Die Folgen der Covid-19-Pandemie für die Wirtschaft
Zusammenfassung
Die serbische Wirtschaft hat im internationalen Vergleich unter der Covid-19-Pandemie relativ wenig gelitten. Bedenklich sind jedoch eine hohe Inflationsrate und dirigistische Maßnahmen der Regierung. Beides verschärft die sozialen Gegensätze in der Gesellschaft, vor allem zwischen arm und reich.
Turbulenzen und Erholung während der Covid-19-Pandemie
Nach dem Ausbruch von Covid-19 verzeichnete die serbische Wirtschaft zunächst zwei bemerkenswerte Ergebnisse: einen leichten Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um ein Prozent im Jahr 2020 und eine starke Erholungstendenz im Jahr 2021. Der moderate Rückgang des BIP – im Vergleich zum Rückgang in der EU um 6,2 Prozent (!) – ist vor allem auf den geringen Anteil des Tourismus, des Handels und der Automobilindustrie zurückzuführen, also Aktivitäten, die von der Krise anderswo besonders stark getroffen wurden. Darüber hinaus war ein großer Teil der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie (ca. zwölf Prozent des BIP) nur geringfügig von der Covid-Krise betroffen, was die serbische Wirtschaft zusätzlich vor einem Absturz bewahrte.
Positiv wirkte sich außerdem das verhältnismäßig starke Wirtschaftswachstum vor der Krise aus, ebenso die generell günstigen Handelsbedingungen für Serbiens Wirtschaft, und nicht zuletzt die großzügigen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, die die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronakrise zusätzlich abmilderten. Nach einer Verlangsamung durch die dritte Pandemiewelle Ende 2020 hat sich die wirtschaftliche Erholung im ersten Quartal 2021 gefestigt und ist im Einklang mit den globalen Trends weiter gewachsen.
Obwohl sich einige der von der Covid-Krise am stärksten betroffenen Branchen (Tourismus, Luftverkehr usw.) noch nicht vollständig erholt haben, übertraf das Gesamt-BIP im Jahr 2021 das Vorkrisenniveau. Wie erwartet verzeichneten die Branchen mit dem stärksten Rückgang ein deutliches Wachstum (Einzelhandel, Verkehr, Tourismus). Aufgrund des sehr hohen Anteils der Landwirtschaft unterliegt die Gesamtwachstumsrate des BIP allerdings starken Schwankungen (z. B. Dürre im Sommer 2021). Schätzungen zufolge wird es 2021 um 6,5 Prozent steigen, hauptsächlich wegen des Wachstums in den Bereichen Informationstechnologie, Handel, Finanzdienstleistungen, verarbeitendem Gewerbe und Bau.
Im Gegensatz zu anderen Ländern in der Region wie etwa Albanien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro, deren wirtschaftliche Erholung vor allem auf steigenden Investitionen und Exporten beruht, verzeichnete Serbien einen Anstieg des privaten Konsums. Nach einem Rückgang im Jahr 2020 (ohne Einbußen bei Einkommen, Renten usw.) scheinen eher milde Anti-Covid-Schutzmaßnahmen und häufige Einkommenserhöhungen (sowohl bereits eingetretene als auch solche, die im Rahmen des anstehenden Wahlkampfs angekündigt wurden) diesen Anstieg zu steigern. Die staatliche Praxis häufiger wahlloser Barzahlungen an alle Bürger gefährdet allerdings das makroökonomische Gleichgewicht – vor dem Ende des Wahlkampfes im April 2002 wird dieses Problem aber wohl kaum angegangen werden.
Beschäftigung und Einkommen
Während der Covid-Pandemie-Wirtschaftskrise verzeichneten die Arbeitsstatistiken mehrere positive Entwicklungen. Die Beschäftigung nahm nicht nur im öffentlichen Sektor, sondern auch und noch stärker in der Privatwirtschaft zu. Im Gesundheits- und Sozialwesen, in der Bildung und in der Kultur stiegen die Beschäftigungszahlen, während sie in staatlichen Unternehmen zurückgingen. In der serbischen Wirtschaft sind staatliche Unternehmen der größte Arbeitgeber und bieten auch die höchsten Gehälter – die Löhne im privaten Sektor sind 15 Prozent niedriger als die Löhne im öffentlichen Dienst und sogar 18 Prozent niedriger als in staatlichen Unternehmen. Der Grund dafür ist, dass staatliche Unternehmen in Serbien unter dem dominierenden Einfluss der regierenden politischen Parteien stehen. Das macht es leichter, politische Gefolgsleute unabhängig von ihrer Ausbildung und Qualifikation zu versorgen.
Im Vergleich zu den Nachländern der Westbalkans liegt Serbien mit einer Beschäftigungsrate von 47 Prozent vor Kosovo und Bosnien und Herzegowina, aber hinter Albanien und Nordmazedonien. Darüber hinaus belegt ein Ranking der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass Serbien bei der Beschäftigungsrate erneut zu den Schlusslichtern auf der Liste mit 55 Ländern zählt, steht, unterboten nur von Kosovo, Bosnien und Herzegowina und Südafrika.

Die Arbeitslosenquote von 11,1 Prozent im Jahr 2021 ist seit 2014, als sie noch über 22 Prozent betrug, rückläufig. Diese Veränderung ist allerdings zum Teil auf neue statistische Methoden zurückzuführen, bei denen jetzt Saisonarbeitsplätze ebenso berücksichtigt werden wie Personen, die mindestens eine Stunde im Monat arbeiten. Auf diese Weise wurde das methodische Verfahren zwar an europäische Standards angepasst, aber die Vergleichbarkeit mit älteren Daten ist schwierig.
In Serbien spielt der hohe Anteil der Schattenwirtschaft weiter eine große Rolle – er umfasst nach jüngsten Schätzungen 30 Prozent des BIP. Die Arbeitslosenquote wäre also niedriger, wenn die Arbeitskräfte in der Schattenwirtschaft mitgerechnet würden. Außerdem entscheiden sich viele serbische Bürger dafür, einen Job im Ausland zu suchen. In den vergangenen zehn Jahren sind mehr als 500.000 Menschen ausgewandert, meist in OECD-Länder. Daraus ist eine gewaltige zusätzliche Einkommensquelle für viele Familien in Serbien entstanden, denn die Überweisungen aus dem Ausland machen inzwischen mehr als sieben Prozent des BIP aus. Die Pandemie führte zwischen Januar und Mai 2020 zu einem zeitweisen Rückgang der Überweisungen um fast 24 Prozent mit dramatischen Folgen für viele Familien in der Heimat. Seit Januar 2021 hat sich dieser Trend glücklicherweise wieder umgekehrt.
Mehr als fünf Jahre lang hatte der serbische Präsident Aleksandar Vučić angekündigt, dass der Durchschnittslohn in Serbien auf 500 Euro ansteigen soll. Dieses Ziel erschien allerdings so unerreichbar, dass sogar Vertreter der Oppositionsparteien ankündigten, den Präsidenten und seine Partei zu wählen, wenn ihm das gelingen sollte. Gleich zu Beginn der Covid-Krise wurden bei einer durchschnittlichen BIP-Wachstumsrate von vier Prozent die Löhne um fast zehn Prozent erhöht – und das Ziel war tatsächlich erreicht. Ein Jahr später betrug der Durchschnittslohn 555 Euro, diesmal allerdings in Verbindung mit einem Rückgang des BIP um ein Prozent. Darüber hinaus wurde ein neues Versprechen abgegeben – 2025 einen Durchschnittslohn von 900 Euro zu erreichen. Dieses angekündigte Lohnniveau liegt in der Nähe dessen, was im benachbarten EU-Land Kroatien 2021 bereits gezahlt wird.
In der Realität bekommen nach Analyse serbischer Finanzbehörden rund ein Fünftel der Arbeitnehmer nur den aktuellen Mindestlohn in Höhe von 300 Euro. Das sind mehr als 400.000 Menschen (bei ca. 6.9 Millionen Einwohnern), was Serbien zu einem europäischen Rekordhalter im Prozentsatz der Arbeitnehmer mit einem Mindestlohn macht. Präsident Vučić kündigt jedoch unverdrossen an, dass der Durchschnittslohn bis Ende 2021 weiter steigen soll und dann bei 610 Euro liegen werde.
Preisentwicklung und Wechselkurs
Die Inflationsrate erreichte im Herbst 2021 mit 4,3 Prozent ihren Höchststand der vergangenen acht Jahre. Obwohl sie immer noch im Rahmen der von der Nationalbank gesetzten Quote „3 plus/minus 1,5 Prozent“ bleibt, ist diese Entwicklung bedenklich. Vor den Wahlen verteilt die Regierung derzeit wahllos Geldgeschenke an alle Bürgerinnen und Bürger. Renten und Löhne sollen weit über das Produktivitätsniveau steigen. Präsident Vučić kündigte zusätzlich eine Erhöhung der Löhne im öffentlichen Sektor um bis zu acht Prozent an, weiterhin eine Erhöhung der Mindestlöhne um zehn Prozent und eine Erhöhung der Renten um 5,5 Prozent. Außerdem stand fast jeden zweiten Monat allen Bürgerinnen und Bürgern eine Bargeldauszahlung in Höhe von 20 Euro zu. Mit einer solchen Wirtschaftspolitik lässt sich eine steigende Inflationsrate sicher nicht bekämpfen.
Bis Ende 2021 konzentrierte sich der Preisanstieg weitgehend auf Erdöl und Grundnahrungsmittel. Gleichzeitig blieb der Wechselkurs des serbischen Dinars trotz eines hohen Anstiegs der Währungsreserven und eines steigenden Aufwertungsdrucks unverändert. Der Wechselkurs von Dinar zu Euro ist seit sieben Jahren annähernd gleich geblieben – ein Euro entspricht 117,2 Dinar. Die Nationalbank weigert sich, daran etwas zu ändern, greift aber durch den Kauf von Wechselkursreserven in das Marktgeschehen ein, was den Druck auf eine mögliche Dinar-Aufwertung verringert. Dies hat allerdings zur Folge, dass der Außenhandel als Motor des Wirtschaftswachstums gebremst wird. Vor den Wahlen wird sich daran kaum etwas ändern.
Außenhandel
Anders als andere ost- und südosteuropäische Staaten erzielte Serbien sein Wirtschaftswachstum durch steigenden privaten Konsum infolge der erwähnten Lohn- und Rentenerhöhungen und Sonderzahlungen an die Bürger. Das meiste Geld landete auf den Sparkonten. Seit Januar 2021 steigerte das Zurückfahren von Anti-Covid-Maßnahmen den Konsum deutlich. Die meisten der gekauften Waren wurde importiert, was den einheimischen Produzenten nicht viel Wachstum brachte, sicherlich jedoch die Einkommen im Handels- und Dienstleistungssektor in Serbien erhöht hat. Inzwischen nimmt der Export an Waren auch wieder zu und hat das Vorkrisenniveau erreicht und teilweise übertroffen.
In den meisten mittel- und osteuropäischen Ländern hatte das Wachstum einen anderen Ursprung: Anders als in Serbien, wo der private Konsum den Wachstumspfad anführte, war die Zunahme von Exporten und Investitionen die Hauptwachstumsquelle für die Wirtschaft.
Wichtigste serbische Außenhandelspartner
Die meisten Menschen in Serbien denken, Russland und China seien die wichtigsten Außenhandelspartner Serbiens, was jedoch nicht der Wahrheit entspricht: Serbien wickelt zwei Drittel seines Außenhandels mit der EU ab, außerdem stammen die meisten ausländischen Investitionen aus Westeuropa.
Dabei sind Deutschland, China, Italien und Russland die bedeutendsten Handelspartner, wobei der am besten entwickelte und vielfältigste Handelsverkehr zwischen Serbien und Deutschland besteht. Diese erfolgreiche Zusammenarbeit hat Tradition, sie stammt noch aus dem frühen 20. Jahrhundert und nimmt weiter zu. Deutschland exportiert nach Serbien vor allem Autos, Kommunikationstechnik, Eisenprodukte, Fahrzeugteile und andere Maschinen. Serbiens Ausfuhr besteht hauptsächlich aus gefrorenen Früchten und Nüssen, Elektromotoren, Elektroheizungen, Isoliermaterial und Kunststoffrohren.

Die wichtigsten ausländischen Direktinvestitionen in Serbien kommen aus Deutschland. Große Investitionen in Serbien wurden von deutschen Unternehmen wie Henkel, Siemens, Bosch, STADA und METRO getätigt. Der Deutsch-Serbische Wirtschaftsverband hat mittlerweile mehr als 250 Mitglieder und die Zusammenarbeit entwickelt sich weiter. Wie Udo Eichlinger, Präsident der Deutsch-Serbischen Handelskammer (AHK Serbien) sagt, suchen immer mehr deutsche Unternehmen gezielt nach Lieferanten aus Serbien.
Andererseits müssen viele Herausforderungen angegangen werden. Heftig diskutiert wird darüber, dass Investoren aus dem Ausland umfangreiche Fördermittel erhalten, die einheimischen Unternehmen nicht zur Verfügung stehen. Darüber hinaus bedrohen einige ausländische Firmen die ökologischen Standards in Serbien, so wie das chinesische Stahlwerk in Smederevo. Die Ankündigung des berüchtigten britisch-australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto, Lithium abbauen zu wollen, beunruhigt Umweltaktivisten und Oppositionsparteien.1 Das Ergebnis ist noch offen, aber angesichts der schwachen Opposition und der starken politischen Unterstützung für das Projekt (so auch von der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihres Belgrad-Besuchs im Sommer 2021) stehen die Chancen gut, dass Rio Tinto mit der Lithiumförderung beginnt – ökologische Standards in Serbien würden dann ignoriert.
Ausblick
Serbien hat es geschafft, die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 erfolgreich zu bewältigen und bereits das Niveau vor der Krise zu erreichen. Offen bleibt jedoch, ob die vorzeitige Lockerung der Präventionsmaßnahmen das Wirtschaftswachstum Serbiens langfristig negativ beeinflussen wird. Sobald das Ausgangsniveau vor der Krise erreicht ist, müssen die vorhandenen Maßnahmen überprüft werden. Die wirtschaftliche Gesamtlage bleibt unsicher, nach den Wahlen im Frühjahr müssen die bisherigen finanzpolitischen Maßnahmen auf den Prüfstand.
Aus dem Englischen übersetzt von Christof Dahm.
Fußnote:
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Vgl. dazu die Hinweise im Beitrag von Nikola Burazer in Fußnote 2. ↩︎