1989: Die ersten freien nationalen Parlamentswahlen
Im Zuge der Perestroika schlug Michail Gorbatschow vor, den Kongress der Volksdeputierten der Sowjetunion in nationalen Parlamentswahlen wählen zu lassen. Seit der Änderung Ende des Jahres 1988 sah die Verfassung diesen als höchstes gesetzgebendes Organ der UdSSR vor. Die 2.250 Delegierten wurden Anfang des Jahres 1989 über mehrere Monate hinweg in erstmals annähernd freien Wahlen gewählt.
Die ersten 750 Delegierten wurden nach dem Wahlsystem der Unionssowjets des Obersten Sowjet der UdSSR gewählt. Diese Art der Wahl nach territorialen Wahlkreisen war schon seit 1936 praktiziert worden. Weitere 750 Delegierte wurden in national-territorialen Wahlkreisen nach dem Wahlsystem des Nationalitätensowjet des Obersten Sowjet der UdSSR gewählt. Die noch fehlenden 750 Delegierten wurden aus „öffentlichen Organisationen“ entsandt, wie der KPdSU, den seit kurzen erlaubten Gewerkschaften und dem Komsomol, der Jugendorganisation der KPdSU. Im Wahlgesetz war geregelt, welche Organisation wie viele Vertreter senden könnte. Wen sie schickten, war ihnen überlassen. Somit waren die Wahlen nicht vollständig, aber wenigstens zu zwei Dritteln frei, gleich, geheim und direkt.
Ende Mai traten die Delegierten zum ersten Mal zusammen. Hier wurde ausgesprochen, was ohnehin alle wussten, nämlich dass die Partei mit den unzähligen Problemen im Land überfordert war. Die Diskussionen im Sitzungssaal des Kremls wurden von Radio und Fernsehen übertragen. Wie sehr die Bevölkerung an den Debatten teilnahm, zeigte sich an den Demonstrationen vor dem Kreml, aber auch an den vielen Zuschriften, die den Volksdeputiertenkongress erreichten. Letztlich blieb der Kongress aber ein Laienparlament. Die eigentliche gesetzgeberische Tätigkeit lag weiterhin beim Obersten Sowjet. 1991 wurde der Kongress auf eigenen Beschluss hin zunächst ständig vertagt und schließlich mit dem Ende der Sowjetunion aufgelöst.