskresenije“ (Teleprogramma „Archipastyr“, 25.12.2004); „Informazionnoje agenstvo Ekaterinburgskoj eparchii“ (12.01.2005). – „Beslan“ ist eine Anspielung auf das Geiseldrama in der gleichnamigen Stadt im Nordkaukasus am 01.09.2004, bei dem tschetschenische Rebellen eine Schule besetzten und über 1.200 Personen als Geiseln nahmen. Nach erfolglosen Verhandlungen wurde das Gebäude von russischen Sicherheitskräften gestürmt. Insgesamt waren mehr als 400 Tote zu beklagen. (Anm. d. Redaktion) ↩︎

  5. „Zerkov ne zaprestschajet svoim tchadam utchastvovat v bojevych dejstvijach“ (Intervju N. Kevorkovoj s mitropolitom Kirillom (Gundjajevym), „Moskowskaya Gazeta“, 23.10.2003). ↩︎

  6. Unter den „Schwarzen Hundertschaften“ sind nationalistische Verbindungen in Russland zu verstehen, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden. Kernpunkte waren ein übersteigertes russisches Selbstbewusstsein, das zu einer Abwertung alle anderen Nationalitäten (besonders der Juden) führte. (Anm. d. Redaktion) ↩︎