Samen des Lichts
Verschobene Antworten
Sinnfragen kommen zumeist aus meinen momentanen Gefühlen und Stimmungen. Sie hängen fast immer mit der Frage aus dem Inneren zusammen, die ich manchmal auch laut zu stellen wage: „Bin ich zufrieden?“ Die Antwort darauf verschiebe ich regelmäßig auf ein anderes Mal. Vielleicht auf das Mal, wenn mich die Musen wieder besuchen. Ich habe einfach keine Freude am Nachdenken über den Sinn des Lebens. Lieber höre und lese ich, worin andere den Sinn des Lebens gefunden haben und wie sie in ihm bleiben können. Mich interessiert, wie man mit Stil und sinnvoll von den Höhen und Gipfeln (des Erfolgs und des Ruhms) in die Niederungen kommt, in die Ebene (des Lebens), und noch tiefer, wie man zum Ausgang kommt.

Mir kommt es vor, als sei mir der Sinn des Lebens klar, als hätte ich ihn schon lange entdeckt. Oder er hat mich entdeckt. Ich neige dazu, letzteres zu glauben, an den Sinn als eine persönliche Größe. Wenn es so ist, dass der Sinn des Lebens mich gefunden hat, dann könnte er eher über mich sprechen als ich über ihn. Vielleicht ist es der Wahrheit am nächsten, dass wir sozusagen nebenbei den Sinn des Lebens finden, einfach, indem wir leben. Vielleicht war der Sinn schon von Anfang an tief in uns verborgen. Wir suchen uns hartnäckig in der Zeit, in einem Versteckspiel nähern wir uns schüchtern aneinander an, bis wir plötzlich verstehen, dass wir ineinander sind. Und tatsächlich waren wir immer schon eines, wir waren einander mal Licht, mal Schatten.
Erst später habe ich erfahren, dass der Sinn älter ist als ich und dass er mich von Anfang an gesehen hat, während ich ihn erst später wahrgenommen habe. Und während er mich von Anfang an ganz gesehen hat, sehe ich ihn bis heute nur von hinten.
Ich habe dich nicht erfunden
Sondern du hast mich erfunden
Und erfindest mich jeden Morgen
Und weckst mich, damit ich errate,
wer ich bin und was ich sein könnte.
Am Lächeln spüre ich
Dass dir meine Ahnung gefällt.
Der Gedanke an ein Geschenk
Hat der Sinn des Lebens etwas mit der Berufung und dem Beruf zu tun? Mir scheint, beide sind eng miteinander verbunden. Ich kann aber nicht genau sagen, wie. Als habe sich der Sinn des Lebens von Anfang an in der Berufung und Sendung beziehungsweise im Beruf eingerichtet. Wenn ich Berufung und Beruf mit dem Sinn in Verbindung bringe, kommt mir der Gedanke an ein Geschenk, daran, dass unsere Existenz wesentlich von außen bestimmt ist. Wir können sie nur bekommen und annehmen. Das Geschenk und das Schenken gehen uns voraus und überholen uns. Großzügigkeit stellt auf ihre eigene Weise unseren ursprünglichen geistlichen Ausgangspunkt dar, unsere natürliche und richtige Umgebung. Diese Umgebung berührt uns immer mehr, sie spricht uns immer lauter und immer klarer an. Wenn ich aber die Sendung mit dem Sinn in Verbindung bringe, dann bewegt sich der Pfad meiner Gedanken lieber von innen nach außen.
Während Berufung und Beruf Rede, Wort sind, ist die Sendung mehr Gegenrede, Ant-Wort, oder, anders gesagt: Berufung und Beruf sind Geschenk, Gabe, und die Sendung ist Gegengabe. In der Sendung trifft das Äußere auf das Innere, das Allgemeine auf das Spezielle, das Abstrakte und Objektive auf das Subjektive und Konkrete. Der Sinn ereignet sich und erfüllt sich in der Antwort auf den Ruf, auf die Einladung. Der Sinn wird in der Sendung besonders und ganz persönlich. Wo es Gespräch gibt, Wort und Antwort, dort zeigt sich der Sinn. Wo es die Dynamik von Gabe und Gegengabe gibt, dort beginnt der Sinn seine sichtbaren und konkreten Formen anzunehmen. Im Sinn ist, so scheint es, eine tief und untrennbar eingewobene Dimension von (wechselseitigen) Beziehungen. Vielleicht ist es zu gewagt zu behaupten: Beziehungen, die zu Gott wie die zu sich selbst, zu den Nächsten und zur Welt, zur belebten und unbelebten Schöpfung, sind die Tragepfeiler des Sinns.
Frühe Anfänge in der Kindheit
Die Kindheit ist sicher nicht vom Nachdenken über den Sinn des Lebens gekennzeichnet. Aber die, die uns aus der Nähe betrachtet haben, wenn wir als Kinder gespielt haben, konnten schon damals erkennen, dass wir Sinn für dieses oder jedes hatten. Schon damals ließen sich die in uns bestimmten Eigenschaften ahnen, die uns mit dieser oder jener Arbeit, Beschäftigung oder Berufung besonders verbunden haben. Ich erinnere mich, dass ich mit den Kindern aus der Nachbarschaft Hirt und Herde gespielt habe, den Busfahrer nachgemacht habe, aus Fischerkisten Häuser gebaut habe. Doch am meisten hat es mir „Spaß“ gemacht, einen Priester zu spielen, kleine Altäre zu machen, Messgewänder zu schneidern, „die Messe zu feiern“ und Predigten zu halten. Aus den Nachbarräumen hörte ich als Echo auf meinen „priesterlichen Dienst“ Lachen und witzige Kommentare der Hausbewohner und Nachbarn. Aber sie haben mich bei meiner „ernsten“ Arbeit nicht im Geringsten gestört. Meine Flügel sind eher noch gewachsen. In mancher Hinsicht war es mir sogar lieb, Publikum zu haben, dass jemand mein Handeln bemerkt, meinen Predigten zuhört. Und wenn ich von den Zuhörern gelobt wurde, hat mir das natürlich gefallen.
Es war noch weit bis zu meiner Entscheidung, als junger Mann ins Priesterseminar einzutreten. Vorher waren das Schreiben der ersten Buchstaben auf erdigem Untergrund im Garten, das Rennen in die Grundschule, der eifrige, fast tägliche Besuch der heiligen Messen und das Ministrieren, gleichzeitig das erste Verliebtsein und die „Leiden des jungen Werther“, das Schreiben der ersten Gedichte in der Schriftsprache und im örtlichen Dialekt und ihr Abdruck in der Schülerzeitung. All diese meine frühen Tätigkeiten waren, soweit sie von außen bewertet wurden, von Kommentaren in der Art von „Der Kleine, er hat Sinn dafür!“ begleitet.
Wie sehr ich mit kirchlichen Veranstaltungen verwachsen war, illustriert vielleicht am besten ein Ereignis, als ich als Zwölfjähriger in der sechsten Klasse einen Vorfall verursacht habe. Als ich hörte, wie die Glocken zur Weihnachtsmesse läuteten (damals musste man bei uns Weihnachten zur Schule gehen), stand ich auf und bat die Lehrerin, mich zur Kirche gehen zu lassen, worauf sie entsetzt reagierte. Sie erregte sich, rief meinen Klassenlehrer, der mich bisher als Schüler sehr geschätzt hatte (dabei war er ausgesprochen antikirchlich eingestellt), und informierte ihn über meine Bitte, worauf er kurz und entschieden sagte: „Du kannst gehen, aber du sollst wissen, dass das Folgen haben wird!“ Ich nahm meine Tasche, fast ohne zu hören, womit mir der Klassenlehrer gedroht hatte, ging schnell aus der Klasse und direkt in die Kirche zum Weihnachtsgottesdienst. Natürlich hatte das Folgen, und sie sind mir noch lange nachgegangen, sogar später noch als Wehrpflichtigem. Der Klassenlehrer schob die größte Schuld für diesen „unschönen“ Vorfall auf meine Mutter. Er war sicher, dass sie das angerichtet hatte. Doch sie hatte nichts damit zu tun. Die „Schuld“ lag ausschließlich bei mir. Ich konnte dem Ruf der Weihnachtsglocken und dem Zauber der Weihnachtsliturgie nicht widerstehen, und ich konnte diese besondere Stimmung nicht verpassen.
Aber als Kind hatte ich nicht für alles Sinn. Mein Vater, ein Böttcher, fertigte Fässer an. Er fischte auch und hatte einen Weinberg. Ich erinnere mich, dass er sich manches Mal über mein ungeschicktes Verhalten geärgert hat, wenn wir das Netz ins Meer ließen oder wenn ich ihm den Fassreifen in der Werkstatt halten sollte. Auch einen großen Landwirt sah er in mir nicht. In all diesen praktischen und manuellen Arbeiten wirkte ich auf ihn ungeschickt, im Unterschied zu meinen beiden Brüdern, einer älter und einer jünger, auf die er bei diesen Tätigkeiten ziemlich stolz war. Mich sah er hinter dem Buch und mit Kerzen. Dabei dachte er vor allem an Schule und Kirche, besonders an den Altar, wo ich die Kerzen anzündete.
Auf dem Weg zum Priestertum
Keine ernsthafteren Gedanken über den Sinn des Lebens sind in mein Inneres gedrungen. Darüber sprach manchmal der Religionslehrer am Ende der Grundschule. Öfter sprachen die Erzieher im Priesterseminar in ihren Ansprachen und Predigten über den Sinn des Lebens. Doch ich war sicher nicht auf dem Weg zum Priestertum, weil ich früh den Sinn des Lebens entdeckt hätte. Ich wage zu sagen, dass mich solche Überlegungen und auch die Beispiele, die man uns während der Priesterausbildung in dieser Hinsicht vor Augen führte, nicht wesentlich bestimmt oder auf mich Einfluss hatten. Ich kann sagen, dass ich nicht auf der Suche nach dem Sinn des Lebens Priester geworden bin.
Priester bin ich geworden, weil ich meinen inneren Anstößen und Neigungen gefolgt bin, indem ich meistens das getan habe, worin ich mich sicher fühlte, was ich relativ leicht und geschickt machen konnte, indem ich mich mit dem beschäftigte, was mir Zufriedenheit brachte und wofür ich Anerkennung bekam, manchmal auch Lob. Für mich war es wichtig, dass ich mich fast immer in der Gesellschaft von Menschen befand, unter denen ich mich wie zu Hause fühlte. Ich drängte mich nie in einem Raum, in dem ich nicht das sein konnte, was ich bin.
Ich hatte besonderes Glück, dass ich auf dem Weg zum Priestertum Freunde fand, die anders waren als ich. In ihrem anderen Benehmen, ihren Ansichten und ihrem Urteil über bestimmte Phänomene und Akte, in ihren kreativen Fähigkeiten und künstlerischen Ideen fand ich den Impuls für eine besondere Kreativität. Im engen Austausch mit ihnen wuchs ich in meiner Selbsterkenntnis und meiner inneren Freiheit. Die Horizonte der Welt wurden immer breiter und reicher, und ich wurde vor ihnen immer erstaunter, verspielt und tapfer, immer mutiger für einen ungewöhnlichen Weg.
Das warme Echo der Gläubigen
Nachdem ich Priester geworden war, wurden meine Kinderspiele eine Wirklichkeit, die ich genießen konnte. Und heute, nach 36 Jahren Priestertum fühle ich mich am Altar am wohlsten. Ich feiere gerne die Eucharistie und predige gerne. Ich empfinde das als einen besonderen Segen. Die Augen, die meine Worte einsaugen, und ebenso die Worte der Gläubigen, die ein warmes Echo der Eucharistiefeier und der Predigt sind, stärken mich und helfen mir, auch heute ein froher und treuer Verkünder des Wortes Gottes und ein Verwalter der heiligen Sakramente zu sein.
Den größten Teil meines Priesterlebens habe ich an der Universität verbracht, wo ich Fragen der dogmatischen Theologie untersucht und gedeutet habe. Obgleich Vorlesungen nicht dasselbe sind wie Predigten, helfen mir bis heute eine kindliche Verspieltheit und mein südliches Temperament, bestimmte schauspielerische Fähigkeiten sowie eine Gabe für ein bildhaftes, poetisches Wort dabei, das Interesse meiner Studentinnen und Studenten zu gewinnen und wenigstens in einigen von ihnen die Neugierde für weitere Forschungen und Untersuchungen zu erwecken. Ihre klugen Bemerkungen und Fragen am Ende der Vorlesung und die richtigen und guten Antworten in den Prüfungen bringen mir Freude und Kraft, dass ich auch heute vortragen kann und nicht nur vorlesen (also trocken und kalt theologische Fakten und nacktes Wissen aufzählen).
Die Ehrfurcht vor Literatur und die poetische Gabe, die ich schon als Grundschüler hatte, als ich Mitglied der Literaturgruppe und der Vortragsgruppe war, haben mich auch in den späteren Etappen meines Lebens nicht verlassen. Als Abiturient zeigte ich dem Priester, Theologen, Kulturhistoriker und Dichter Ivan Golub die Zeitschrift „Zmajević“ des Priesterseminars, deren Redakteur ich war und in der ich mehrere Prosastücke und Gedichte veröffentlicht hatte. Beim Durchblättern blieb er mit großer Aufmerksamkeit an meinen Gedichten hängen. Er lobte mich, hob die Bildhaftigkeit der Gedichte hervor, griff einige interessante Ausdrücke heraus und analysierte sie. Golub ermunterte mich lebhaft dazu, weiter Gedichte zu schreiben. Man kann sich vorstellen, welcher Windstoß in meine jugendlichen „Dichtersegel“ seine Worte waren!
Neben Fach- und wissenschaftlichen Büchern und vielen Artikeln habe ich auch vier Gedichtsammlungen veröffentlicht: „Ich mag es, wenn du lachst“ (2000), „Samen des Lichts“ (2004), „Das lachende Licht der Welt“ (2014) und „Ich glaube ihm“ (2020). Mein Kollege als Priester und Dichter, Anton Šulić, nannte seinen 2021 erschienenen Essay im Sammelband „Dota", in dem er meine Poesie analysierte: „Licht und Lachen/Lächeln als theologischer und poetischer Ort“. In meinen Gedichten gibt es tatsächlich viel Licht und Lachen oder Lächeln, aber auch manchen Schatten und Wehmut.
In der Poesie bin ich am meisten bei mir. Was ich in einem theologischen wissenschaftlichen Fachartikel nicht ausdrücken kann, das kann ich im Vers und im Gedicht sagen. Ich freue mich sehr darüber, wenn jemand sich in einem unerwarteten Moment an diesen oder jenen Vers aus einem Gedicht von mir erinnert. Oder wenn jemand in meinen Bildern seine eigene Stimmung erkennt, wenn er in meinem Wort ein Samenkorn von Licht für sein Herz, für seine Seele entdeckt.
Du hast dein Wort in Sinn verkörpert.
Du wolltest mich nicht vom Wort trennen
dem schöpfenden, von meiner Mutter.
Du ließest es in mir
und mich ließest du in ihm
Damit ich für immer sinnschwanger sei.
Ja! Der Sinn ist in uns verborgen. Er ist persönlich. Er verbirgt sich in dem, was wir lieben und was wir genießen, in dem, was wir gerne machen, in dem, wo wir uns zu Hause fühlen, bei uns, angenehm und sicher! Der Sinn eröffnet sich im Schaffen, im Genuss des Schaffens, und er wächst und blüht in der Begegnung, in der Freude des Schenkens, in der Gabe und der Gegengabe.
Erinnere dich, lieber Freund
An unser Erwachen morgens
An die Sonne, die mit uns Tränen gelacht hat
Bewahre für den Weg zu den Sternen
Die Freude des Wortes, das du in mich gelegt hast.
Aus dem Kroatischen übersetzt von Thomas Bremer.