Montenegro: Land und Leute, Raum und Struktur

aus OWEP 4/2018  •  von Daniel Göler

Prof. Dr. Daniel Göler ist Professor für Geographische Migrations- und Transformationsforschung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Stadt-, Bevölkerungs- und Wirtschaftsgeographie, der Migrationsforschung und der regionalen Transformationsforschung, und zwar in Russland und Südosteuropa.

Zusammenfassung

Montenegro ist geprägt von naturräumlicher Vielfalt. Erst die jugoslawische Zeit brachte Industrie und Tourismus. Letzterer ist dynamische Entwicklungsperspektive und Ursache mannigfaltiger Probleme zugleich. Die Tendenz zu Monostrukturierung, räumliche Ungleichgewichte oder intransparente Leitungsstrukturen stehen der EU-Beitrittsperspektive entgegen.

Trotz einer überschaubaren Größe von knapp 14.000 km2 und etwa 622.000 Einwohnern (2016) zeigt das kleine Land an der südöstlichen Adriaküste eine beachtliche geographische Vielfalt. Mit Blick auf naturräumliche Gegebenheiten lassen sich auf dem Weg von der Küste ins Hinterland mediterrane bis subalpine Zonen auf kürzester Distanz erleben. In kulturräumlicher Sicht sind Attribute wie multiethnisch und multilingual zu nennen. Die sozioökonomische Varietät findet ihren Ausdruck in einem deutlichen Zentrum-Peripherie-Gegensatz. Selbst die Verfassung spiegelt ein multiperspektivisches Moment, konstituiert sich die Republik Montenegro doch als demokratischer, sozialer und ökologischer Staat. Aus dem angedeuteten Spannungsfeld der Gegensätze soll im Folgenden, ohne Anspruch auf länderkundliche Vollständigkeit, ausgewählten Facetten zu Raum und Struktur sowie zu Land und Leuten nachgegangen werden.

Das geschieht aus geographischer Perspektive und mit dezidierter Problemzentrierung. Montenegro weist bezüglich seiner agrarwirtschaftlichen Eignung oder der nutzbaren Rohstoffvorkommen nur ein geringes Raumpotenzial auf. Zudem hat die Topographie einen limitierenden Einfluss auf die sozioökonomische Entwicklung. Massive räumliche Disparitäten, eine einseitige Wirtschaftsstruktur und eine fast zwangsläufige ökonomische Außenabhängigkeit sind die Folge. Das Argumentationsmuster einer gewissen Interdependenz von Raumstruktur und gesellschaftlichen Handlungsmustern von der Vergangenheit bis in die Gegenwart ist also naheliegend. Mithin wird im Falle Montenegros Naturraum bisweilen sogar als „territorialer Bestimmungsfaktor“1 interpretiert. Ein solch rein geodeterministisches Erklärungsmuster ist allerdings zu hinterfragen und muss, gerade im Falle Montenegros, mit jüngeren Veränderungen auf der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ebene des seit 2006 unabhängigen Landes ergänzt werden. Der Status als jüngstes NATO-Mitglied und EU-Beitrittskandidat mag ein Beleg für die trotz der Rückschläge der 1990er Jahre konsequent verfolgte nationale Restrukturierung und die erreichte internationale Anerkennung sein. Probleme der zugrundeliegenden Entwicklungs- und Modernisierungsprozesse dürfen dabei nicht ausgeblendet werden.

Naturräumliche Gliederung und physische Geographie

Nomen est omen – der romanische Name Montenegro bzw. seine slawische Entsprechung Crna Gora, wörtlich übersetzt als „Schwarzer Berg“, steht für ein zumindest in der Vergangenheit überwiegend waldbedecktes Bergland: 45 Prozent der Fläche liegen in Höhenstufen über 1.000 m, 15 Prozent sogar über 1.500 m NN. Die naturräumliche Gliederung besteht aus vier Landschaftszonen, welche überwiegend der vorgegebenen nordwest-südöstlichen Streichrichtung des Dinarischen Gebirges folgen. So wird der schmale Küstensaum entlang der Adria durch einen vielerorts höchst abrupten Anstieg jenes Gebirgsmassivs begrenzt; lediglich im Bereich der Bucht von Kotor greift die mediterrane Zone weiter ins Hinterland aus. Entsprechend ist die (potenzielle natürliche) Vegetation der Küste von Macchien, also immergrünen Hartlaubgewächsen, bestimmt. Es herrscht subtropisches Klima mit trockenen Sommern, milden Wintern und niederschlagsreichen Übergangsjahreszeiten.2

Landeinwärts schließt sich das zentrale Kalkhochland, auch Hochkarst genannt, an. Extreme jährliche Niederschlagsmengen gerade entlang des westlichen Gebirgsrandes in Kombination mit den herrschenden hohen Temperaturen führen zu einer äußerst intensiven Verkarstung der anstehenden, lösungsanfälligen Kalke; unterirdischer Abfluss ist die Regel. „Bloßliegendes Kalkgestein, von zahllosen Dolinen zernarbt, vermittelt ein Bild trostloser Öde“ – mit solch drastischen Worten illustrierte der Geograph Herbert Büschenfeld3 die Morphologie im nackten Karst in 800 bis 1.000 m Höhe. Der östliche Teil des Hochkarstes setzt sich davon etwas ab. Dort finden sich vegetationsbedeckte Plateaus in Höhenlagen zwischen 1.300 m und 1.500 m. Sie sind markant gegliedert von tiefen Canyons wie der Tara-Schlucht sowie von charakteristischen Kalkmassiven wie dem Durmitor, der bis über 2.500 Höhenmeter und damit in die subalpine Stufe reicht. Die bereits erwähnte Niederschlagsintensität führt, wenngleich sie hier schon schwächer ausfällt, zu massiver winterlicher Schneebedeckung und Schneesicherheit bis weit ins Frühjahr hinein.

Am ehesten der Vorstellung der schwarzen Berge entspricht, trotz bis heute vielfältiger waldwirtschaftlicher Nutzung, die Zone des östlichen Schieferberglands. Das überwiegend bewaldete Gebiet verfügt über eine hohe Reliefenergie. Die Höhenstufung zwischen etwa 800 m bis über 1.600 m kommt in einer markanten Vegetationsgliederung, ausgehend von Eichenmischwald über Buchenbestände bis zu Nadelgehölzen, zum Ausdruck.

Im Vergleich zu den bisher genannten Landschaftszonen hebt sich die Ebene um Podgorica bzw. um den Skutari-See, dem größten Binnengewässer des Balkans, etwas ab. Die fruchtbaren Böden sind dort trotz der Trockenheit mit entsprechenden Bewässerungsmaßnahmen zur intensiven agrarwirtschaftlichen Nutzung nach marktorientierten Maßstäben geeignet. Großflächig angebaut wird v. a. Wein, Obst und Tabak. Weite Teile des Landes eignen sich hingegen wegen des Reliefs, der starken Bewaldung und v. a. der Bodenqualität wenig bis gar nicht zur agrarwirtschaftlichen Nutzung.

Mit Blick auf den Naturraum sollte ein nicht zu unterschätzendes Risikopotenzial nicht übersehen werden. Der Mittelmeerraum ist in seinem nördlichen Bereich, wo sich die afrikanische unter die eurasiatische Platte schiebt, tektonisch aktiv. In der ganzen Region lassen sich regelmäßig, derzeit meist nur leichte, seismische Aktivitäten beobachten. Das letzte schwere Erdbeben von 1979 hinterließ allerdings massive Schäden entlang der Küste zwischen Kotor und Ulcinj (Ulqin); auch das benachbarte Albanien war erheblich betroffen. Angesichts der raschen Urbanisierung des Küstensaums in der jüngeren Vergangenheit würde ein schweres Beben heute fatale Folgen haben.

Historische Wirtschafts- und Siedlungsgeographie

Die Hauptstadt Montenegros, Podgorica (das ehemalige Titograd) liegt im Binnenland. Der Bevölkerungs- und Siedlungsschwerpunkt ist im 20. Jahrhundert jedoch deutlich Richtung Adria gerückt. Aufgrund des differenziellen Wachstums und v. a. der touristischen Dynamik ist der Küstenstreifen mehr und mehr zum ökonomischen Aktivzentrum des Landes geworden.

Diese Entwicklung steht ein wenig im Gegensatz zur historischen Küstenferne der Wirtschaftsaktivitäten in Mittelalter und Neuzeit. Montenegro war nie eine Seefahrernation; vice versa war „Meer“ häufig gleichbedeutend mit „Gefahr“, und so zählte eben die Bergregion zu den bevorzugten Siedlungs- und Wirtschaftsräumen. Die Gesellschaft lebte dort überwiegend von Viehwirtschaft und die Poljen boten Gelegenheit zum Ackerbau. Die Anlage beispielsweise des alten Bar (Stari Bar) mit seiner Burg erfolgte in Schutzlage vom Meer abgewandt. Selbst die bedeutenden Städte jener Zeit wie Trebinje, Žabljak oder Cetinje, das bis 1918 sogar die Hauptstadt Montenegros war, liegen hoch in den Bergen. Trotz der zahlreichen erhaltenen früheren Botschafts- und Regierungsgebäude erweckt Cetinje heute, als Folge des Zentralitätsverlustes, jedoch eher den Eindruck einer kleinen Landstadt als den eines (ehemaligen) Regierungszentrums.

Raumentwicklung der Gegenwart: Von der Litoralisierung zur „Budvarisierung“

Schon in jugoslawischer Zeit hat sich im gesamten nördlichen Adriaraum ein intensiver Litoralisierungsprozess vollzogen. Der Begriff umschreibt den Funktionsverlust des Hinterlandes zugunsten der Küste. Mit der gezielten Anlage von Häfen und Industrie, dem Ausbau von Infrastrukturen und dem Aufkommen des Massentourismus entstanden dort neue Erwerbsmöglichkeiten. Zuwanderungen aus ganz Jugoslawien, vorzugsweise aus den landeinwärts gelegenen, meist kärglichen Bergregionen waren die Folge. Das wiederum befeuerte die Entsiedelung dort. Der Grundstein der zunehmenden Disparität zwischen Küste und Hinterland war gelegt.

Die ökonomische Aufwertung der Küstenregion war in ein Konzept der industriellen und ökonomischen Entwicklung des gesamten Landes eingebunden. Projekte wie der Hafen im montenegrinischen Bar und die in diesem Zusammenhang mit hohem Aufwand hergestellte Anbindung an das nationale Schienennetz beispielsweise waren in übergeordnete Raumzusammenhänge integriert. Ähnliches gilt für die staatlich organisierten Ferienanlagen und Fremdenverkehrskomplexe. Daneben entwickelte sich gerade im Tourismus ein sehr differenzierter privatwirtschaftlicher Sektor mit einem kleinteiligen Angebot an Privatunterkünften und entsprechend ausgerichteten Dienstleistungen. Die Wachstumsdynamik bzw. das wachsende Angebot an Arbeitsmöglichkeiten ging jedoch nicht mit einer entsprechenden Wohnraumversorgung der Zugezogenen einher. Wohnraumnachfrage wurde häufig in privater Selbsthilfe gedeckt. Stadtnahe landwirtschaftliche Flächen wurden zunächst provisorisch bebaut. Sukzessive entstanden informelle, regellose Viertel, welche staatlich toleriert wurden und sich so in der Folge verstetigten. Letztlich führte das in einigen Teilbereichen des Küstensaums zu einem stark verdichteten, verstädterten (litoralisierten) Erscheinungsbild.

Auch die Wiederbelebung des Fremdenverkehrs nach der tiefen Krise der 1990er Jahre knüpfte, allerdings unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen, an ähnliche Muster der städtebaulichen Informalität an. Blieben historische Städte wie Kotor, Budva oder Ulcinj in ihren überschaubaren Altstadtkernen noch von Bausünden weitgehend verschont, so wuchsen die Siedlungen in ihren Außenbereichen ab der Jahrtausendwende gleichermaßen in die Fläche wie in die Höhe. Das Zusammenspiel von gestiegener Nachfrage, einem raumordnerischen Vakuum aufgrund fehlender Planungsgrundlagen und dem zeitgleichen Laissez-faire seitens der Autoritäten führte fast zwangsläufig zu einem informellen und chaotischen Ausdehnen der Siedlungsflächen – ein Prozess, der, benannt nach dem Ort mit den größten Auswüchsen, als „Budvarisierung“ Eingang in das Schrifttum gefunden hat.4 Selbst kleinere Ortslagen vervielfachten sich in der Fläche; je knapper die küstennahen Grundstücke wurden, desto mehr griffen die Feriensiedlungen eben in die Berghänge aus. Das Kapital stammt von lokalen und regionalen Eliten ebenso wie von internationalen, vorzugsweise russischen Investoren. Ein Blick in Google Earth zeigt die gegenwärtige Zersiedelung der Hanglagen beispielsweise südlich von Budva oder selbst im Bereich der Bucht von Kotor. Dort ist wegen nicht-konformer, informeller und illegaler Bebauung mittlerweile sogar der Status als UNESCO-Welterbe ernsthaft gefährdet. Insofern birgt die dynamische Tourismusentwicklung, die mehr und mehr die Existenzgrundlage des Landes darstellt und fast schon monostrukturierte Züge trägt, zugleich eine nicht zu unterschätzende Gefährdung der grundlegenden naturräumlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse.

Probleme der Wirtschaftstransformation und die Zukunftsbranche Tourismus

Nach den vorherigen Ausführungen erstaunt es wenig, dass der Dienstleistungssektor mit einem Anteil von fast 75 Prozent die Wirtschaftsstruktur dominiert. Der produzierende Sektor respektive die Industrie ist sowohl in der Wertschöpfung als auch hinsichtlich der Beschäftigung mittlerweile völlig unterrepräsentiert – eine Folge der Wirtschaftstransformation, in deren Konsequenz die beiden ökonomischen Leuchttürme der jugoslawischen Zeit, die Aluminiumindustrie mit Standorten in Nikšić und Podgorica, einen erheblichen Bedeutungsverlust hinnehmen mussten. In der Produktionsstätte in Titograd wurde mit Bauxit aus Nikšić mit hohem Einsatz elektrischer Energie und erheblichen Umweltbelastungen seit 1971 Rohaluminium hergestellt. Der Zusammenbruch Jugoslawiens und die internationalen Sanktionen der 1990er Jahre brachten das staatliche Unternehmen in Schieflage. Die Privatisierung, die 2005 bilateral zwischen dem Ministerpräsidenten und einem russischen Oligarchen vereinbart wurde, führte nach kurzfristiger Stabilisierung dann 2013 direkt in die Insolvenz. Insofern ist die ehemalige Hauptbranche Montenegros ein Paradebeispiel für die v. a. im produzierenden Bereich, aber nicht nur da, fehlgeleitete Privatisierung der Wirtschaft. Mangelnde Transparenz, Klientelismus, Korruption und hemmungslose Selbstbereicherung der Politik sind Schlagworte, welche in diesem Zusammenhang immer wieder fallen.

Insofern ist verständlich, dass Montenegro unter dem Slogan „Wild Beauty“ und seinem Credo „Tourism is our future!“5 folgend sein strategisches Heil im Tourismus sucht. Dort gilt nach wie vor das Motto „anything goes“, zumal die Branche 2017 ihr bestes Ergebnis eingefahren hat. Zwischen 2010 und 2016 verdoppelte sich die Zahl der internationalen Gästeankünfte (+ 52,8 Prozent); die Einnahmen aus dem Tourismus wuchsen um gut ein Viertel (+ 26,4 Prozent).6 22,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden direkt und indirekt im Tourismus erwirtschaftet, 15 Prozent der Erwerbstätigen sind dort beschäftigt. Zudem wird bis 2027 eine starke Zunahme auf gut 30 respektive 20 Prozent prognostiziert. Solche Zahlen und Wachstumsraten verstellen ein wenig den Blick auf die Probleme einer immer einseitigeren ökonomischen und räumlichen Ausrichtung, die neben der bereits erwähnten Zersiedelung v. a. in einer sehr engen Saisonalität – welche sich auch in der Beschäftigung spiegelt! – und der Außenabhängigkeit in einer grundsätzlich sehr anfälligen Branche liegen.

Immerhin gibt es Bestrebungen zur Diversifizierung durch die Stärkung der Nebensaison und des Wintersports in den Bergen sowie zur Förderung von Ökotourismus abseits der Küste. Die Potenziale dazu sind zweifelsohne vorhanden, umso mehr erstaunt der generell wenig nachhaltige Umgang mit dem Naturraum, der selbst die Nationalparks im Lande trifft (z. B. illegale Holzentnahme).

Das Hinterland

So prosperierend die Situation entlang der Küste sein mag, so rezessiv bis depressiv stellt sie sich im strukturschwachen Hinterland dar. Das gilt speziell für einige Gebiete entlang der Grenzen zu Albanien, Kosovo und Serbien, in denen die sozioökonomische Problemlage einhergeht mit heterogenen ethnischen Differenzierungen. In Gemeinden wie Rožaje und Plav stellen Muslime das Gros der Einwohner; Montenegriner sind in der absoluten Minderheit. In Pljevlja ist der Anteil der Serben besonders hoch und in Bjelo Polje und Berane jener der Bosniaken. Gerade Rožaje, wo auch viele Roma leben, stellt sich dem aufmerksamen Besucher als Notstandsgebiet dar. So erstaunt es kaum, dass es – in einem ohnehin von schon lang anhaltender Abwanderung geprägten Umfeld – 2014/15 gerade von hier eine vermehrte Einwanderung in das bundesdeutsche Asylsystem gab. Eine Studie in Plav wiederum zeigte die paradoxe Diskrepanz zwischen den hochgesteckten Erwartungen an die Emigration einschließlich der sozialen Anerkennung migrantischen Erfolgs bei gleichzeitiger Geringschätzung der Existenzsicherung in dem schwierigen Umfeld der Heimat.7

Inwieweit die nationale Strategie des Tourismus im Hinterland, jenseits der Wintersportorte, eine tragfähige Existenzgrundlage darstellen kann, bleibt zu hinterfragen. Ansätze wie der von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit massiv unterstützte „Balkans Peace Park“ im Grenzgebiet zu Albanien und Kosovo mit Angeboten im Bereich Trekking, Hiking und Biking finden vermehrt Nachfrage.

Ausblick: Perspektive EU-Beitritt?

Vor dem Hintergrund der vorgelegten Analyse stellt sich Frage, wie realistisch die erst kürzlich seitens der Europäischen Union wiederholte Beitrittsperspektive ist.8 Dort wurden als einzige der Westbalkanländer explizit nur Serbien und eben Montenegro genannt. In dieser Hinsicht stellt sich Montenegro einerseits als demokratisches und wachstumsdynamisches Land mit Potenzialen v. a. im Tourismus dar. Andererseits ist dieses Wachstum höchst einseitig generiert und räumlich sehr ungleich verteilt. Die derzeitige Form von politischer Führung, die gesellschaftliche und politische Reichweite von Klientelwirtschaft und Korruption sowie die zweifelhafte Rolle der Eliten darin dürften selbst die Erweiterungsoptimisten bei näherer Betrachtung ernüchtern. Das gilt auch für die in dem Strategiepapier genannte 10-Jahres-Perspektive, die angesichts des derzeitigen Verhandlungsstandes und der realen Verhältnisse im Land illusorisch erscheint.


Fußnoten:


  1. Zsolt Bottlik: Geographische Hintergründe zur nationalen Identität der Montenegriner. In: Geographische Rundschau 60 (2008), H. 10, S. 54-60, hier S. 54. ↩︎

  2. Vgl. zur Orientierung auch die Skizze in der Rubrik "Länderinfo" (S. 308 der gedruckten Ausgabe). ↩︎

  3. Herbert Büschenfeld: Jugoslawien. (Länderprofile – Geographische Strukturen, Daten, Entwicklungen). Stuttgart 1981, S. 49. ↩︎

  4. Daniel Göler, Holger Lehmeier (2009, erschienen 2011): „Tourism is our future“ – Stand und Perspektiven des Tourismus in Montenegro. In: Europa Regional 17 (2011), H. 2, S. 59-69, hier S. 67. ↩︎

  5. Ebd., passim. ↩︎

  6. Dazu WTTC World Travel & Tourism Council: Travel & Tourism Economic Impact 2017 Montenegro. London 2017, S. 8. ↩︎

  7. J. Winterhagen: Entscheidend ist die Strategie: Tourismusentwicklung und Migration in Plav, Montenegro. Diskussionspapier, hrsg. v. d. GTZ Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit GmbH. Eschborn 2008. ↩︎

  8. EC European Commission: Commission Staff Working Document: Montenegro 2018 Report. Strasbourg, 17.04.2018 (https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/sites/near/files/20180417-montenegro-report.pdf; letzter Zugriff: 29.11.2021). ↩︎