Ferien auf dem Leuchtturm
Zusammenfassung
In Bremerhaven wurde im August 2022 der Leuchtturm an der Nordmole abgetragen. Er war hundert Jahre lang ein Wahrzeichen der Stadt, aber über Nacht um mehr als acht Grad zur Seite gekippt. Da erhebliche Zweifel bestanden, ob der Turm noch stabil war, entschieden die Behörden, ihn abzubauen. Der Niederländer Pepijn Niesten betreibt in Amsterdam die Webseite „bookalighthouse“, über die man weltweit Leuchttürme anmieten kann. Mit ihm sprach OWEP-Chefredakteurin Gemma Pörzgen. Niesten hatte eigentlich noch darauf gehofft, den Leuchtturm in Bremerhaven eines Tages Feriengästen anbieten zu können.
Wie kamen Sie auf die Idee, Leuchttürme als Ferienquartier zu vermieten?
Nach dem Jura-Studium bin ich nach Amsterdam gezogen, wo es viele Hausboote gibt, die vermietet werden. Wir haben dann ein Startup gegründet und damit begonnen, über unsere Webseite international die Vermietung von Hausbooten anzubieten. Das kam sehr gut an, und wir haben uns überlegt, welche ungewöhnlichen Ferienquartiere noch attraktiv sein könnten. Beim näheren Nachdenken kamen wir auf Leuchttürme, denn das sind einzigartige Orte.
Wie ging es weiter?
Wir haben zunächst recherchiert, wie viele Leuchttürme gibt es eigentlich? In welchen kann man wohnen, und wo befinden sie sich? Wir waren vor allem überrascht, wie viele Leuchttürme landeinwärts gelegen sind. Große Seen in der Schweiz oder in den USA haben beispielsweise auch Leuchttürme.
Wie viele Leuchttürme gibt es denn weltweit?
Es sind um die 80.000, aber die meisten werden nicht mehr genutzt. Sie werden meistens vom jeweiligen Land oder von einer Organisation wegen ihres historischen Wertes weiter erhalten. Es gibt nur wenige, die sich im Privatbesitz befinden und privat vermietet werden können. Einige hundert bieten Bed and Breakfast an. Wir haben dann angefangen, die Besitzer von allen Leuchttürmen zu kontaktieren, die wir finden konnten, und unseren Service anzubieten.
Wie war die Reaktion bei den potenziellen Vermietern?
Die fiel erstaunlich positiv aus. Viele wollten unsere Plattform nutzen, denn Leuchttürme sind sehr abgelegen, und die Vermieter waren froh über die Möglichkeit, sich international präsentieren zu können. Als Mietobjekt sind Leuchttürme sehr attraktiv und noch einzigartiger als Hausboote.
Wer sind die Leute, die einen Leuchtturm mieten wollen?
Das kann jeder sein, aber es sind wohl eher Abenteuertypen. Wer Luxus sucht, geht eher ins Fünf-Sterne-Hotel. Es sind Leute, die eine einzigartige Erfahrung suchen. So ein Aufenthalt im Leuchtturm wird sehr gerne verschenkt, beispielsweise für die Flitterwochen oder zum Geburtstag. Eben habe ich noch mit einer Französin telefoniert, die für ihren Sohn zum Geburtstag einen Leuchtturm mieten wollte. Es ist ein tolles Geschenk.
Sind das Kurzzeitaufenthalte oder bleiben die meisten länger?
Das hängt davon ab. Einige Vermieter setzen eine Mindestdauer von zwei Übernachtungen fest, manchmal sogar drei oder vier Nächte. Das hängt auch davon ab, wo der Leuchtturm steht und wie aufwändig die Anreise ist.
Was ist das Besondere an so einem Aufenthalt?
Oft muss man an abgelegene Orte reisen. Manchmal ist der Leuchtturm auf einer Insel, da muss man erstmal hinkommen, sei es mit dem Boot oder manchmal mit einem Helikopter. Das ist hin und wieder schwierig. Es gibt Boote, die fahren nur zwei Mal am Tag, sodass eine Überfahrt nur morgens und abends möglich ist.
Es gibt auch Leuchttürme, die mitten im Meer auf einem Felsen, auf einer Sandbank oder auf einer abgelegenen Insel liegen. Da kann es schon mal passieren, dass sich bei schlechtem Wetter die Abreise verschiebt, weil die See zu stürmisch ist. Feriengäste müssen dann bleiben, bis das Wetter wieder besser ist. Es kann also schon recht abenteuerlich werden.
Wie viele Leuchttürme bieten Sie auf Ihrer Webseite an?
Wir haben weltweit derzeit 80 bis 90 Leuchttürme im Angebot. In Kroatien haben wir ein schönes Angebot ganz in der Nähe von Dubrovnik. Grebeni ist eine Villa in einem umgebauten Leuchtturm mit acht Schlafplätzen auf einer Privatinsel. Es handelt sich um ein historisches Gebäude von 1872, das einen 360-Grad-Blick auf die Adriaküste und absolute Ruhe bietet sowie einen Zugang direkt zum Meer. Nachts ist der ganze Sternenhimmel zu sehen. Dort wird man mit dem Boot hingefahren.
Was kostet so ein Aufenthalt im Leuchtturm?
Der Preis für diesen Leuchtturm in Kroatien liegt bei 971 Euro pro Nacht, aber man mietet eben auch die ganze Insel mit dem Turm. Aber es gibt auch preiswertere Angebote, die etwa 150 Euro die Nacht kosten, beispielsweise in Schottland. Wir haben auch einen wunderschönen Leuchtturm auf La Palma, der drei Suiten von 200 bis 400 Euro bietet. Abgesehen von Kroatien hatten wir bislang noch Schwierigkeiten, Kontakte zu Leuchtturmbesitzern in Osteuropa zu knüpfen, aber das kommt sicher noch.
Wer sind die Vermieter?
Es sind sehr unterschiedliche Leute. Die meisten Vermieter sind älter als 50 Jahre. Das hat es zu Anfang erschwert, überhaupt in Kontakt zu kommen, weil einige von ihnen nicht im Internet unterwegs waren, keine Webseite hatten oder eine veraltete. Es sind Privatbesitzer, einige arbeiten für eine Organisation, die den Leuchtturm bewahren will. Die Vermietung ist eine Möglichkeit, um die Kosten für den Erhalt des Leuchtturms aufbringen zu können. Es ist sehr teuer, so ein Areal in gutem Zustand zu halten.
Haben Sie selbst in Leuchttürmen übernachtet?
Ja, wenn man so eine Webseite betreibt, muss man es auch selbst mal ausprobieren. Ich war auf der niederländischen Insel Ameland im Leuchtturm Keeper´s Cottage. Das ist schon toll. Wenn man morgens aufsteht, hat man einen weiten Blick über das Meer. Nachts ist der ganze Sternenhimmel zu sehen.
Ist so ein Aufenthalt im Leuchtturm wirklich etwas für jedermann? Sie sind doch sehr einsam gelegen und sehr hoch. Ich könnte mir vorstellen, dass manche Feriengäste vielleicht Angst bekommen?
Ein Abenteuertyp sollte man schon sein. Außerdem sollte man mitdenken, dass ein Rettungswagen dort nicht hinkommt, deshalb ist es für ältere Leute vielleicht nicht ganz das richtige. Die Schlafplätze sind allerdings nicht unbedingt immer oben im Turm, sondern oft im Wächterhaus direkt daneben.
Gibt eine Fangemeinde für Leuchttürme?
Es gibt Enthusiasten, die von einem Leuchtturm zum anderen reisen. Sie tun das nicht immer, um dort zu übernachten, sondern auch einfach um sie alle kennenzulernen und zu besuchen. Sie schreiben Blogs über Leuchttürme, pflegen Webseiten darüber und sind im Internet aktiv. Aber es ist wohl eher eine kleine Community, die für Leuchttürme schwärmt und das zum Hobby hat. Einige von ihnen setzen sich dafür ein, den Leuchtturm in ihrem Dorf oder in der Umgebung weiter zu erhalten.
Leuchttürme gehören zu den ältesten Kommunikationsmitteln der Menschheit. Sie stehen für Sicherheit und Orientierung. Obwohl die meisten Schiffe heutzutage über moderne Radar- und Navigationsgeräte verfügen, helfen die Lichtsignale der Leuchttürme den Seeleuten immer noch bei der Positionsbestimmung und warnen vor Riffen und Sandbänken.