Fußballfans und der neue Faschismus

Beispiele aus Serbien
aus OWEP 4/2013  •  von Ivan Čolović

Prof. Dr. Ivan Čolović ist Ethnologe und politischer Anthropologe, Verfasser zahlreicher Veröffentlichungen (auf Deutsch u. a. 2011 „Kulturterror auf dem Balkan“) und Mitbegründer des „Belgrader Kreises“. Für sein Wirken hat er zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten.

Zusammenfassung

Unter den Fußballfans in Serbien gibt es zahlreiche gewaltbereite Gruppierungen, die die Kulisse des Sports für ihre Parolen nutzen. Der folgende Beitrag vermittelt einen Einblick in die Gedankenwelt und den gesellschaftlichen Hintergrund dieser Strömungen. – Der Text entstammt einem Sammelband, der 2012 in Belgrad mit dem Titel „Simptomi nerešenog sukoba“ (Symptome eines ungelösten Konflikts) erschienen ist.

Die gewalttätigen Fußballfans in Serbien, organisiert in verschiedenen Gruppen, sind fest davon überzeugt, dass sie das Beste sind, was dieses Land hat, eine Säule bei der Verteidigung der serbischen nationalen Interessen und der nationalen Identität. Sie sehen sich als Hüter der serbischen Heldentradition und des orthodoxen Glaubens, und sie wollen in jeder Schlacht für Serbien in erster Reihe mit dabei sein, ob sie nun auf dem grünen Rasen oder an anderer Stelle geschlagen wird. Man muss sie nicht rufen, sie sind da, bereit zum Töten, Zerstören und Plündern „für unsere Sache“, also für das Serbentum und die Orthodoxie. Daher überrascht es nicht, dass man, wenn man die Internetseite der Fans des FC Roter Stern Belgrad öffnet, die sich „Delije“ nennen, ganz oben keine Sportparole findet, also etwa eine Unterstützungsbotschaft der Fans für ihren Klub, sondern die Parole „Kosovo ist Serbien“, die seit etwa zehn Jahren als Reklame der so genannten gesunden nationalen Kräfte dient.

Für mich war es ebenso wenig eine Überraschung, als ich dieselbe Parole, aber in italienischer Sprache („Kosovo è il cuore della Serbia“) auf einem Transparent gesehen habe, das serbische Hooligans in dem Moment gehalten haben, als sie am 12. Oktober 2010 in Genua das Spiel Italien gegen Serbien unterbrochen haben. Der Hauptakteur dieses Zwischenfalls war ein junger Mann namens Ivan Bogdanov, der auf seinem ganzen Körper mit verschiedenen Glaubens-, Kriegs- und Nationalsymbolen tätowiert ist, die er – als ihn die italienische Polizei abführte – stolz den Journalisten gezeigt hat. Diese haben gemerkt, dass Bogdanov eine „laufende Galerie“ ist, und aufgezählt, was man auf einigen dieser Bilder sehen kann: eine Handgranate, einen Totenschädel, die Kirche des Hl. Sava in Belgrad, das Wappen von Belgrad, das Jahr [der Schlacht auf dem Amselfeld, A.d.Ü.] 1389, ein orthodoxes Kreuz mit dem Wappen von „Roter Stern“, einige Engel mit Flügeln … Der „Galerist“ Bogdanov hat ihnen erklärt, er sei ein serbischer Patriot, der Italien liebe, aber mit seinen Freunden den Zwischenfall provoziert habe, um die Aufmerksamkeit der italienischen patriotischen Öffentlichkeit auf das Kosovo-Problem zu lenken, das die linke Regierung Serbiens, die er als „demokratische Diktatur“ beschrieb, nicht zu lösen vermöge. Ein anderer in Genua inhaftierter Fans sagte einem Journalisten des „Corriere della sera“ das Gleiche und zeigte so, dass die ideologische Arbeit dieser Gruppe vor der Reise nach Genua gut koordiniert war: „Was wir erreichen wollten? Das, was Sie gesehen haben. Wir haben die Hölle angerichtet, weil wir das Kosovo wollen!“1

Foto aus der Belgrader Zeitung „Alo” (Ausgabe vom 5. Oktober 2010)

Obwohl sich die Hooligans in Serbien schon seit Jahren hartnäckig und laut als wichtiger politischer Faktor und relevante gesellschaftliche Größe darstellen, wird die politische und ideologische Seite ihres gewaltsamen Betragens in Serbien kaum bemerkt oder man schenkt ihr keine größere Aufmerksamkeit. Wenn in der Öffentlichkeit ihr Auftreten verurteilt wird, dann sind das vor allem Verurteilungen asozialer und krimineller Akte, gegen die Polizei und Justiz vorgehen sollten, die aber keine politisch-ideologische Basis hätten, über die man Worte verlieren müsste. Allein mit dieser Unterschätzung der Politik und der Ideologie, die die Hooligans beflügeln, lässt sich erklären, wie die Kommentatoren eines Zwischenfalls beim Spiel von Partisan Belgrad gegen Schachtjor Donezk am 12. Dezember 2009 ein wichtiges Element übersehen konnten. Damals wurde eine Plastikpuppe getreten und geschlagen, die die Journalistin Brankica Stanković darstellen sollte, Autorin einer 2009 vom Sender B 92 ausgestrahlten Fernsehserie über die Verbindungen zwischen Fangruppen, Kriminellen und der extremen Rechten. Dabei wurde von den Fans eine Todesdrohung in Form einer gereimten Botschaft während dieses „Happenings“ skandiert: „Brankica, du Nutte, giftig wie eine Schlange / wie Ćuruvija lebst du nicht mehr lange!“ Das war eine deutliche Anspielung auf die Ermordung des Journalisten Slavko Ćuruvija 1999 in Belgrad durch Agenten des Geheimdienstes.

Die Journalisten und anderen Kommentatoren, die über diesen symbolischen Lynch einer Journalistin geschrieben haben, haben darauf geachtet, was die Hooligans mit der Plastikpuppe gemacht haben, sind aber mit keinem Wort darauf eingegangen, dass hier mit zwei Symbolen manipuliert wurde, nicht nur mit einem. Denn neben der Puppe war die ganze Zeit ein Plakat mit dem Gesicht von Kaiser Dušan zu erkennen. Erst wenn man auch dieses zweite Symbol beachtet, diese andere, kaiserliche Figur, erhält man den vollen Sinn des genannten Hooligan-Happenings; denn dann wird klar, dass sich die Truppe, die es aufgeführt hat, nicht als Zerstörer von Ordnung und Gesetz, sondern im Gegenteil als Hüter ihres authentischen Geistes sieht und empfiehlt. Deswegen stellen sie sich unter das Kommando des serbischen Kaisers, der das erste Gesetzbuch erlassen hat und der somit eine Art von Schutzheiliger der serbischen Justiz ist, was allein dadurch deutlich wird, dass sein Denkmal vor dem Justizpalast in Belgrad steht. Wir sind nicht einfach primitive Raufbolde – so die Botschaft der Teilnehmer am symbolischen Lynch –, sondern wir sind die bewusste serbische Jugend und respektieren die serbische Tradition und die serbische Gerechtigkeit. Wir sind nicht gegen Ordnung, aber wir sind für die echte, strenge, männliche und nur serbische Ordnung, vor der Heiden, Verräter, Schwule und sonstiger menschlicher Abschaum erzittern werden.

Wenn die serbischen Hooligans von heute sich eine so wichtige nationale Rolle geben, setzen sie die Tradition fort, die ihre Vorgänger begründet haben, die Fans, die in den Kriegen in Kroatien und Bosnien 1991-1995 gekämpft haben. Für diese zu Freiwilligen gemachten Fans war die Teilnahme an Aktionen von paramilitärischen Einheiten, die sich in diesen Kriegen engagiert hatten (etwa die „Serbische Freiwilligengarde“, deren Gründer und Kommandant Željko Ražnatović war, bekannt als Arkan), die Fortsetzung der Auseinandersetzungen in den Stadien, nur mit etwas besseren Mitteln als denen, derer sie sich bisher bedienen konnten. Das war die erste Generation von Fans, die in Serbien den Ruf von kompromisslosen Kämpfern für die nationale Sache erlangt hat, ein Ruf, der auch heute hier nicht hinterfragt wird. Die jungen Mitglieder der heutigen Fanclubs empfinden ihnen gegenüber große Achtung und pflegen eine Art Kult gegenüber diesen ihren Vorfahren. Man spricht von ihnen als heiligen Kriegern und legt vor ihnen einen Eid von Treue und Ergebenheit ab. So heißt es auf einer Website der Fans von Partisan: „Die erste Truppe von Anhängern aus Šabac ging an die Front, um das Serbentum und den Glauben des Heiligen Sava zu verteidigen, entsprechend ihrer ultrarechten politischen Ausrichtung, und machte so Platz für eine neue Welle von Fans, die ungeachtet aller gesellschaftlichen und sozialen Wirrungen die heilige Tradition ihrer Vorgänger fortsetzen.“2

Ihre Kriegs- und Fanerfahrung erinnert die heutigen Hooligans daran, dass sie auch in Friedenszeiten jenen äußersten Sinn und den Gipfel an Genuss erreichen, den jene berühmten Hooligan-Vorfahren erreicht haben, die im Krieg im Namen Serbiens geplündert und getötet haben. Die, die Brankica Stanković mit dem Tod bedroht und die in Genua gewütet haben, wie auch die, die am 17. September 2009 auf einer Straße in Belgrad unmittelbar vor dem Spiel des FC Toulouse gegen Partisan Belgrad Brice Taton erschlagen haben, einen Fan des französischen Klubs, hatten das Beispiel ihrer älteren Kameraden vor Augen, der heiligen Krieger aus den neunziger Jahren, die in ihrer Begeisterung bis zum Äußersten gegangen sind.

In der Zwischenzeit haben sich die Hooligans in Serbien an die Bedingungen der postkommunistischen Transformation angepasst, obgleich sie dem Vermächtnis ihrer Vorfahren treu bleiben und sich als ihre legitimen Erben darstellen. Das hat sie keinesfalls daran gehindert, am 5. Oktober 2000 an den Demonstrationen teilzunehmen, die das Ende der Herrschaft von Slobodan Milošević einläuteten, des einst unantastbaren serbischen Führers, dem ihre älteren Kameraden noch Loblieder gesungen hatten. Sie haben sich aus demselben Grund von ihm abgewandt, aus dem das auch viele andere Teilnehmer der so genannten „5. Oktober-Revolution“ getan haben, darunter die Leitung der Serbischen Orthodoxen Kirche (SOK), die Führer einiger politischer Parteien und viele angesehene Mitglieder der Akademie; sie hatten nämlich verstanden – als Milošević die Kriege verlor, die er führte –, dass er doch nicht gut ist für das Serbentum und die Orthodoxie, bzw. dass er nicht mehr in der Lage ist, ihre Ambitionen zu erfüllen und ihre Privilegien zu schützen.

Heute gelingt es den Hooligans, sich als Akteure des Sportlebens aufzudrängen, die erheblich einflussreicher sind als die Sportler selber. Es ist wichtiger (interessanter, ernster, lehrreicher) geworden, was sie während des Spiels machen, als das, was die Spieler tun. Vor ihnen hat man Angst, und ihnen kommen Vereinsführungen, Trainer und Spieler entgegen. Es ist vorgekommen, dass sie ein Training unterbrochen und Spieler wie Trainer verprügelt oder ihre Autos auf dem Parkplatz zerstört haben. Um sie gnädig zu stimmen, zeigen sich die Vereinsführungen ihnen gegenüber erkenntlich. Einige Tage vor dem Mord an Brice Taton habe ich auf der Sportseite der Zeitung „Politika“ in der Ausgabe vom 14. September 2009 die Nachricht gefunden, dass die Fans von Roter Stern Belgrad auf dem Spielfeld des Stadions Konditionsübungen unter der Leitung des Konditionstrainers des Klubs machen. Der Trainer sagte stolz, dass seine Zusammenarbeit mit den „Delije“ schon länger als zwei Jahre dauere, und fügte hinzu, dass „es für Roter Stern wichtig ist, dass seine Fans gut in Form sind“. Ich glaube zu wissen, wozu die physische Vorbereitung von Fußballern dient, aber für welche Gelegenheit sich die Fans konditionell vorbereiten – aber ich glaube, eigentlich weiß ich das auch.

Aber auch diese gut trainierten Fans geben sich heute nicht damit zufrieden, eine wichtige Rolle in den Klubs zu haben, deren Anhänger sie angeblich sind, sondern sie streben danach, einflussreiche Akteure des gesellschaftlichen und politischen Lebens insgesamt zu sein. Doch am liebsten stellen sie sich dar als eine Art von Moralpolizei, als zornige Gerechte und moralische Saubermänner. Bei der Fangruppe von Partisan Belgrad, die sich den Namen „Südfront“ gegeben hat und die von der Vereinsleitung als Partner anerkannt wird, heißt eine der anerkanntesten Untergruppen oder, wie man sagen könnte, eine der Eliteeinheiten „Hüter der Ehre“; sie wurde an dem Tag gegründet, an dem die Serben – wie die serbische nationalistische Mythologie sagt – große Dinge tun, nämlich am Veitstag 2004. In dieser Rolle, als moralische Saubermänner, sind die Fans bereit, mit „moralisch gestolperten“ Bürgern abzurechnen, mit „schlechten Serben“, etwa mit den Teilnehmern an „Pride-Paraden“ oder mit Ausländern, die sich auf den heiligen serbischen Boden verirrt haben, wie es der unglückselige Brice Taton war.

Der Staat Serbien war bis vor kurzem gegenüber diesen Hooligans und ihren Bemühungen, den Serben mit Prügeln beizubringen, was Serbentum und nationale Ehre heißt, äußerst nachgiebig. Er hat eine Integrationspolitik ihnen gegenüber versucht, eine Befriedung, Legalisierung, als würden die Kampfeinheiten der Fans und ihre Stoßtrupps, wenn sie ein wenig Aufmerksamkeit der Bevölkerung bekommen und etwa die Produktion und den Verkauf von Fanartikeln kontrollieren könnten oder die Möglichkeit hätten, in der Leitung der Sportklubs mitzuwirken, anders und akzeptabel werden und mit ihren fremdenfeindlichen und rassistischen Ausfällen aufhören. Der Staat hat sich ihnen gegenüber benommen wie zu eigentlich guten, aber gerade unartigen Kindern, die Serbien in ihrem Herzen haben und das manchmal auf eine etwas grobe Art zeigen.

Aber in der letzten Zeit, vor allem nach dem Mord an Brice Taton, hat der Staat seine Beziehung zum Terror der Hooligans verändert. Gesetze wurden verabschiedet, die die Ausschreitungen der Fans streng sanktionieren und auf deren Grundlage einige zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Wichtiger ist, dass der Staat Warnungen ernster nimmt, wonach die Fanklubs oft mit extrem rechten Organisationen in Serbien verbunden sind („Dveri“, „Obraz“, „Naši“, „Pokret 1389“), und dass die Ausschreitungen, die diese Gruppen provozieren oder an denen sie sich beteiligen, nicht einfach aus einem Zuviel an Energie kommen, Folge der Jugendarbeitslosigkeit sind oder von Versäumnissen in ihrer Erziehung zeugen, sondern dass diese Ausschreitungen klare politische Ziele haben und eine Ideologie, durch die diese Ziele legitimiert werden.

Der serbische Präsident Boris Tadić sagte, als er über den Mord an dem französischen Fan sprach, dass dieser „die Fortsetzung der Gewalt aus den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts“ sei, und er nannte noch einige Fälle, die diesen, wie er sagte, „ununterbrochenen Gewaltfaden“ bilden. Es ist besonders wichtig, dass er bei dieser Gelegenheit die Gewalt der Hooligans mit dem Faschismus in Verbindung gebracht hat, was lange von der politischen Führung Serbiens erwartet wurde, die sich verbal für den europäischen Weg unseres Landes einsetzt. Zwar war seine Aussage darüber einigermaßen widersprüchlich, denn er hatte vorher gesagt, dass uns „Gewalt konsequent in den Faschismus“ führt, und dann hinzugefügt, dass man die „Ideen, die die Gewalt unterstützen“, identifizieren müsse. Jedenfalls stellt die Aussage, es sei nötig zu sehen, welche Ideen den Terror der Fans unterstützen, und die Meinung, dass das faschistische Ideen sein könnte, eine neue Haltung des serbischen Staates gegenüber diesem Problem dar.

Doch stellt sich die Frage, in welchem Maße der Staat Serbien für diese neue Herangehensweise an das Problem der Hooligans – wenn wir voraussetzen, dass die Aussage von Tadić die Ankündigung einer neuen Herangehensweise ist – die Unterstützung der serbischen Gesellschaft haben wird. Es lässt sich erwarten, dass eine eventuell ernsthaftere Untersuchung des politischen und ideologischen Hintergrunds des Fanterrors bei den größten politischen Parteien, der kulturellen Elite und der SOK auf Verständnis stoßen würde, soweit sie sich auf die Verbindung der Fans zu einigen schon bekannten und gesetzlich sanktionierten extrem rechten Gruppen und Organisationen beschränken würde, wie das etwa die „Nacionalni stroj“ und „Obraz“ sind, die zumeist auf eigene Rechnung agieren. Doch sehr wahrscheinlich gäbe es ein solches Verständnis nicht, wenn der Staat es wagen würde festzustellen, dass die Ideen, die die Hooligans befeuern, auch einige andere religiös-patriotische Organisationen propagieren, wie etwa „Srpski sabor Dveri“, „Naši“ und „Narodni pokret 1389“. Denn diese Organisationen haben in der so genannten patriotischen Öffentlichkeit Serbiens Unterstützung, vor allem aber in der SOK. Manchen von ihnen bekommen sogar Mittel vom Staat; so haben das Kulturministerium, das Religionsministerium und das Ministerium für Kosovo und Metohija in den letzten Jahren Programme von „Dveri“ finanziert.

Wie all diese extrem rechten Organisationen, so bemühen sich auch die Fangruppen, sich als gute gläubige Orthodoxe darzustellen und ihre parapolizeilichen Aktionen gegen verirrte Serben und unerwünschte Ausländer als Tätigkeiten in Übereinstimmung mit den Ideen des Heiligen Sava darzustellen. Die orthodoxe Kirche geht nicht nur schweigend darüber hinweg, sondern kommt dieser „gesunden, patriotisch eingestellten Jugend“ oft entgegen. Das ist nichts Neues: Dieselbe Kirche hatte auch Verständnis für die Kriegsuntaten von Željko Ražnatović und seinen Hooligan-Freiwilligen, denn er hat sich als ein großer Orthodoxer dargestellt und die Kirche hat das durch Patriarch Pavle selber im Lichte der biblischen Botschaft ausgelegt, als Rückkehr des verlorenen Sohnes in den Schoß der Mutter Kirche. So stört es auch heute viele in der Kirche nicht, mit den Delije und anderen Fangruppen zusammenzuarbeiten. So haben bei der Feier des Veitstages auf dem Amselfeld am 28. Juni 2009, die vom Bistum Raška-Prizren der SOK mitveranstaltet wurde, die Delije die Aufgabe bekommen, das dortige Denkmal für die serbischen Helden mit einem Tuch zu überdecken, auf dem eine Ikone von Fürst Lazar und ein serbisches Wappen waren.

Das wurde gewissermaßen schon ein Jahr zuvor in der Zeitung des serbischen Patriarchats „Pravoslavlje“ angekündigt (15. November 2008), als dort ein Interview mit zwei Anführern der Fans von Roter Stern veröffentlicht wurde. Die Kirche hat ihnen die Seiten ihres Blattes geöffnet, weil es an anderen Stellen „nicht zugelassen wird, dass man ihre Stimme hört“. Und sie haben sehr gottgefällige Dinge gesagt, etwa dass „90 Prozent der Fans ein tief religiöses Gefühl in sich haben“, dass das „Menschen sind, die Gemeinschaft lieben“ und dass sie „die Stimme des Volkes darstellen“. Sie haben auch die interessante Angabe gemacht, dass es eine Initiative gibt, eine internationale Organisation orthodoxer Fans zu gründen, wobei eine Fangruppe von Spartak Moskau, die „Gladiatoren“ heißt, eine wichtige Rolle spielen wird. Vom Anführer dieser Gruppe haben sie erfahren, dass der einzige Kampf, den die Orthodoxie gutheißt, der mit bloßen Händen ist. Angesichts all dessen, was da gesagt wurde, trägt das Interview auch einen entsprechenden Titel: „Ohne Gott geht gar nichts.“

Hinsichtlich der Frage, ob sich der serbische Staat ernsthafter dem Terror der Hooligans entgegenstellt, indem er zuerst die neofaschistischen Ideen an der Wurzel dieses Terrors aufdeckt, heißt das, dass nichts geschehen wird, solange niemand die Frage nach der Verantwortung der kirchlichen Würdenträger und der Kirchenkreise stellt, die dem extremen Nationalismus ein Heimrecht gegeben haben und ihn selber propagieren. Das kann zu einer Krise in den Beziehungen zwischen Staat und Kirche führen, zu großer Unzufriedenheit der so genannten patriotischen Kräfte, zu Demonstrationen zur Unterstützung des Serbentums und des Heiligen Sava, der Helden von Den Haag und der Mörder von Zoran Đinđić3 – aber all das ist meiner Meinung nach der Preis, den dieser Staat akzeptieren muss, wenn er seine Bürger davon überzeugen will, dass er die säkulare Ordnung und die demokratischen und humanistischen Werte schützen kann, die Grundlage einer Republik sind. Auch in diesem Fall stehen wir vor der Entscheidung, die mein Freund, der französische Physiker Georges Wayzand, treffend so formuliert hat: „Bürger oder Faschist, das ist die Wahl!“

Aus dem Serbischen übersetzt von Thomas Bremer.


Fußnoten:


  1. Nach der Zeitung „Alo“, 05.10.2010. ↩︎

  2. www.juznifront.com. ↩︎

  3. Westlich orientierter Ministerpräsident Serbiens, am 12. März 2003 ermordet (Anm. d. Redaktion). ↩︎