Gibt es eine montenegrinische Sprache?

(Textkasten)
aus OWEP 4/2018  •  von Thomas Bremer

Nach der Verfassung Montenegros ist die Amtssprache des Landes das Montenegrinische. Tatsächlich ist die Benennung dieser Sprache ein politisches Projekt. In linguistischer Hinsicht handelt es sich um eine Spielart der Sprache, die in vielen verschiedenen Varianten von der Mehrheit der Bevölkerung im früheren Jugoslawien gesprochen wurde. Die montenegrinische Version gehört – wie das Kroatische und das Bosnische – zur ijekavischen Variante, das heißt, dass ein bestimmter altslawischer Buchstabe -ije- geschrieben und gesprochen wird (rijeka, Fluss, im Unterschied zum serbischen reka). In Lexik und Grammatik steht Montenegrinisch jedoch dem Serbischen viel näher. Die Verständigung mit Sprechern der anderen Sprachen ist mühelos möglich. Von der Regierung unterstützte Versuche, die Sprache (etwa durch die Einführung einiger neuer Buchstaben) zu kodifizieren, führten zu intensiven Debatten und wurden gesellschaftlich kaum akzeptiert. In Umfragen gibt die Mehrheit der Bewohner des Landes nach wie vor „Serbisch“ als Muttersprache an.